Heft 
(1984) 38
Seite
508
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Bücher) und vielfältiger kultureller Kontakte hat Mauthner selbst in seinen Erinnerungen und im Anschluß daran die Forschung gerade seine Berliner Jahre (1876-1900), ohne Zweifel seine produktivsten Jahre, traurig vernachlässigt: von seinen geplanten Erinnerungsbänden erschien krankheitsbedingt, aber auch aus prinzipiellen Erwägungen lediglich der erste Band über die Prager Jugendjahre (1918) 11 , ansonsten nur kleinere Ausschnitte aus seinen Erinnerungen an einzelne Zeitgenossen, meist in verhältnismäßig schwer zugänglichen Zeitungen und Zeitschriften. 12

Um die Jahrhundertwende verzichtete Mauthner dann in einem Akt von Selbsterkenntnis, aber auch der Resignation zunächst gänzlich auf Dich­tung 13 , später auch auf Literatur- und Theaterkritik 1 ' 1 , um sich seiner Arbeit an einer Philosophie und Kritik der Sprache voll zu widmen: und wie Mauthner selbst betrachtet die Forschung heute die umfangreiche Sprach- kritik als seine bedeutendste Leistung. 13 In diesem Sinne sieht etwa Joachim Kühn (1975), in der bisher gründlichsten Darstellung von Mauth- ners Leben und Werk, dessen Berliner Jahre (18761900) lediglich alsWeg zur Kritik der Sprache 16 : anhand der ihm 1975 bekannten Zeugnisse, sowie in Unterstützung seiner negativen Beurteilung dieser Jahre 17 , hebt Kühn u. a. auch Fontanes Kritik an dem Schriftsteller-Kollegen hervor, die angeblich erst am Ende seines Lebens abgemildert wurde 18 , wobei sich Kühn in seinem Urteil insbesondere auf Fontanes Briefe an Mauthner vom 20. Dezember 1888 10 und Otto Brahm vom 3. Dezember 1893 20 stützte:

Mit dem Alter wird Fontane milder in seinem Urteil, vielleicht versteht er Mauthner jetzt auch besser. Hält er ihn anfangs einfach für .klugschmu- sig, so ist Mauthners Rezension des Stechlin die einzige, die er noch sorgfältig liest. Das Bemühen. Zugang zu Fontane zu gewinnen, ist letztlich gescheitert. Aus seiner ganzen Situation heraus mußte Mauthner darin mehr sehen als einfach das Mißlingen einer persönlichen Beziehung. Ein Dichter weist ihn zurück, während er eine glänzende Rolle in dem litera­rischen Betrieb spielt, den er am Ende doch verachtet und dem er entfliehen möchte. 21

Obwohl Kühns Beurteilung der Beziehungen zwischen Mauthner und Fontane prinzipiell zuzustimmen ist, muß seine Darstellung anhand der nunmehr vorliegenden Briefsammlung in wichtigen Einzelheiten korri­giert bzw. erheblich ergänzt werden. Nicht nur verwechselte Kühn z. B. Mauthners Rezension über Fontanes Roman Der Stechlin die im Berliner Tageblatt vom 18. November 1898 (also fast zwei Monate nach Fontanes Tod) erschien mit dessen Rezension über Fontanes Erinnerungen Von Zwanzig bis Dreißig (im Berliner Tageblatt vom 25. August 1898), für die Fontane sich in seinen Briefen vom 29. August und 2. September 1898 bedankte, sondern er versäumte insbesondere auch hervorzuheben, daß Mauthner sich gerade in dieser Rezension aneine freie und zwanglose Fontane-Gemeinde erinnerte, die zu Fontanes Lebzeiten gebildet worden war 22 ; Mauthner, der zunächst Mitglied des .Literarischen Clubs* (gegr. 1880), später der daraus hervorgegangenen .Zwanglosen Gesellschaft* (gegr. 1884) war 2 - 1 , scheint Fontane im Gründungsjahr der .Zwanglosen Gesell­schaft* durch seinen Umgang mit dessen Söhnen George und Theodor