für den gesamten Liberalismus eine politische Gefahr geworden ist, wollen sie nicht verstehen. Sie ahnen gar nicht, wie schonend und rücksichtsvoll das Büchl gemacht wurde.“ (Brief an seine Frau vom 4. n. 1889, S. 331—32).
250 Es handelt sich hierbei um den liberalen Herzog Ernst von Coburg-Gotha (1818-1893), Bruder des Prinzengemahls Albert, mit dem Freytag jahrzehntelang ln freundschaftlichem Verkehr stand (vgl. Eduard Tempeltey [Hrsg.]: Gustav Freytag und Herzog Ernst von Coburg im Briefwechsel 1853—1893 [Leipzig: S. Hirzel 19041).
257 Karl Schräder (1834-1913). Mitglied der Fortschrittlichen Volkspartei und mit dem Kronprinzen persönlich bekannt durch seine Frau, eine Vertraute der Kronprinzessin. Schräders Beitrag zum Streitgegenstand hieß: ...Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone“ von Gustav Freytag“ (zuerst erschienen in Die Nation Nr. 5 [1889], S. 62-65, später als Broschüre verbreitet [vgl. Anm. 252]). Schrader betont gleich zu Anfang seines Beitrags, daß man „Manches vermissen und gegen Anderes lebhaften Widerspruch erheben müssen [wird].“ (S. 62). Seiner Ansicht nach war Freytag nicht imstande, dem hohen Gedankenflug des späteren Kaisers zu folgen, obwohl es „höchst reale Ziele waren, welche der Kronprinz mit sehr praktischen Mitteln erreichen wollte: eine starke kaiserliche Macht, geschaffen und getragen durch den Willen der deutschen Nation, welcher mit der Einheit die Freiheit zugleich gegeben werden sollte.“ (S. 62). Insbesondere bemängelte Schräder die .Unvollständigkeit“ der Freytagschen Argumentation, speziell die Nicht-Berücksichtigung des .Kriegstagebuchs“ des Kronprinzen (welches ja durch Geffcken im Oktober-Heft der Deutschen Rundschau zugänglich gemacht worden war). Nicht alle Kritiken der Freytagschen Schrift waren jedoch derart negativ; insbes. vgl. man den unter dem Pseudonym Nemo veröffentlichten Artikel (.Gustav Freytag und seine Gegner“). erschienen in der Gegenwart 37 (1890). 1. S. 3—5 (vgl. dazu Fontanes Entwurf von 1881 .Die gesellschaftliche Stellung des Schriftstellers in Deutschland“ in Aufzeichnungen zur Literatur, a. a. O., S. 177, worin es u. a. hieß: „So zeichne ich am richtigsten als .Niemand“, als .Nobody“, als .Nemo““ — sollte dieser Beitrag daher vielleicht aus Fontanes Feder stammen?) und worin Freytag vom anonymen Autor gegen die Vorwürfe Schräders verteidigt wird, daß er nur die Persönlichkeit des Kronprinzen „wie sie ihm erschienen ist“ zur Diskussion gestellt habe (S. 4).
258 Hans Delbrück (1848-1929). Professor für Geschichte an der Universität Berlin; 1874-1879 Erzieher am Hofe des Kronprinzen (verantwortlich für den Prinzen Waldemar bis zu dessen frühzeitigem Tode 1879); stand dem Kronprinzenpaar nahe: ab 1882 Mitglied der Freikonservativen Partei und Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, 1884-1890 auch Mitglied des Reichstages: ab 1883 - zusammen mit Treitschke — Hrsg, der Preußischen Jahrbücher, ab 1890 alleiniger Hrsg.; in seiner Entgegnungsschrift (vgl. Anm. 252) beklagt Delbrück vor allem die •Erbarmungslosigkeit“ der Freytagschen Schrift (S. 587) und greift speziell zwei Punkte zur Richtigstellung heraus: 1) die Stellung des Kronprinzen zur deutschen Kaiserkrone (S. 588 f); Freytag hatte behauptet, daß aus dem fürstlichen Stolz in der Seele des Kronprinzen die Idee des deutschen Kaiserthums erwüchse; und mit diesem Adelsstolz Hand in Hand ein lebhafter Sinn für Ceremoniell und Feierlichkeiten ginge, „bei denen der Fürst sich als Mittelpunkt prächtig darstellt [e].“ Delbrück gesteht Freytag zwar zu, daß alle diese Züge im Einzelnen richtig seien, das Ganze jedoch völlig falsch sei: „Der Kronprinz sah in der Kaiser-Idee die Verkörperung der nationalen Idee...“ (S. 588), behauptet andererseits aber, es sei völlig unfruchtbar anzunehmen, daß „die Vorstellung eines aus nationaler Gesinnung emporgewachsenen und von nationaler Gesinnung getragenen neudeutschen Staats ohne die Anknüpfung an die Vergangenheit durch den Kaisertitel“ erwachsen sein könne (S. 589): „Nur durch denselben Doctrinarismus, der ihnen das Wesen des Kaiserthums überhaupt verschleiert hat. kann Frevtag sich die Erkenntnis dieser so einfachen und so natürlichen Wahrheit versperrt haben.“ (S. 589) 2) Freytags Urteil über den Kronprinzen als Feldherrn (S. 591 f): Hier gelangt Delbrück zur Feststellung, daß Freytag scheinbar keine Vorstellung habe, was es heiße, in der Kriegführung die Verantwortung zu tragen (S. 592) und daß eine derartige Charakterisierung „nicht der unmittelbaren Anschauung des Dichters und Menschenkenners Freytag. sondern einer unzulänglichen Einsicht in das Wesen der Kriegführung“ entsprungen sei (S. 594).
259 vgl. Freytags Brief an seine Frau vom 4. 11. 1889: „Noch immer beschäftigt die Schrift. Die treuen Deutschen sind in großer Zahl nicht zufrieden, daß ihnen das Idealbild, welches sie sich seit 20 Jahren von .unserem Fritz“ gemacht haben, zerstört worden ist.. . “ (vgl. Anm. 255). Fontane hat sich scheinbar — wie auch im Falle Mackenzies (vgl. Brief Nr. 22. Anm. 241) - das gängige zeitgenössische Pauschalurteil zueigen gemacht: man vgl. dazu insbes. seine Verse vom Oktober 1888 auf den verstorbenen Kaiser Friedrich III., die erstmals in der 3. Auflage der Gedichte von 1889 erschienen waren, sowie den Brief an seinen Sohn Theodor vom 17. 6. 1888 (HA, III, Nr. 586. 615-16) zum Tode Friedrichs III. am 15. Juni
