sarazenischen Untertanen. In unserem Roman dürfte das alles auf eine mögliche Genesung durch göttliche Intervention nach erlittenem Leid und Opfer hinweisen. Dies würde die Bedeutung der Geschichte der siamesischen Prinzessin unterstreichen, deren Virginität nach einem rituellen, statt eines wirklichen Blutbades, wiederhergestellt wird (V, 198—200).
Dieser mögliche Bezug auf die Geschichte der siamesischen Prinzessin läßt es glaubwürdig erscheinen, daß Fontane mit dem mittelalterlichen englischen Gedicht Sir Isumbras vertraut war, obwohl es wahrscheinlicher ist, daß der allgemein verbreitete Eindruck des Millais’schen Gemäldes, wie oben von Bates beschrieben, in Fontanes Gedächtnis nachwirkte. Man könnte freilich behaupten, daß beide Interpretationen gleichzeitig zu akzeptieren sind. 9 Jedenfalls werfen diese weit auseinanderklaffenden Interpretationen dieses Bildes ein grelles Licht auf die Begriffe „Wahrheit“ und „Realismus“ sowohl bei Fontane als auch bei den Pröraffaeliten. Offensichtlich handelt es sich um innere Wahrheit und nicht um äußerlichen oder historischen Realismus.
Als nach Cujacius’ vehementer Denunziation der „Entgleisung“ der Prä- raffaeliten eine kleine Verlegenheitspause entsteht, erwähnt Woldemar, daß er in London die „Phantastika des Malers William Turner“ gesehen hat:
... Er hat die „drei Männer im feurigen Ofen“ gemalt. Stupend. Etwas Großartiges schien mir aus seinen Schöpfungen zu sprechen, wenigstens in dem, was das Kolorit angeht. (V, 238—9)
Cujacius gibt zu: „Eine gewisse Großartigkeit ... ist ihm nicht abzusprechen“, aber er fährt dann damit fort, auch Turner zu mißbilligen:
Aber aller Wahnsinn wächst sich leicht ins Großartige hinein und düpiert dann regelmäßig die Menge. Mundus vult decipi. Allem vorauf in England. Es gibt nur ein Heil: Umkehr. Rückkehr zur keuschen Linie. Die Koloristen sind das Unglück in der Kunst. (V, 239)
Die Frage erhebt sich, ob alle die vielen Kunst- und Künstlerbetrachtungen im Stechlin tiefere thematische Bedeutung haben. Mir scheint es wahrscheinlich, daß manchen tatsächlich eine solche Bedeutungsschicht zuzuschreiben ist, daß aber andere nur einen Teil jener „Causerie“ bilden, die einst den Kern von Fontanes Kunst charakterisieren sollte. Die beiden Bilder, die im Mittelpunkt dieser Erörterung stehen, scheinen bei weitem mehr als bloßes Causeriematerial darzustellen. Warum läßt Fontane Cujacius das Angebot an Woldemar machen, ihm eine Gravierung von „Sir Isumbras“ zu schicken, die Woldemar vermutlich erhalten und bei passender Gelegenheit studieren wird: Die amüsante Szene mit dem Kunstprofessor hätte ohne dieses Angebot der Millais’schen Gravierung schließen können.
Es ist auch nicht ohne Bedeutung, daß es Woldemar ist, der von dem Turner-Bild „Shadrach, Meschach and Abednego Coming Forth from the Fiery Furnace“ 19 beeindruckt wurde. Jeder, der das dritte Kapitel des