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da Empörung auf beiden Seiten war die Folge und ein Skandal unvermeidlich. Anfangs gelang es Lindau mit Hilfe seiner langjährigen Freundschaften, die Ihn mit den wichtigsten Mitgliedern des Vereins BERLINER PRESSE verbanden, den Kelch abzuwehren. Doch seine Versuche, augenfällig die Vielfalt seiner Bezle* hungen spielen zu lassen, führten zu den notwendigen Konsequenzen. Für Mehring war dieser Fall gleichermaßen folgenreich. Er erfuhr durch Lindaus Mittelsmänner diskriminierende Behandlung, verlor seine Stellung und mußte sich öffentlicher Denunziationen ausgesetzt sehen. Seine beiden Broschüren — Der Fall Lindau“, Berlin 1890 und „Kapital und Presse. Ein Nachspiel zum Fall Lindau“. Berlin 1891 - gaben den Lesern ein eindrucksvolles Bild von dem Fall und seinen Folgen.
Er erinnert ln diesem Brief (vom 11. September 1890 an seinen Sohn Friedrich) an den englischen Räuber John Turpin und dessen Grabschrift ln London: „Hier Hegt John Turpin; er wurde nie gehängt, wenn er geräubert hatte; - das einzige Mal, wo er nicht geräubert hatte, irrten sich die Richter und er wurde gehängt." ln: Theodor Fontanes Briefe an seine Familie. Hrsg, von Karl Emil Otto Fritsch.
Zwei Bände. Berlin 1905, Bd. I, S. 238.
An Georg Friedlaender, 24. Oktober 1890. In: Th. F., Briefe an Georg Frledlacnder, S. 137.
36 Ebenda, S. 137 f.
Mehring wirft diesem Buch Fontanes einen für das Jahr 1888 völlig unangemessenen Schluß vor — und findet es unrealistisch. Die positive Besprechung Paul Schlenthers sei nur allzu bezeichnend. Diese polemische Passage reihte Mehring unter die beziehungsvolle Absatzüberschrift: Zur Philosophie und Poesie des Kapitalismus. In: F. Mehring, Kapital und Presse, S. 119 ff.
Theodor Fontane, Autobiographische Schriften, Bd. III/l, S. 365.
G. W. Field (Toronto)
Professor Cujacius, Turner und die Präraffaeliten in Fontanes ,Stechlin‘ *
Es dauerte fast ein halbes Jahrhundert, bis Kritiker dem Dichter Fontane ein tieferes Verständnis der schönen Künste zugestanden. Das negative Urteil Conrad Wandreys, daß Fontanes Interesse an Malerei „eine ihm wesensfremde Beschäftigung“ 1 sei, setzte sich über zwei Generationen unreflektiert fort, bis eine revolutionäre Umkehr einsetzte, mit H.-H. Reuters Fontane (1968), der Erscheinung von Fontanes Aufsätzen zur bildenden Kunst, 2 und der Arbeit von Charlotte Jolles, die in „Fontanes Studien über England“ 3 Ruskin, den Verfechter Turners und der Präraffaeliten, als Fontanes „Lehrmeister“ beschreibt. Jolles sieht eine Verwandtschaft zwischen Fontane und Ruskin in dem ethisch-poetischen Charakter ihrer Einstellung zur Kunst. Über die Präraffaeliten schreibt Jolles: „Das Neue an ihnen war ihr Kunstprinzip der kompromißlosen Wahrheit“, und, wie Reuter angedeutet hat, ist „Wahrheit“ bei Fontane ein Grundprinzip seines Begriffs von Realismus in der Kunst.
Reuter behauptet: „Gleich Goethe war Fontane ein ,Augenmensch‘“ (I, 329), und es war Reuter, der zuerst unsere Aufmerksamkeit auf Fontanes Gebrauch von Künstlern und Kunstwerken als Teil des thematischen Aufbaus
* Deutsche Fassung eines Vortrags, gehalten am 1. Juni 1983 anläßlich der Jahresversammlung der Canadian Association of University Teachcrs of German in Vancouver.