standen und erschienen sind. Inhalt und Entstehung von „Grete Minde“, „L’Adultera“, „Schach von Wuthenow“, „Cecile“, „Irrungen Wirrungen“, „Quitt“, „Stine“, „Mathilde Möhring“ und „Frau Jenny Treibei“ werden kurz skizziert; im Vordergrund stehen meist die Selbstkritik Fontanes zu den betreffenden Werken und seine Aussagen zu charakteristischen Kernproblemen, die cum grano salis oft auch für seine anderen Romane gelten. Dies trägt dazu bei, Fontanes dichterisches Selbstverständnis von verschiedenen Seiten her zu beleuchten und sein Bild weiter zu differenzieren. Gemäß seiner Absicht vermeidet Verchau ein Eingehen auf spezifische Interpretationsprobleme. Deutungsansätze im engeren Sinne, soweit sie gegeben werden, stehen immer unter dem Aspekt „Individuum und Gesellschaft“. Dies aber führt zu Verkürzungen und Verallgemeinerungen, die auch im knapp bemessenen Rahmen einer Biographie unzulässig sein sollten. Dieser Ansatz kann nicht gleichermaßen allen Romanen gerecht werden, und auch für jene Werke, auf denen sich ein solches Etikett noch am sichersten befestigen läßt, reicht diese Perspektive nicht aus. Das führt dann zu so unpräzisen und abgedroschenen Aussagen wie „Individuum und Gesellschaft stehen in einem unlösbaren Spannungsverhältnis“ (S. 164) oder ,„Grete Minde' ist im Ansatz und an einigen Stellen eine Auseinandersetzung zwischen Individuum und Gesellschaft“ (S. 141). Eindeutig zu kurz kommen die Romane „Graf Petöfy“ und „Unwiederbringlich“, die beide nur passim erwähnt werden. Ohne Demetzsche Euphorie erwarten zu wollen, ist der summarische Satz, der den Leser über „Unwiederbringlich“ aufklären soll, doch recht mager ausgefallen („Mit meisterhafter Beiläufigkeit wird in dem Roman über Schweigen, Diskretion und Reden gesprochen“, S. 178). Das ist besonders bedauerlich, wenn man in Erwägung zieht, wie fruchtbar gerade dieser Roman für die von Verchau vorrangig verfolgten Fragestellungen ist.
Der vierte Teil der Biographie befaßt sich mit den „Höhepunkten der Meisterschaft“ (1893—1898), repräsentiert durch die autobiographischen Schriften die letzten Romane und die Spruchdichtung. Die oft scharfe Kritik des alten Fontane an Zeiterscheinungen und bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Tendenzen, die er zu dieser Zeit nur mehr privatim, nämlich in seinen Briefen, ausdrückt, gibt Gelegenheit, Wandel und Beständigkeit in seinen politischen, sozialen und ethischen Anschauungen aufzuzeigen. Für die Auseinandersetzung des Verfassers mit den Romanen „Effl Briest“, „Die Poggenpuhls“ und „Der Stechlin“ gilt im wesentlichen das gleiche wie oben ausgesprochen, wenn auch durch den Verzicht auf Übernahme der Romantitel als Kapitelüberschriften ein Zug zur Generalisierung deutlicher wird. Unstreitig ist die Frage nach Opposition oder Harmonie von Individuum und Gesellschaft eine Schlüsselfrage, die dem Leser einen wichtigen Zugang zum Werk Fontanes verschafft — aber eben nur einen möglichen. Es ist zu fragen, ob nicht die Einbeziehung weiterer Aspekte, die Verchau für seine Zielsetzung als spezifisch literaturhistorisch orientiert ablehnt (vgl. Einleitung S. 9), auch für das Verständnis der Persönlichkeit Fontanes und die Einordnung seiner Werke in eben diesen gesellschaftskritischen Zusammenhang erhellend gewesen wäre. Erwähnenswert sind die wenn auch kurzen Abschnitte, die den Einstellun-
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