Und ähnlich auch aus Leopolds Perspektive: Indem er in seiner Beziehung zu Corinna auffällig häufig immer wieder auf Nelson hinweist, der für ihn angeblich „der beste Mensch und mein einziger Vertrauter ist“ (126), versucht er sich gewissermaßen dessen Identität anzueignen, um seines Erfolges bei Corinna gewiß zu sein. Immer wieder beschwört er den Namen Nelsons herbei, wenn er sich Corinna nähert. Vor der Verlobung vergegenwärtigt er sich den Rat des Engländers, „pluck“ (98) zu haben; beim Ausflug nach Halensee kommt er zu spät, „weil er durchaus an Mr. Nelson zu schreiben habe“ (111); beim Verlobungsgang um den See findet er es „Hellseherei“ (124), daß Corinna rät, wer ihr Grüße bestellen läßt, und macht ihr auf dem Umweg über Nelson seine Komplimente: Sie sollten nur lesen, was Mr. Nelson über Sie geschrieben hat; mit amusing fängt es an, und dann kommt charming und high-spirited, und mit fascinating schließt es ab. (124)
Und:
Und wenn der gute Nelson [...] dies alles gehört hätte, so würd’ er begeistert sein und von ,Capital fun‘ sprechen [...]. (126)
In dem Brief, den Corinna zerreißt, schlägt er sogar vor, zu Mr. Nelson zu fliehen:
Ich schwanke noch, wohin, denke aber England; da haben wir Liverpool und Mr. Nelson, und in zwei Stunden sind wir an der schottischen Grenze. (166)
Im Zeichen Nelsons also versuchen Corinna und Leopold zu siegen; und die militärische Vokabel erscheint dabei nicht unangebracht, denn einmal versichern sie sich immer wieder, wie sehr sie kämpfen müssen, um an ihr Ziel zu kommen. Aber zum anderen ist es ja gerade die Namensgleichheit des Kaufmanns mit dem großen Admiral, die bloß illusionäre Beziehung Nelsons zu seinem Namensvetter, die sie zu ihren falschen Hoffnungen verleitet. Treibei fordert Corinna geradezu auf:
Bemächtigen Sie sich Nelsons [...] Victory and Westminster-Abbey: das Entern ist diesmal an Ihnen. (24)
Und Corinna selbst erklärt bei Tisch Mr. Nelson ausdrücklich zum Experten für die Siege des Seehelden. Der Sieg bei Abukir wird diskutiert, und man einigt sich, daß von den beiden dafür nötigen Voraussetzungen, „eine geniale Disposition und ein heroischer Mut“, das letztere das Wichtigere sei. Das wird auch Corinna erfahren, denn ihre eigene geniale Disposition, z. B. der Umweg über Nelson, kann die fehlende „heroical courage“ auf Seiten Leopolds nicht ersetzen. Ich bin für das Heroische“, sagt sie, „weil es so selten ist“ (34), und in diesem Motiv des Heidnischen und seinem Fehlen liegt der eigentliche Angelpunkt der Rolle Nelsons bei der Verlobung. Über seinen unstimmigen Namen weckt er Erwartungen, die er nicht erfüllen kann, denn er ist nicht Viscount Nelson, sondern teilt mit Leopold das Unheldische, weil er genau wie dieser etwas Knabenhaftes hat; er wirkt „auch jetzt noch, wie ein Junge“ (21) und macht im übrigen selbst keinerlei Versuch, Corinna zu erobern. Diese sagt andererseits von Leopold:
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