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Was mußte er sich nicht gefallen lassen! Reaumur wurde zum Berichterstatter bestimmt und er bezeichnte die Entdeckung als „einen seltsamen Jrrthum"! Diese Pflanzenthiere bilden die Haine der Tiefsee; da stehen dicht gedrängt aneinander die Korallenstöcke, auf denen allerlei Krabben munter umherklettern. Sie sind zwar keine Edelkorallen, aber schön und beachtenswert!); sie sind mit dem Vermögen, zu leuchten, ausgestattet, und die einen schimmern in weißem, die andern in blauem oder violettem Lichte. Es leuchten dabei die Thierchen, die aus dem Korallenstocke hervorknospen, und es muß einen eigenartigen, feenhaften Ailblick gewähren, wenn die farbigen Flämmchen an den Stämmchen und den Aesten der Stöcke auf und nieder zucken.
Dicht daneben sehen wir andere Vertreter der Pflanzenthiere; es sind Schwämme und zwar die an der Oberfläche so überaus seltenen Glas- oder Kieselschwämme. Wir haben schon von ihrer Bedeutung gesprochen. Sie gehören zu den „schönen" Gebilden der Tiefsee, denn sie sehen aus, als ob sie aus Glasfäden gewoben wären, und einige von ihnen tragen den Namen „Enplectella" d. h. „Schöngewobene", oder „Venusblumenkörbe". In den fernen Meeren von Japan und China werden sie öfters gefischt und bildeten noch vor wenigen Jahren eine große Seltenheit, heute kann man diese Blumenkörbe der schaumgeborenen Göttin schon für wenige Mark erstehen und sie in einem Glaskasten als Salonschmuck aufstellen. Auf unserm Bilde schauen aus den Höhlungen der Schwämme kleine Krebse hervor; das entspricht der Wahrheit, denn die Schwämme sind Krystallpaläste der Tiefsee, in denen sich junge Krebse gern niederlassen, in denen sie wohnen, oft so lange, bis sie zu groß werden, um durch die Oeffnungen wieder herauszuschlüpfen, und in den Schwämmen auch ihre kunstvollen Grabeskammern finden.
Auch ein Wiesenschmnck fehlt nicht diesen schlammigen Gefilden. Hier wachsen dicht aneinander jene Formen der Stachelhäuter, die unter dem Namen der „Seelilien" bekannt sind; sie haben ein birnenförmiges Aussehen und sind bunt gefärbt, wie die Blumen auf sonnigen Fluren, pnrpurroth, gelb, weiß und auch grasgrün. Daneben ruhen ihre nahen Verwandten, die Seesterne, die ihr Licht leuchten lassen. Den Preis der Schönheit verdient unter ihnen die LrisinZn, die schon Anfang der fünfziger Jahre
Auf dem Grunde des Meeres : Korallen. Schwämme. Seelilien. Seesterne.
Zeichnung von E. Schmidt
von dem norwegischen Dichter Asbjörnsen in dem herrlichen Hardangerfjord gefischt wurde; der wunderbar schön geformte Stern leuchtet so herrlich, daß Asbjörnsen ihn Brisinga nannte, nach dem Brustschmucke der Göttin Freya, den Loki stahl und in der Tiefe des Meeres verbarg. (Die LmmnZu sIsZnrm ist auf unserer nebenstehenden Abbildung rechts unten gezeichnet.)
Werfen wir noch einen Blick auf diese Haine, Wiesen und Krystallpaläste! Die Korallen und die Schwämme zeichnen sich durch eine große Regelmäßigkeit und Rundung der Formenaus, wie sie sonst an der Meeresoberfläche selten Vorkommen. Sie gleichen den Bäumen eines stillen geschützten Thales, während die anderen, wie die Tannen und Föhren auf den Bergeshöhen von Sturmwinden, von der Brandung und den heftigen Strömungen der See gebeugt und gekrümmt werden. Denn die entfesselte Wuth der Elemente tobt nicht in der Tiefsee, der Aufruhr der Wogen, der die Schiffe verschlingt, dringt nicht in diese Abgründe; langsam, fast unmerklich vollzieht sich hier der Kreislauf der ocea- nischen Gewässer von den eiskalten Polen zum sonnenwarmen Aequator. Aber Friede herrscht nimmer in diesen stillen Räumen; Krieg ist auch hier die Losung wie überall auf Erden, wo lebende Wesen ums Dasein ringen!
In fortwährenden Kämpfen muß sich jenes Krebsgeschlecht herangebildet haben, dessen Vertreter uns in dem Intlloä68 t'orox entgegentritt. Leib, Beine, Scheeren sind mit Stacheln besetzt; er ist schier unangreifbar; selbst tvdte Exemplare muß man mit großer Vorsicht anfassen, wenn man sich nicht stechen will. Die Krabben, die gepanzerten Ritter des Meeres, zeichnen sich durch Rauflust aus, und da muß unter ihnen der IntlioäsZ ierox ein furchtbarer Feind sein. Im Kampfe ums Dasein haben die Thiere der Tiefsee ihre Ausrüstung der Umgebung angepaßt. In dem Dunkel, das nur in bestimmten Fällen vom phosphorescierenden Glanze der Bewohner erhellt wird, schwindet die Bedeutung des Auges und der Tastsinn gewinnt an Zuverlässigkeit. Darum verkümmert bei vielen Tiefseethieren das Auge und die Tastwerkzeuge entwickeln sich in überraschender Größe. Die langen Scheeren fallen schon bei vielen Krebsarten auf, der ^aoIi^AÄ8t6r korino8U8 (auf der Abbildung dieser Seite) ist damit ausge
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rüstet; als echtes Tiefseethier erweist sich aber der über dem j
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Auf dem Grunde des Meeres: Fische. Krebse. Spinne.
XXXVIII. Nr. 6 Zeichnung von E Schmidt. 13