Heft 
(1984) 38
Seite
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Vossische Zeitung zu der ganzen Geschichte schwieg, erschien ihm das Vernünftigste. Und: er beklagte denGesamtzustand der Presse,der bei dieser Gelegenheit klar zu Tage getreten ist . 35 Ihm kam es darauf an, dem Briefpartner und Freund die Trennung zweier Bereiche kenntlich zu machen, die in der öffentlichen Auseinandersetzung vermischt wurden. Was denlebemännischen Standpunkt anbelangte, war für Fontane die Angelegenheit unerheblich. Die journalistische Seite jedoch beunruhigte ihn. ... (J)ournalistisch-moralisch angesehen, empfängt man allerdings einen schmerzlichen Eindruck und sieht an einem wahren Musterbeispiel demonstriert, daß alles Schwindel, Clique, Mache ist. ,Was gemacht werden kann, das wird gemacht . 1 Der allgemeinen Entrüstung skeptisch gegen­überstehend, hatte Fontane über deren Ursachen weniger Zweifel als manch Empörter:Die Reputation, die Lebenserfolge, Ruhm, Ansehen, Gewinn alles wird durch eine Gruppe von Personen bestimmt, die sich durch verschwiegenen Händedruck .zusammengefunden 1 haben und ihr Chef ist Lindau. Diesen Zustand, schloß er,finde ich nicht schön, aber es ist überall dasselbe Prinzip: Ausbeutung . 36 Damit rückte er übrigens bemerkenswerterweise bis in Begriffliche einer Lagebeurteilung nahe, die von einer Partei vorgelegt wurde, zu der Franz Mehring durch diesen Fall endgültig entschlossen überwechselte: der deutschen Sozialdemokratie. Natürlich war Fontane weit davon entfernt, Mehring auf diesem Wege weiter zu folgen. Überdies hatte der in seiner zweiten Schrift zum Fall LindauKapital und Presse in der Sache nicht ganz gerechte Äuße­rungen über Fontanes RomanIrrungen, Wirrungen fallen lassen, die wenig dazu angetan waren, eine Beziehung zwischen den beiden aufzu­bauen. 3 '

Als Paul Lindau Berlin verließ, um vorübergehend Reklame-Novellist für die amerikanische Überlandbahn zu werden, hatte Fontane sein Rezensentenamt mit dem dazugehörenden Parkettplatz seinem Nachfolger schon übergeben. Der Blick, den er Lindau nachwarf, war nicht frei von einer gewissen Wehmut, die in Briefen den Freunden gegenüber auch ausgesprochen wurde. Für ihn schloß sich zeitlich mit Lindaus Fall auch das eigene Theaterkapitel, das ihn erst kurz vor dem Tod noch einmal beschäftigen sollte. Die zwanzig Jahre Kritikertätigkeit überblickend, reflektierte er in dem geplanten Vorwort auch inhaltliche Schwerpunkte, um dabei sich auch noch einmal Lindaus zu erinnern:Es waren die zwanzig Jahre, wo, Kleinerer zu schweigen, Gutzkow, Laube, Freytag mehr und mehr das Feld räumten und Gestalten auftraten, in denen sich ein Neues wenigstens ankündigte: Wilbrandt, Lindau, Wildenbruch. 38

Anmerkungen

1 Paul Lindau, Literarische Rücksichtslosigkeiten. Feuilletonistische und polemische Aufsätze. Leipzig 1871.

2 Paul Schlenther. Vorwort zu: Theodor Fontane, Kritische Causerien über Theater.

Die Londoner Theater. In: Th. F.s Gesammelte w ® rk ^J L * h 5f.? n ^°,

Paul Schlenther. BerUn 1904. S. V. Vgl. dazu auch: Snd

graphische Schriften III/l. Hrsg, von Gotthard Erler Peter Goldammer und Joachim Krueger. Berlin und Weimar 1932. S. 378 * J?!! * Uh Fontane das Sprachspiel auf seinen Urheber zurück: Adolf Glaßbrenner.

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