Heft 
(1984) 38
Seite
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Buches Daniel kennt, wird sich der Relevanz des Kampfes zwischen Glauben und Gewalt gewahr werden, und auch des Wunders, das über Nebukadnezar den Sieg davon trägt:

Da entsetzte sich der König Nebukadnezar und fuhr auf und sprach zu seinen Räten: Haben wir nicht drei Männer gebunden in das Feuer lassen werfen? ... Sehe ich doch vier Männer frei im Feuer gehen, und sie sind unversehrt; und der vierte ist gleich, als wäre er ein Sohn der Götter. Und Nebukadnezar trat hinzu vor das Loch des glühenden Ofens und sprach: Sadrach, Mesach, Abed-Nego, ihr Knechte Gottes des Höchsten, gehet heraus aus dem Feuer. Und die Fürsten, Herren, Vögte und Räte des Königs ... sahen, daß das Feuer keine Macht am Leib dieser Männer bewiesen hatte ... Da fing Nebukadnezar an und sprach ... So sei nun dies mein Gebot: Welcher unter allen Völkern, Leuten und Zungen den Gott Sadrachs, Mesachs und Abed-Negos lästert, der soll in Stücke zerhauen und sein Haus schändlich verstört werden. Denn es ist kein anderer Gott, der also erretten kann als dieser. Und der König gab Sadrach, Mesach und Abed-Nego große Gewalt in der Landschaft Babel.

Es ist klar, daß die vierte Gestalt im Feuer Gott selber oder seinen Engel darstellt, und die Gefangenschaft der Juden, die Tyrannei Nebukadnezars und der brennende feurige Ofen suggerieren im allgemeinen die unruhigen revolutionären Zeiten, die dem Preußen-Deutschland bevorstehen, worin Glaube von unten undein Wunder von oben notwendig sein mögen.

Daß ich diesem Turnerschen Bild eine so ausgedehnte Bedeutung beimesse, könnte dem Leser als eine bloße Vermutung erscheinen. Aber ein zweiter unverkennbarer Bezug auf dieses Gemälde findet sich 140 Seiten weiter im Text, diesmal zu Dubslavs Begräbnis, und da die Erwähnung aus dem Munde des entarteten Barons von Molchow kommt, der mit von der Nonne spricht, nimmt die Anspielung jetzt typische Töne der Fontaneschen Ironie an. Indem er über die bittere Kälte klagt, fragt sich von der Nonne, warum die Begräbnisfeier nicht im Hause gehalten wurde,wo sie doch heizen konnten (V, 378). Daraufhin führt Molchow den Vergleich mit einem winterlichen Begräbnis in der neuen Leichenhalle in Berlin an, woein Kanonenofen ... pustet, so daß man den Geistlichen gar nicht hören kann:

Er spricht sozusagen für niemanden. Wer kann bei solchem Zug und solchem Ofenpusten ordentlich zuhören? Und bloß das weiß ich, daß ich immer an die drei Männer im feurigen Ofen gedacht habe. So halb Eisklumpen, halb Bratapfel is nich mein Fall.Ja, die Ber­liner, sagte Nonne ... Nich zu glauben.

Nich zu glauben. Und dabei bilden sie sich ein, sie hätten eigentlich alles am besten. Und mancher von ihnen glaubt es auch wirklich. Aber die Hölle lacht.

Ich bitte Sie, Molchow, menagieren Sie sich! ... so gleich hier von Hölle, hier mitten aufnem christlichen Kirchhof... (V, 379)

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