Eindruck, als kompensiere er dafür, daß er selbst keinen Adel hat, worauf Nelson hinweist (39) und was möglicherweise für seinen geringen militä-j rischen Rang verantwortlich ist.
Daß gerade dieser Mann findet, es werde „namentlich unter zu starker Wahrnehmung persönlicher Interessen regiert“ (103), entlarvt ihn als Heuchler.
Aber es ist genau dieses Vorgeben idealistischer Ziele bei gleichzeitigem Verfolgen eigener Interessen, worin Treibei ihm in dem Augenblick gleicht, wo er sich in der Politik von ihm vertreten läßt, denn auch Treibeis politische Motive sind höchst dubios. Er will nicht in den Reichstag, weil er sich sachlichen Zielen verschrieben hat; ihm sind politische Überzeugungen durchaus nicht wichtig, und auch Vogelsang akzeptiert er „mehr der Not gehorchend als dem eigenen Triebe“ (31). Von Anfang an ist seine politische Aktivität Akt des Opportunismus. Auch ihn lernt der Leser in einer sehr bezeichnenden Situation kennen. In einer Geste der Selbstverleugnung verdeckt er das liberale Berliner Tageblatt, das er eigentlich gerne lesen möchte, durch das konservative Deutsche Tageblatt, weil sein sektiererischer Wahlmanager sonst nicht mit ihm einverstanden ist. Auch widerspricht ihm im Grunde jeder Fanatismus ä la Vogelsang:
Ein leidlich gescheites Individuum kann eigentlich gar nicht fanatisch sein. Wer an einen Weg und eine Sache glaubt, ist allemal ein Poveretto; und ist seine Glaubenssache zugleich er selbst, so ist er gemeingefährlich und eigentlich reif für Dalldorf. (19)
Seine Entscheidung für Vogelsang ist also eigentlich ein Verrat seiner Überzeugungen. Beim Diner hat er Gelegenheit zu erläutern, warum er sich trotzdem in die Politik verirrt, denn seine Tischnachbarin, Majorin Ziegenhals, „eine rechte Cousine von dem Zossener Landesältesten“ (24) und daher nützlich für die Wahlkampagne, sagt ihm gerade heraus:
[...] warum verirren Sie sich in die Politik? [...] Sie verderben sich Ihren guten Charakter, Ihre guten Sitten und Ihre gute Gesellschaft. [...] was wollen Sie mit Konservatismus? [...] Jeder Lebensstellung entsprechen auch bestimmte politische Grundsätze. Rittergutsbesitzer sind agrarisch, Professoren sind nationale Mittelpartei und Industrielle sind fortschrittlich. Was wollen Sie mit dem Kronenorden? Ich, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, lancierte mich ins Städtische hinein und ränge nach der Bürgerkrone. (31)
Treibei erklärt ihr daraufhin:
[...] unsereins rechnet und rechnet und kommt aus der Regula-de-tri gar nicht mehr heraus, aus dem alten Ansatz: ,wenn das und das soviel bringt, wieviel bringt das und das.' Und sehen Sie [...] nach demselben Ansatz hab’ ich mir auch den Fortschritt und den Konservatismus berechnet und bin dahinter gekommen, daß mir der Konservatismus, ich will nicht sagen mehr abwirft, das wäre vielleicht falsch, aber besser zu mir paßt, mir besser kleidet. (32)
Was er sich ausgerechnet hat, ist, daß er so am besten, wie er seiner Frau erläutert, „Generalkonsul“ werden kann, um „von dem Baum seiner Politik
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