Ewig schreibe ich, ewig bedanke ich mich, und wenn dann mal ein Fall vorliegt, wo’s wirklich nöthig wäre, so versäume ich’s. So habe ich Ihnen noch nicht für Ihre kl. liebenswürdige Kritik über meine „Gedichte“ * 1 2 *® gedankt. So wenigstens glaube ich. Denn auch das Schreckliche passirt mir — eigentlich das Tollste von allem — daß ich vergesse, mich bedankt zu haben und nach 14 Tagen de- und wehmüthig mit einer Entschuldigung komme, die gar nicht paßt.
Wie’s nun auch liegen mag, üben Sie Nachsicht, es geht mir so viel im Kopf herum 287 .
Ihre freundl. Ankündigung meiner Novelle für Neujahr oder so ungefähr 288 hat mir meine Frau vorgelesen; darf ich hervorheben, das arme Wesen heißt „Stine“. Stina kommt hier zu Lande gar nicht vor 289 .
Das Stück heute 2911 hat mich, trotz einiger stark hervortretender Fehler, doch wieder sehr interessirt. Seh ich so die Indifferenz oder doch den hochmüthigen Bummelzustand des Publikums solchen Anstrengungen und soviel wirklich Geleistetem gegenüber, so ärgre ich mich. Ich bin immer der Aelteste im Theater und zugleich der Naivste und Amüsableste. Ja, ich habe noch das, was wohl als Mirakel gezeigt werden kann: Die Kritiker- thräne 291 .
In vorzüglicher Ergebenheit Ihr Th. Fontane.
Teil II mit den Briefen Nr. 30 bis 64 folgt in Heft 39 (1985/1)
ANMERKUNGEN ZUR EINLEITUNG
1 Vgl. hierzu z. B. Helmuth Nürnberger .Fontanes Briefstil' in Hugo Aust (Hrsg.) : Fontane aus heutiger Sicht. Analysen und Interpretationen seines Werkes. Zehn Beiträge. München: Nymphenburger 1980. S. 56-80. sowie Charlotte Jolles: Theodor Fontane. — Stuttgart: Metzler 3 1983, S. 10—11.
2 Fritz Mauthner: .„Kommen Sie, Cohnl“ Aus meinen Erinnerungen an Theodor Fontane' in Neue Zürcher Zeitung, 141. Jg., Nr. 1 vom 1. 1. 1920, S. 1-2 (hier S. 1).
3 Die hier veröffentlichten 64 Fontane-Briefe befanden sich bis zum Tode Fritz Mauthners am 29. Juni 1923 in Meersburg/Bodensee — wohin er 1909, nach Ankauf des Glaserhäusles, von Freiburg/Br. aus umgesiedelt war - in dessen Besitz und gingen anschließend in den seiner Gattin — und zweiten Frau — Hedwig, geb. Strauch (1872-1945) über, die nach eigenen Angaben versuchte, den gesamten Nachlaß in einer Fritz-Mauthner-stiftung zusammen zu halten (vgl. Weltbühne 22 11926], S. 220-21); finanzielle Schwierigkeiten zwangen sie allerdings dann, in den Jahren 1925/26 einen Großteil der Mauthnerschen Bibliothek zu veräußern, dafür Jedoch das Glaserhäusle in ihrem Besitz zu erhalten, wo sie auch am 20. Juni 1945 gestorben ist. Hedwig Mauthner hat zu ihrer Lebzeit stets versucht, das Andenken an ihren Gatten wach zu halten (vgl. Wilhelm Restles Nachruf im Bodenseebuch [Konstanz] 32 [1945], S. 97-98) und hat es verstanden, das Glaserhäusle - das nach ihrem Tode in den Besitz Wilhelm Restles überging — „zu einer Insel des Friedens, zu einer Stelle geistiger Arbeit und Forschung“ (S. 98) zu verwandeln. Wilhelm Restle (1884—1980). 1906 zum katholischen Priester geweiht, war u. a. in DonauesChingen, Freiburg/Br. und Sinsheim als Priester tätig, bis er 1923 Stadtpfarrer von Meersburg wurde, wo er 1952 in den Ruhestand trat (am 30. Oktober 1966 feierte er sein Diamantenes Priester]ubiläum im Glaserhäusle, dessen Erinnerungsblättchen obige Angaben entnommen sind); er verstarb im biblischen Alter von 93 Jahren am 20. Mai 1980 in Meersburg, nachdem er bereits im Jahre 1965 fast den gesamten Nachlaß Mauthners dem Leo-BaeCk- Institute in New York vermacht hatte (vgl. Joachim Kühn: Gescheiterte Sprach- kritik. Fritz Mauthners Leben und Werk [Berlin/New York: de Gruyter 1975],
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