seiner Romane lenkte, wobei Reuter einen neuen Ansatz ins Leben rief, der seinen Höhepunkt in Peter-Klaus Schusters Buch 4 fand, in dem er F.ffi Briest mit Hilfe von religiösen Gemälden als Widerspiegelung des Lebens, der Passion und der Himmelfahrt Mariä interpretiert. Schuster hat wohl seine These ein bißchen zu weit getrieben, denn die spielerische Eft’i und der ironisch distanzierte Fontane scheinen sich einer Deutung zu entziehen, die sich ausschließlich auf die bildlichen Darstellungen der Jungfrau Maria beschränkt. Der Gebrauch gewisser präraffaelitischer Bilder in Eßi Briest läßt sich wohl eher mit Goethes ironisch thematischen Anspielungen in den „lebenden Bildern“ der Wahlverwandtschaften vergleichen.
Dieser Aufsatz befaßt sich nicht mit der neuen Einstellung gegenüber Fontane als Kunstkritiker, sondern versucht zu zeigen, wie Fontane in den Teppich seines letzten vollendeten Romans Hinweise auf gewisse Gemälde möglicherweise hineingewebt hat, die er sich vierzig Jahre vorher in England angesehen und dann beschrieben hatte. Wie D. C. Riechei dargestellt hat. „umfaßt dieser Roman die Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zum späten 19. Jahrhundert ... von Giotto und Memling bis Raffael, Tizian und Tintofetto. bis Rubens, Ruysdael und Hobbema, bis Watteau, Benjamin West und Turner, bis Cornelius, von Schwind, Böcklin und Millais (um Millet nicht zu vergessen, und ein Porträt von Jenny Lind)“/’
Der Kunstprofessor Cujacius ist vielleicht eine weniger denkwürdige Gestalt im Vergleich mit dem germanisierten polnischen Musiker Dr. Wrschowitz, der immer bereit ist, Kunst und Kritik mit Revolution zu verbinden: „Erst muß sein Kunst, gewiß, gewiß, aber gleich danach muß sein Krittikk. Krittikk ist wie große Revolution. Kopf aus Prinzipp. Kunst muß haben ein Prinzipp. Und wo Prinzipp is, is Kopf ab.“ 6
Diese Worte entstehen in einem politischen Zusammenhang, nämlich im Gespräch über die „Malkontenten“, die „Frondeurs“, die sich um den Prinzen Heinrich von Rheinsberg gruppierten, während der Herrschaft seines Bruders, Friedrich des Großen (V, 133). Durch Wrschowitz wirft Fontane ein ironisches, oft parodistisches Licht auf das große Grundthema des Romans, nämlich die Krise in der politischen und sozialen Ordnung eines von Preußen übernommenen Deutschlands in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts, wo revolutionäre Drohungen hinter den Kulissen lauern. Gibt es überhaupt eine mögliche Rolle für die preußischen Junker im Verband mit der Hochkonjunktur der Hohenzollern und der Großindustriemagnaten des Rheinlands? Werden die unvermeidlichen Änderungen revolutionär oder evolutionär vonstatten gehen? Wenn alle Konservativen der „Petrefakt“ Domina Adelheid ähnelten, oder den dekadenten Aristokraten wie z. B. dem Edlen Herrn von Alten-Briesach und seinen Vertrauten, so wäre die Notwendigkeit eines absolut revolutionären Kehraus klar. Aber Fontane bringt immer wieder andere Perspektiven, und, obwohl or die gefährliche politische Lage schildert, gibt er nie eine eindeutige Antwort. Wenn der Roman überhaupt eine Antwort andeutet, so liegt s ‘e in der Hoffnung auf Ausgleich, auf Anpassung und auf Fortschritt mittels Opfer und Evolution. Die chthonischen Tugenden des alten Stechlin
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