Heft 
(1890) 03
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die plötzlich, fast blitzschnell entstehen, die einem Rausche, einem Taumel gleichen und nur zu oft mit der Rene eines ganzen Lebens bezahlt werden. Vergessen waren die Wünsche der Eltern, die eigenen Zukunftspläne, vergessen die ruhige, herzliche Neigung, die ihn zu seiner Jugendgespieliu Regine zog. Er hatte keine Allgeil mehr für die heimische Waldblume, die ihm damals noch jung und frisch erblühte, er sog nur den berauschenden Dust der fremden Wunderblüthe ein, alles andere verschwand und versank neben ihr, lind in einer Stunde des Alleinseins stürzte er zu ihren Füßen und bekannte ihr seine Liebe.

Seltsamerweise wurden seine Gefühle erwidert. Vielleicht war es die alte Lehre von den sich berührenden Extremen, die Zalika zu einem Manne zog, der in jeder Hinsicht der vollste Gegensatz ihres eigenen Wesens war, vielleicht schmeichelte es ihr, daß eiil Blick, ein Wort von ihr die ernste, ruhige und schon damals etwas düstere Natur des jungen Offiziers in Flammen zu setzen vermocht hatte, genug, sie nahm seine Werbung au und er durfte sie als Braut in die Arme schließen.

Die Nachricht von dieser Verlobung erregte einen Sturm in dem gesummten Familienkreise, von allen Seiteil kamen Einreden lllld Warnungen, auch Zalikas Mutter und ihr Stiefvater waren dagegen, aber der allgemeine Widerstand steigerte nur die Leiden­schaft des jungen Paares. Die Verbindung wurde trotz alledem durchgesetzt, und ein halbes Jahr später führte Falkenried seine junge Gattin in sein Haus.

Aber die Stimmen, welche dieser Ehe Unglück prophezeiten, sollten nur zu sehr recht behalten. Dem kurzen Rausche des Glückes folgte die bitterste Enttäuschung. Es war ein verhängniß- voller Jrrthum gewesen, zu glauben, eine Frau wie Zalika Roja- now, die iil schrankenloser Freiheit ausgewachsen und all das regellose, verschwenderische Leben der Bojarenfamilieu ihrer Hei- math gewöhnt war, könne sich jemals deutschen Anschauungell und Verhältnissen fügen. Auf wildem Rosse stundenlang umherjagen, mit den Männern, die ihre Zeit zwischen Jagd und Spiel theilten, in dem allerfreiesten Tone Verkehren und sich im Hause, das immer eiue Schar von Gästen füllte, mit einem äußeren Glanze umgeben, der mit dem ärgsten Verfall der verschuldeten Güter Hand in Hand ging das war das Leben, das sie bisher allein kennen gelernt hatte und das ihr auch allein zusagte. Der Be­griff der Pflicht war ihr ebenso fremd wie das Verständniß für ihre neue Lebensstellung überhaupt.

Und diese Frau sollte sich nun dem Haushalt eines jungen Offiziers, dem nur beschränkte Mittel zu Gebote standen, den Verhältnissen einer kleinen, deutschell Garnisonstadt anbequemen! Daß das unmöglich war, zeigte sich schon in den ersten Wochen. Zalika begann damit, sich auch hier über alle Rücksichten hinweg­zusetzen llnd ihr Haus auf dem gewohnten Fuße einzurichten, indem sie ihre nicht unbedeutende Mitgift in der sinnlosesten Weise verschwendete. Vergebens bat und mahnte der Gatte, er fand kein Gehör bei ihr; sie hatte nur Spott für Schranken und Formen, die ihm heilig waren, nur ein Achselzucken für seine strengen Ehr- und Anstandsbegriffe. Es gab bald genug die heftigsten Zerwürfnisse, und Falkenried erkannte zu spät die schwere Uebereilung, die er begangen hatte.

Er hatte auf die Allmacht der Liebe gebaut, all den War­nungsstimmen zum Trotz, die auf die Verschiedenheit der Ab­stammung, der Erziehung und der Charaktere hinwiesen, und mußte nun erkennen, daß Zalika ihn überhaupt nie geliebt, daß nur Laune oder höchstens eine flüchtig auflodernde Leidenschaft, die ! ebenso schnell wieder erstarb, sie in seine Arme geführt hatte. ! Jetzt sah sie in ihm nur noch den unbequemen Gefährten, der ihr ^ jeden Lebensgenuß verkümmerte, der mit seiner thörichten Pe­danterie, seinen lächerlicheil Ehrbegriffen ihr überall Schranken ! illld Fesseln auferlegte. Und doch fürchtete sie diesen Mann, dessen ^ Energie es gelang, ihre charakterlose Natur immer wieder unter > seinen Willen zu beugen.

Anch die Geburt des kleinen Hartmut vermochte in der schon damals tief unglücklichen Ehe nichts mehr zu versöhnen und aus- zugleicheu, aber sie hielt diese Ehe wenigstens äußerlich noch zn- jammen. Zalika liebte ihr Kind mit vollster Leidenschaft, und sie wußte, daß der Gatte es ihr nun und nimmermehr lassen würde, wenn es zur Trennung käme. Das allein hielt sie an seiner Seite fest, während Falkenried mit verbissenem Schmerze sein häusliches Elend trug ulld alles drall setzte, es wenigstens vor der Welt zu verschleiern.

Die Welt freilich kannte trotzdem die Wahrheit, sie wußte Diuge, die der Gemahl nicht eiumal ahnte und die man ihm aus Schouung noch verschwieg. Aber endlich kam doch der Tag, wo man dem betrogenen Manne die Augen öffnete und ihm verrieth, was anderen längst kein Geheimniß mehr war. Die unmittelbare Folge davon war ein Duell, in dem Falkenrieds Gegner fiel, während er selbst zu einer längeren Festungshaft verurtheilt, aber sehr bald begnadigt wurde. Man wußte es ja, daß der beleidigte Gatte nur seine Ehre gesühnt hatte. Inzwischen war auch die Scheidung eingeleitet und ausgesprochen worden; Zalika erhob keinen Widerspruch dagegen, sie wagte es überhaupt nicht, ihrem Gatten wieder zu nahen, denn seit jener Trennullgsstunde, wo er sie zur Rede stellte, zitterte sie vor ihm. Aber sie machte ver­zweifelte Versuche, sich den Besitz ihres Kindes zu sichern, um das sie einen Kampf auf Leben und Tod führte.

Es war vergebens, Hartmut wurde unbedingt dem Vater zugesprochen, der mit eiserner Unerbittlichkeit jede Annäherung der Mutter zu hindern wußte. Zalika durfte ihren Sohn nicht einmal Wiedersehen und erst als sie sich überzeugt hatte, daß iil dieser Hinsicht nichts zu erreichen war, kehrte sie in ihre Heimath, in das Haus ihrer Mutter zurück. Sie schien verschollen zu sein für ihren ehemaligen Gatten, bis sie plötzlich und unerwartet wieder in Deutschland auftauchte, wo Major Falkenried jetzt eine hervorragende Stellung au der großen militärischen Erziehungs­anstalt einnahm, die in der Nähe der Hauptstadt lag.

Es war ungefähr acht Tage nach der Ankunft Hartmuts in Burgsdorf. In ihrem Wohnzimmer saß Frau von Eschenhagen und ihr gegenüber der Major, der vor einer Viertelstunde ein­getroffen war. Der Gegenstand ihres Gespräches mußte wohl ein sehr ernster und unangenehmer sein, denn Falkenried harte mit tief verfinstertem Gesichte der Gutsherrin zu, die jetzt iu ihrem Berichte fortfuhr.

Mir fiel Hartmuts verändertes Wesen schon am dritten oder vierten Tage auf. Der Junge, dessen Uebermuth anfangs gar nicht zu bändigen war, so daß ich einige Male drohte, ihn wieder nach Haus zu schicken, wurde plötzlich ganz kopfhängerisch. Er beging keine einzige Tollheit mehr, trieb sich stundenlang allein im Walde umher und träumte, wenn er zurückkam, mit offenen Augen, so daß mau ihn förmlich wecken mußte. ,Er fängt an, vernünftig zu werden/ meinte Herbert, ich aber sagte: .die Sache ist nicht richtig, dahinter steckt etwas / und nahm mir meinen Willy vor, der mir auch ganz merkwürdig vorkam. Er war richtig mit im Komplott. Er hatte die beiden eines Tages überrascht, Hart­mut hatte ihm das Wort abgenommen, daß er schweigen werde,

^ und mein Junge schweigt wirklich, verschweigt mir, seiner Mutter,

! etwas! Er beichtete erst, als ich ihm ernstlich zu Leibe ging. Nun, zum zweitenmal thut er es nicht wieder, dafür habe ich gesorgt."

Und Hartmut? Was sagte er?" unterbrach sie der Major hastig. ,

Gar nichts, denn ich habe noch keine Silbe mit ihm darüber geredet. Er hätte mich wahrscheinlich gefragt, warum er seine ' eigene leibliche Mutter nicht sehen und sprechen solle, und die Antwort auf diese Frage kann ihm doch nur der Vater geben."

Er wird sie wohl bereits von anderer Seite erhalten haben," sagte Falkenried bitter.Die Wahrheit freilich hat er schwerlich erfahren!"

Das fürchte ich auch und deshalb verlor ich keine Minute, Sie zu benachrichtigen, nachdem ich die Geschichte entdeckt hatte. Was nun?"

Nun werde ich allerdings eiugreifen," entgegnete der Major mit erzwungener Ruhe.Ich danke Ihnen, Regine, aber ich ahnte bereits Unheil, als Ihr Brief mich so dringend herrief. Herbert hatte recht, ich durfte unter diesen Umständen meinen Sohn auch nicht eine Stunde von meiner Seite lassen, aber ich glaubte ihn hier in Burgsdorf sicher vor jeder Annäherung. Und er freute sich so auf den Ausflug, er sehnte sich mit einer förm­lichen Leidenschaft danach, ich hatte nicht das Herz, es ihm zu versagen; er ist ja überhaupt nur froh, wenn er fern von mir ist."

Es lag ein dumpfer Schmerz in den letzten Worten; aber Frau von Eschenhagen zuckte nur die Achseln.

Das ist nicht die Schuld des Jungen allein," sagte sie offenherzig.Ich halte meinen Willy auch tüchtig iu Zucht,