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Klang, als er'erwiderte: „Ja, der Bube, der Hartmut hat ihn auf dem Gewissen! Aber jetzt liegen doch mehr als zehn Jahre dazwischen und ich hoffte, Falkenried würde sich allmählich dem Leben wieder zuwenden."
„Ich habe es nie gehofft," sagte Frau von Eschenhagen ernst. „Der Streich ist an die Wurzel gegangen! Ich werde ihn mein lebelang nicht vergessen, den. unglückseliger: Abend in Burgsdorf, wo wir warteten und warteten, erst mit Unruhe und Sorge, dann mit Todesangst. Du erriethest gleich die Wahrheit, aber ich wollte sie nicht aufkommen lassen, und nun vollends Falkenried! Ich sehe ihn noch, wie er am Fenster stand und in die Nacht hinausstarrte, bleich wie ein Tvdter, mit zusammengebissenen Zähnen, und auf jede Befürchtung und Vermuthung nur die eine Antwort hatte: ,Er kommt! Er muß kommen! Ich habe sein Wort? Und als Hartmut trotz alledem nicht kam,, als die Nacht hereinbrach und wir endlich auf unsere Anfrage bei der Bahnstation erfuhren, daß die beiden im Wagen allgekommen und dann mit dem Knrierzuge davongejagt seien — Gott im Himmel, wie sah der Mann aus, als er sich so stumm und starr zum Gehen wandte! Ich nahm Dir das Versprechen ab, ihm nicht von der Seite zu gehen, denn ich glaubte, er würde sich eine Kugel vor den Kopf schießen."
„Da hast Du ihn falsch beurtheilt," sagte Wallmvden mit voller Bestimmtheit. „Ein Mann wie Falkenried hält es für Feigheit, Hand an sich zu legen, selbst wenn ihm das Leben zur Folter wird. Er hält aus, auch auf dem verlorenen Posten. Was freilich geschehen wäre, wenn man ihn damals wirklich hätte gehen lassen, das wage ich nicht zu entscheiden."
„Ich weiß, er forderte seinen Abschied, weil es sich mit seinen Ehrbegriffen nicht vertrug, weiter zu dienen, nachdem sein Sohn zum Deserteur geworden war. Es war ein Verzweiflungsschritt."
„Ja wohl, und es war ein Glück, daß man eine militärische Kraft wie die seinige nicht entbehren konnte und wollte. Der Chef des Generalstabes nahm sich ja persönlich der Sache an und brachte sie vor den König, und man kam schließlich überein, den ganzen unseligen Vorfall, wenigstens so weit er für den Vater hätte Folgen haben können, als einen unsinnigen Knabenstreich zu behandeln, dem ein hochverdienter Offizier nicht zum Opfer fallen dürfe. Falkenried mußte sein Gesuch zurücknehmen, wurde in die ferne Garnison versetzt und die Sache selbst möglichst todtgeschwiegen. Jetzt, nach zehn Jahren, ist sie ja auch in der That begraben und vergessen von aller Welt."
„Nur von einem nicht," ergänzte Regine. „Mir wendet sich oft das Herz im Leibe um, wenn ich denke, was Falkenried einst war und was er jetzt ist. Die bitteren Erfahrungen seiner Ehe hatten ihn wohl ernst und ungesellig gemacht, aber in guten Stunden brach es doch wieder so warm und herzlich aus seinem Innern hervor, da war er so ganz der Alte, mit der vollen Liebenswürdigkeit seines Wesens. Jetzt ist das alles vorbei, jetzt kennt er nur noch starres eisernes Pflichtgefühl, alles andere ist todt und erstorben. Sogar die alten Freundschaftsbeziehungen sind ihm Peinlich geworden — man muß ihn seinen Weg gehen lassen!"
Sie brach ab mit einem Seufzer, der verrieth, wie nahe ihr das Geschick des einstigen Jugendfreundes ging, und die Hand auf den Arm ihres Bruders legend, schloß sie:
„Vielleicht hast Du recht, Herbert, man wühlt in späteren Jahren, am besten und vernünftigsten. Du hast das Schicksal Falkenrieds nicht zu fürchten, Deine Frau stammt aus einer guten Art. Ich habe Stahlberg ja auch gekannt, er hat sich mit Ernst und Tüchtigkeit zu den Höhen des Lebens emporgearbeitet und ist auch als Millionär der Ehrenmann geblieben, der er von jeher war, und Adelheid ist in jedem Zuge die Tochter ihres Vaters. Du hast Dich besser vorgesehen, und ich gönne Dir Dein Glück von Herzen."
Das Jagdschlößchen Rodeck, das zu den fürstlich Adelsberg- schen Besitzungen gehörte, lag etwa zwei Stunden von Fürstenstein entfernt, mitten in tiefster Waldeseinsamkeit. Das kleine, ziemlich geschmacklose Gebäude enthielt höchstens ein Dutzend Zimmer, deren veraltete und verblichene Einrichtung man jetzt, so gut es in der Eile gehen wollte, instand gesetzt hatte. Das Schlößchen war seit Jahren nicht benutzt worden und sah auch etwas vernachlässigt aus, aber wenn man aus dem tiefen dunklen Forst in die Lichtung heraustrat und am Ende des weiten grünen
Rasenplatzes das alte graue Gemäuer mit seinem hohen spitzen Ziegeldach und den vier Thürmchen an den Ecken erblickte, hatte es doch etwas von einer Waldidylle an sich.
Die Adelsberg waren ein ehemals reichsfürstliches Geschlecht, das allerdings schon längst seine Souveränität verloren hatte, dem aber mit dem Fürstentitel auch ein riesiges Vermögen und ein sehr bedeutender Grundbesitz verblieben war. Die einst weit verzweigte Familie zählte gegenwärtig nur noch wenige Vertreter, die Hauptlinie nur einen einzigen, den Fürsten Egon, der als Herr der sämmtlichen Familiengüter und überdies durch seine verstorbene Mutter mit dem regierenden Hause nahe verwandt unter dem Adel des Landes die erste Rolle spielte.
Der junge Prinz hatte von jeher für einer: Wildfang gegolten, der bisweilen sehr excentrischen Neigungei: huldigte und sehr wenig nach der fürstlichen Etikette fragte, wenn es galt, irgend einer augenblicklicher: Laune zu folgen. Der alte Fürst hatte seinen Sohr: allerdings ziemlich scharf im Zügel gehalten, aber sein Tod machte Egon von Adelsberg verhältnismäßig sehr früh zum unumschränkten Herrn seines Willens.
Er kehrte jetzt eber: vor: einer Orientreise zurück, die ihn fast zwei Jahre lang ferr: gehalten hatte, aber anstatt das fürstliche Palais in der Stadt oder eins seiner anderen Schlösser zu beziehen, die für einen Sommer- und Herbstaufenthalt mit aller nur erdenklicher: Pracht eingerichtet rvaren, hatte er der: Einfall, das alte Waldnest, das kleine, halb vergessene Rodeck aufzusuchen, das gar nicht arrf die Ehre vorbereitet war, der: Herrn aufzunehmen, und auch nur eine nothdürftige Unterkunft bieten konnte. Der alte Stadirrger hatte recht, mar: durfte bei dem Prinzen Egon nie nach dem Warum fragen, .es hing da alles von der augenblicklicher: Laune ab.
Es war irr den Vormittagsstunden eines förmigen Herbsttages. Auf den: Rasenplatze standen zwei Herren im Jagdanzuge und spracher: mit den: Schloßverwalter, während ein leichter, offener Wagen drüben auf den: Kieswege zur Abfahrt bereit stand.
Die beiden jungen Männer hatten aus den ersten Blick eine gewisse Ähnlichkeit miteinander. Es waren hochgewachsene, schlanke Gestalten, mit tiefgebräunter: Gesichtern und Augen, in denen der ganze feurige Uebermuth der Jugend blitzte; aber bei näherer Betrachtung zeigte es sich doch, wie unendlich verschieden die beiden wäre::.
Bei den: Jüngeren, der etwa vierundzwanzig Jahre alt sein mochte, entstammte diese südliche Färbung offenbar nur dem längeren Aufenthalt unter einer heißerer: Sonne, denn das krause blonde Haar und die blauen Augen paßten nicht dazu, sie ver- riether: den Deutschen. Ein leichter blonder Bart, kraus wie das Haar, umgab ein hübsches, offenes Gesicht, das allerdings nicht den strengen Formen der Schönheit entsprach. Die Stirn war etwas zu niedrig, die Linier: nicht regelmäßig genug, aber es lag etwas in diesem Antlitz, das wie Heller Sonnenschein jeden an- muthete und jeden gewann.
Seir: Gefährte, der um einige Jahre älter war, hatte nun freilich nichts von diesen: Sonnenschein, aber seine Erscheinung war entschieden die bedeutendere. Schlank wie der jüngere, überragte er diesen doch an Größe, und die dunkle Hautfarbe hatte bei ihm wohl nicht allein der Sonnenbrand geschaffen. Es war jenes matte Braun, das selbst ein lebensfrisches Gesicht bleich erscheinen läßt, und das bläulich schwarze Haar, das in dichten Wellen auf die hohe Stirn fiel, ließ diese anscheinende Bläffe noch mehr hervortreten. Schön war dies Antlitz wohl mit seinen edlen, stolzen Linien, die sich so fest und energisch ausprägten, aber mit ihnen traten auch die tiefen Schatten hervor, die auf der Stirn und in den Augen lagen, Schatten, wie man sie selter: in so jugendlichen Zügen findet. Die großen dunklen Augen, die etwas Düsteres hatten, sprachen von heißer, ungezügelter Leidenschaft, es loderte ein Feuer darin, das zugleich unheimlich und räthselhaft anziehend war. Man fühlte es, daß sie mit dämonischer Gewalt bestricken konnten, und die ganze Persönlichkeit des Mannes hatte etwas von diesem unheimlich fesselnden Zauber.
„Ja, ich kann Dir nicht helfen, Stadinger," sagte soeben der jüngere der beiden Herren, „die neue Sendung muß ausgepackt und untergebracht werden, wo -— das ist Deine Sache."
„Aber Durchlaucht, wenn es doch absolut nicht möglich ist!" widersprach der Schloßverwalter in einem Tone, der verrieth, daß er auf ziemlich vertrauten: Fuße mit seinem jungen Herrn stand.
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