über die jener herzlich gelacht hätte. 2 Wohl zustimmend, wie es auch in einem Brief an Mathilde von Rohr aus dem Jahr 1872 anklingt: „Das Theater, das mich in letzter Zeit vielfach in Anspruch nahm, macht mir Leid und Freud. Es hat viel Amüsantes, auch menschlich Interessierendes, ist und bleibt ein Bildungsmittel,..., andererseits fühl ich, daß ich für eine solche Beschäftigung zu alt bin. Das müssen junge Leute tun, oder solche alten, die ihr ganzes Leben diesem Theaterkram gewidmet haben.“ 3 In dieser Distanz, die mit einem sich Fremdfühlen einherging, lag auch eine Wertung des Theatergeschäfts, die besonders dort mitschwingt, wo der Verfasser von Kriegsbüchern und allerlei Historischem, so Fontane in dem Brief, „die Richtigkeit dessen, was mir meine Frau vorgestern sagte“, bestätigte: „es ist nicht ganz deiner würdig.* ' 1 Dergleichen Einwände hatte der sich erstaunlich rasch etablierende Lindau beileibe nicht. Gar nicht veranlagt, in einer betrachtenden Pose zu verharren, stieg er in die Theater- und Prcssewelt der Gründerhauptstadt und verzeichnete dort Sieg auf Sieg.
Wie verhielten sich diese beiden Kritiker zueinander? Welches Verhältnis zeichnete sie zum gemeinsam auf der Bühne erlebten Geschehen aus — und: liegt möglicherweise etwas Typisches in der Tatsache begründet, daß ein Lindau neben und .über* einem Fontane das Kritikerbild der ersten beiden Jahrzehnte neu gewonnener staatlicher Einheit bestimmt? Die Nachwelt hat längst ihr Urteil gefällt: Fontanes Ruhm ist unbestritten, und Lindau ist vergessen. Die Literaturgeschichte vermerkt Paul Lindau hauptsächlich als Verfasser von Berlin-Romanen. Bemüht man sich jedoch, die Situation nach 1871 aus ihren vielfältigen Verflechtungen heraus zu erfassen, dann stößt man auf Fakten, die das Zeitbild um einige Akzente erhellen. Lindau als Starkritiker ist ein solcher Fakt. Das moderne Wort scheint angemessen. Seine Kritiken, um Aufsehen bemüht, erregten Aufsehen. Was er schrieb, war nicht selten in kurzer Zeit stehende Redewendung. Ein Verriß von ihm — Grund genug mitzuverreißen. Ein Theaterautor, von ihm öffentlich dem Spott preisgegeben (zu Recht oder nicht, sei dahingestellt), hatte zweifelsohne Mühe, sein nächstes Stück an einem der Berliner Theater unterzubringen. Kurz, wo Fontane sich nicht ohne Qual mühte, der Sache das Wort zu leihen und seiner Tätigkeit keinerlei macht- ausübende Funktion beimaß, da eignete sich Lindau, nicht ohne Sympathie zu erwecken, diese Macht an — und verfügte über sie. Dazu später!
Ein vergleichender Blick auf die Ereignisse der gemeinsam erlebten Theaterabende bietet sich an, wobei freilich eine Unterscheidung im Charakter der Publikationsorgane hervorgehoben werden muß. Die Vos- sisehe Zeitung, mit der Fontane vertraglich verbunden war, hatte als Tageblatt das Ressort der Theaterkritik anders zu versorgen als die weitaus überregionaler orientierte GEGENWART, die wochenweise erschien. Hinzutritt das angesprochene Publikum — bei der „Vossin“ ein bildungsbewußtes, das durchaus auch einen traditionsvermittelten Liberalismus repräsentierte, bei der GEGENWART ein breiteres, in seiner sozialen Gebundenheit divergierendes. Anlage und umgesetzte Konzipierung spekulierten mit einer freisinnigen Leserschaft, die der Gründerzeit durch ihre Sozialumschichtungen verpflichtet war. Wo Fontane brennpunktartig