Die erprobte Verfahrensweise der Realienbände aus der „Sammlung Metzler“ bewährt sich auch hier; abschnittsweise werden die Erörterungen mit den bibliographischen Nachweisen verbunden. Mitunter muß man freilich übers Register gehen, um einen Titel zu ermitteln, und nicht immer gelingt es (so bei Th. Meyer). Da durchaus zu wünschen ist, daß Aust demnächst abermals eine neue Ausgabe vorlegt, noch einige weitere Randbemerkungen: Manchmal läßt sich schwer unterscheiden, wo die Wiedergabe einer fremden Meinungsäußerung aufhört und die Meinungsäußerung des Verfassers beginnt. Problematisch erscheint die Verteilung der literatursoziologischen Sachverhalte auf die Abschnitte „Voraussetzungen und Einflüsse“ sowie „Publikum“. Die internationale Differenziertheit - bekannte Gretchenfrage des Realismus im 19. Jahrhundert — verdiente eine selbständige Abhandlung. Zum sogenannten „kritischen Realismus“ wären angesichts seiner Bedeutung in der marxistischen Theoriebildung (die unvoreingenommen referiert wird, soweit sie in deutscher Sprache zugänglich ist) einige begriffsgeschichtliche Angaben und die Aufnahme ins Begriffsverzeichnis zweckdienlich. Und schließlich sollte, wenn es die Spielregeln der Reihe erlauben, der bloße Hinweis auf die Darstellung Helmuth Widhammers, die seit 1977 als „Die Literaturtheorie des deutschen Realismus (1848—1860)“ ebenfalls in der „Sammlung Metzler“ vorliegt, durch Nachweis und Stellungnahme ersetzt werden; der Titel ist hier als dritter neben dem Austs und den „Manifesten und Dokumenten“ in Erinnerung zu bringen.
Daß die Materialienbände, die den literaturgeschichtlichen Darstellungen der Reihe „Epoche der Literatur“ beigegeben werden, mit dem Erscheinen von „Realismus und Gründerzeit“ auf eine neue Stufe gehoben wurden, war offensichtlich. Die Erweiterung von sonst einem auf zwei starke Bände betraf keine Äußerlichkeit. Vergleicht man die vorangegangene, Erich Ruprecht und Dieter Bänsch zu verdankende Sammlung von Manifesten und Dokumenten der „Jahrhundertwende (...) 1890—1910“ (Stuttgart 1970), dann drängt sich der Konzeptionswechsel auf. Die Autonomievorstellungen, in deren Rahmen sich Ruprecht und Bänsch bei ihrer Auswahl und Einleitung bewegten, sind durch das kommunikativ und sozialgeschichtlich begründete Literaturverständnis der siebziger Jahre ersetzt, das eine Neubewertung der Quellen mit sich brachte und auf eine immense Erweiterung des beachtenswerten Materials hinauslief.
Die Herausgeber begegneten der dadurch erwachsenden Schwierigkeit auf eine ungewöhnliche und überzeugende Weise, die es verdient, nochmals nachgezeichnet zu werden. Um den „literarischen Zeithorizont“ (S. V) in der erstrebten Vollständigkeit der wesentlichen literarischen Richtungen, Zeiteinflüsse und Probleme sichtbar zu machen, wurde in lockerer Koordinierung auf drei parallelen Wegen vorgegangen. Die Dokumentation erfuhr eine starke historisch-systematische Untergliederung; man entschied sich (stillschweigend) dafür, nicht eigentlich Texte zu dokumentieren, sondern insofern bruchstückhafte Äußerungen - ein riskantes, doch soweit sich sehen läßt, dank der eingesetzten Sadikunde zuverlässig bewältigtes Unternehmen. Ergänzend beigegeben wurde eine (nur zum Teil und aufs kanppste) annotierte Quellenbibliographie von 1486 Nummern und un-
611