Heft 
(1890) 01
Seite
19
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man jenes erste los wäre, und so begegnet eine solche Entäußerungs­gelegenheit mit wohlthätigem Hintergrund vielfacher Gebelust. Ich suchte also auch einigeNippes" heraus, deren Dasein ich erst bemerkte, als sie sortgeräumt waren, einige Stickereien, an deren Herstellung sich irgend ein Nichtchen seine lieben Augen verdorben hatte, wenn sie nicht so schlau war, sie fertig zu kaufen; ich fügte einigeunsterbliche Werke" bei mit Autograph glücklicher Gewinner! und die Sendung machte sich aus den Weg.

Geben ist seliger denn Nehmen." Aus der Fülle seiner Ladenhüter etwas geben ist seliger, als von den Ladenhütern des wohlthätigen Nachbars etwas nehmen. Aber man muß eben beides thun und schon beim Anblick der holdseligen jungen Mädchen, die, Cigaretten und Blumensträuße feil­bietend, mit den Geschossen ihrer Augen den Eingang beherrschen, wie die Schlösser der Dardanellen den Engpaß ins Marmarameer, nimmt man das harte Wort beschämt zurück.

Wir hatten keine günstige Zeit zum Besuche des Bazars gewählt. Es war am dritten Markttage in der Stunde, in welcher in vielen Häusern zu Mittag gespeist wird. Infolge dessen waren nicht viele Käufer anwesend und die Verkaussgeneigtheit, der Wetteifer zu bedienen, hatte etwas Unheimliches. Wenn es voll ist, rutscht man besser unbemerkt durch. Heut war das nicht möglich: überall grüßen befreundete, jedenfalls freundliche Gesichter, und es ist herzbeklemmend, zu denken, wie vielen dieser schönen Bazarinen man nichts anderes wird geben können als einen Korb. Zum Glück sind wir -zu zweit, meine Frau und ich. Ich allein wäre ja sicher nicht fort­gekommen, ohne meine Geldtasche und einen Solawechsel in beträcht­lichem Werthe dortgelassen zu haben. Welches männliche Einzelwesen kann einem aufgepflanzten Spalier von Huldinnen in den lieblichsten Bazartoiletten widerstehen, welche nicht müde werden, ihm ihre Schätze anzupreisen? Keines!! In der Begleitung aber gewinnt man Selbst­vertrauen, den grausamen Muth,nein" zu sagen.

Unsere Strategie war die des siegreichen deutschen Heeres: getrennt marschieren, zusammen schlagen nämlich abschlagen! Wenn ich vor irgend einer der Buden stehend plauderte, bewunderte, Kleinigkeiten kaufte, und ich fühlte das Nahen des Augenblicks, in dem meine Wider­standskraft erlahmte, rief ich:Ruft mich dort nicht meine Frau?" und mit einem verbindlichen Abschiedsgruß sprang ich aus der gefähr­lichen Ecke.

Doch ich übertreibe:st man muß ja bedenken, daß es der Verkäufer­innen schönes Recht und erhabenste Pflicht ist, zu Gunsten der Bedürftigen

! die Wohlhabenden zu besteuern. Hinter jeder dieser Salonerscheinungen ! stehen unsichtbar Hunderte in dürftigen, nicht einmal gegen die Kälte § schützenden Kleidern, und je mehr jene euch aus euren Taschen zu locken ^ vermögen, desto größer ist ihr Verdienst. Der heilige Crispinus stahl ! bekanntlich Leder, um Schuhe davon zu machen, die er den Armen ! schenkte. Ein solches Vorgehen ist ja vor dem Gesetze strafbar aber die

> Kirche sprach Crispinus heilig. Die Damen, welche wochenlang um Verkauss- ! gegenstände betteln gehen und dann in vollem Staat fünf, sechs, sieben Tage

> lang, sich kaum die Zeit des Mittagessens gönnend, hinter den: Ladentisch stehen, um solche möglichst hoch an den Mann Käuferinnen bilden die Minderheit zu bringen, haben mindestens das Anrecht aus Straflosigkeit. Es sollen ja manche Herren ihren Besuch im Bazar mit einer erheblichen Unterbilanz bezahlen: aber darüber sollten sie sich doch nicht grämen! Wenn ich viel Geld hätte, ich würde mich über jede Kriegslist freuen, welche von schöner Hand in guter Sache gegen meinen Besitz eingefädelt wird; ich würde denen dankbar sein, die mir das Wohl­thun so bequem und angenehm machen, und ich würde mich fröhlich damit trösten, daß ich, wieviel ich auch in den Händen der geschäftseifrigen Ver­käuferinnen gelassen habe, im Vergleiche zu denen, für welche die Gabe bestimmt ist, noch immer als ein wohlhäbiger Mann herauskomme. Uebrigens sind die Damen auch einsichtig und mit dem Kleinsten zufrieden. Gute Freundinnen wollen uns schonen, begehen einen Verrath an ihrer Sache und winken ab, wenn man kaufen will. Die eine erinnerte mich fast an den Kellner des Restaurant Vignon aus der französischen Posse Verfolgt". Für diesen frommen Mann sind die verschwenderischen Diners, für die er den Wein aufträgt, ein Gräuel, und er hält seinen Gästen stets erbauliche Reden, ernste Abmahnungen, giebt ihnen den Rath, so lange es Zeit ist, nach Hause zu gehen, ehe er sich darein er- giebt, zu serviren. Wir gingen auch,, nachdem wir noch von zarten Händen einen Imbiß kredenzt erhalten, und trugen unsere Packetchen mit innerer Befriedigung nach Hause.

Dort angekommen, wickeln wir unsere Einkäufe aus. Mit Schrecken erkennt meine Frau, daß ich ein Paar der von uns selbst hingelieferten Vasen mitgebracht habe, deren geschmacklose Form uns seit lange ein Dorn im Auge war und die wir glücklich waren, endlich einmal loszuwerden. In unbewußter Anhänglichkeit holte ich sie zun: zweitenmal ins Haus. Das war schlimm! Wenn ich aber später aus eines der genommenen Bazarlose etwa gar eins meiner geschenkten Bücher zurückgewinnen sollte, werde ich mich ernstlich gekränkt fühlen.

Wlätter und Wl'ütHen.

Jer Mrgi ernst und jeht.Z (Mit Abbildungen von R. Püttner, nach Skizzen von C. Käsli-Schnltheiß.) Der jetzt so viel gefeierte und viel besuchte Rigi war bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts nur den Hirten aus den umliegenden Thälern bekannt; auf ihm weideten sie im Sommer ihre Herden, berei­teten in den vielen zerstreuten Al­penhütten Käse und Butter, sam­melten das Wildheu für den Win­ter und lebten froh, und gesund in der reinen, dünnen Bergesluft, unbekümmert um die Stürme der großen Welt. Für die Aussicht in die Weite, für Sonnenaus- und Niedergang, für Naturschönheit, für alles das, was jetzt Hunderttausende aus aller Herren Ländern anzieht, hatten sie wenig oder keinen Sinn; gutes Wetter und ein voller kräf­tiger Graswuchs war ihnen alles, denn die ausgedehnten Alpenwiesen des Rigi gewährten etwa 3- bis 4000 Kühen Nahrung für den gan­zen Sommer.

Die Ansammlung von Aelplern -

veranlaßte nun schon etwa um das Jahr 1700 einen begüterten Landmann, auf dem Rigi in einer Vertiefung 500 Meter unterhalb der höchsten Spitze eine Kapelle errichten zu lassen; auch ein kleines Kloster für die Kapuziner­mönche wurde dazu gebaut, damit den vielen Hirten in diesen Alpen Gottesdienst gehalten werden könnte.

Durch viele Spenden, Ablaß und erbauliche Geschichten wurden Klo­ster und Kirchlein bald bekannt un­ter dem noch jetzt üblichen Namen Maria zum Schnee". Bald er­hoben sich daneben noch einfache Gasthäuser für Alpenluftbedürftige aus der Umgegend. Außer diesen und den vielen Hirten kam höchst selten ein Fremder auf diese Höhen; die Aussichtspunkte waren noch nicht bekannt und nicht gesucht, man hatte der Leser findet über diese merkwürdige Erscheinung weiteres in Nr. 36 des vorigen Jahr­gangs noch keine Empfindung für ihre Schönheit; erst später, im Anfang dieses Jahrhunderts, geschah

Aas neue Kotet auf dem Uigi-Kutm.

es häufiger, daß Pioniere des Bergsteigens die leicht zugänglichen Gipfel besuchten. Von den ersten Rigireisenden nennen wir I. I. Scheuchzer (st 1733), I. G. Ebel (st 1830) und seinen Zeitgenossen, den Maler Heinrich

Keller, alle drei von Zürich; auch Saussure von Genf (st 1799) wor­unter den ersten Besuchern. Alle diese beschrieben in ihren Schriften die wundervolle Aussicht über einen großen Theil der Schweiz und in die Gletscherwelt des Hochgebirgs, priesen die Großartigkeit des Son­nenaufgangs, die reine, stärkende Luft, die Nebelbilder und alle die Merkwürdigkeiten der Alpenwelt.

Dies bewirkte nach und nach stär­keren Besuch aus der Schweiz und dem Auslande. Eine einfache kleine Hütte unterhalb desKulms", der Spitze, genügte den immer zahl­reicher werdenden Touristen nicht mehr, und es wurde im Jahre 1816 ein Gasthaus erbaut, welches, obschon im einfachen, landesüblichen Stile gehalten, doch nach dama­ligen Begriffen geräumig und be­quem war; es ist dasjenige, welches die obere unserer Abbildungen zeigt. Jetzt ist dieser einfache Bau schon längst verschwunden; an seiner Stelle stehen die größten, mit allem Luxus der Neuzeit ausgestatteten Gast­höfe und Fremdenwohnuugen. Das neueste derselben ist auf unserer zweiten Abbildung zu sehen. Aber auch unterhalb der höchsten Spitze, auf Rigi-Staffel, Rigi-Kaltbad, auf Klösterli und Rigi-Scheideck und ai: zahlreichen anderen Punkten wimmelt es voll Unterkunftsge- legenheiten aller Art. Zu diesen Gasthöfen lind Kurorten führen sehr sorgfältig unterhaltene, ge­fahrlose und aussichtsreiche Wege, außerdem aber noch zwei Eisen­bahnen. Die eine von ihnen, die von Vitznau aus nach Kaltbad und Kulm geht, wurde in den Jahren 1868 bis 1870 von den Ingenieu­ren Näff, Riggenbach und Zschokke gebaut mit Zahnradsystem und durchschnittlich etwa 20 Prozent Steigung; die andere, 1875 eröffnet.