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Gelegenheit haben wirst, und viel Aussicht dazu vorhanden, daß das alte Eisen durch den Verbrauch an Piken und Säbeln, auch anderem Kriegsmaterial in diesen eisernen Zeiten bedeutend an- steigen wird, so haben ,Wir^ beschlossen, uns mit sothanem Eisenhandel gar nicht zu bemengen und, weil .Wir' sriedliche Leute sind, bl'os für das Essen und das Zustandekommen eines passenden Heerdes zu sorgen, und werden demnach morgen einen Wagen mit Begleitschreiben nach Demmin und eine Epistel an den Töpfer Erdmann in Neubrandenburg abgehen lassen und das sublime Vergnügen eines Handels mit altem Eisen für Deine Person aufsparen.
Das war die Geschichte vom Eisenhandel. — Nun kommt der Gerstenhandel. Darauf ist nur zu bemerken, daß heute eine Fuhr nebst einer Katze nach Brandenburg an Mohnke abgegangen ist; — ich meine aber eine Geldkatze. -- Nun über unfern Gesundheitszustand : Sollte Dir beifallen zu glauben, daß wir Pflaumen äßen 5 so würdest Du Dich sehr irren, denn wir alle haben heute einige gegessen, mit Ausnahme der Kinder daß dies Unsinn ist, weiß ich recht gut, schreibe es aber doch. Ich habe mir aber die möglichste Mühe gegeben, in den kleinen Würmern durch das Loben der Pflaumen, durch öfteres Vorzeigen und durch Essen in ihrer Gegenwart eine unwiderstehliche Neigung für diese verbotene Frucht hervorznrufen und bin nun fest überzeugt, daß ich das Mögliche gethan habe, sie in der Enthaltsamkeit zu üben. — Ihre Zunge, die sie mir alle halbe Stunde ein halbe Elle weit hinaus halten müssen, sieht noch sehr gut aus; und hoffe ich durch diese Glossarübungen den Kindern nebenbei eine größere Geläufigkeit im Sprechen beizubringen. P? amüsirt sich sehr gut mit seinen Aussichten auf neue Hosen; ich fürchte aber, er geht nicht sehr räthlich und reinlich mit den schon vorhandenen Exemplaren um, weil ich ihn wieder mit jenen unnennbaren Unnennbaren umherlaufen sehe, die aussehen, als wäre ihr Vater mit ihnen auf der Kegelbahn zu schaden gekommen. Doch wer kann das wissen; dies mag ja wohl ein Charakterzug der Petersschen Familie sein. — Unsere Hanne hat es wieder; sie hat es wirklich wieder mit allen nicht näher zu beschreibenden Umständen; ich habe sie eigenhändig besichtigt und Großmama hat sie mit Eisentropfen traktirt und kredenzt ihr die nnx voniieu. — Auch unser kom- Plaisanter Herr Bietz^ hat sich gestern infolge — nicht der Cholera — sondern einer starken Cigarre heftig unwohl gefühlt, wobei er sich selbst tausendmal um Verzeihung gebeten hat, daß er seinen Gefühlen unumwunden freien Lauf ließe. — Großmama ist gesund, und was mich betrifft, so ist es am besten, davon zu schweigen,
weil ich Dir sonst, Du Spitzbube, Gelegenheit geben könnte, den alten abgedroschenen Witz von dem nicht vergehenden Unkraut zu machen. — Schröder i ist gestern auf die Jagd gegangen und hat eine ganze Menge wilder Enten auf 200 Schritt — gesehen. Der Ebert^ habe ich mit blutendem Herzen gestern morgen einen Verweis geben müssen; sie bot mir nämlich, gleich nachdem Ihr fortgefahren wart, die dritte Tasse Kaffee an, worauf ich sie auf ihre Pflicht verwies und fragte: ob sie glaube, daß es so nun losgehe. Morgen nachmittag werde ich aber wohl eine kleine Verschwendung in Kaffee machen müssen, weil ich den alten Leisten ^ zum Kaffee einzuladen gedenke, damit er mir einmal gründlich seine Proeeß- geschichte erzähle, die leider immer im besten Zuge durch irgend etwas unterbrochen worden ist; ich denke, er bleibt dann auch wohl zum Abendbrot und wird sich gut amüsiren.
Heute ist eine Madame L. hier gewesen, um Dir ihren Herrn Sohn zu präsentiren, der bei O. in Leuschentin gewesen ist und nach dem Wunsche seiner Mutter hier seine landwirthschaftlichen Studien vervollständigen soll; der Herr Sohn ist ein langgewachsenes Menschenkind mit einem Flachskopf und sein Betragen erinnert stark an abgestandene Milchsuppe, auf der eine lederne Haut sich gebildet. Ich habe natürlich der Mutter gesagt, Du würdest Dich unendlich freuen u. s. w.
Weiter weiß ich nichts und — sei nicht unbescheiden — für einen Tag und eine Nacht ist dies genug. Sollte sich bis morgen mehr ereignen, so erfährst Du mehr, vorzüglich wenn es der Reaktion gelingen sollte, hier einzubrechen und mich todt zu schlagen. Bis dahin
Dein F. Reuter,
augenblicklich im Begriff nach Tetzleben zu gehen.
Fortsetzung am 16. Oktober.
Es ist alles beim Alten. Gestern hat Deine und meine Großmama ^ lauter Kartoffelmehl gemacht und hat sich gar nicht sehen lassen. Ich habe Schröder veranlaßt, sein Pfund nicht zu vergraben, d. h. sein musikalisches; derselbe ist ein großer Virtuose auf der Handharmonika. Wie muß der Mensch erst auf der Drehorgel sein. Jeden Ton begleitet er mit einem besonderen Gesicht, jeden Takt mit einer besonderen Bewegung, so daß er aussah wie eine illustrirte Zeitung für Musikliebhaber. — Es hat hier zwei Nächte scharf gereift und gefroren. Heute hoffen wir das Flachs hineinzubringen.
Mit Liebe
Dein F. Reuter."
Are Erforschung der Meere
3. Aie WewoHnsu dev Gieffee.
ie Tiefsee ist eine in neuerer Zeit ersonnene Bezeichnung; ihre Grenzen lassen sich in Wirklichkeit nicht mit Bestimmtheit angeben; je nach der Vertheilung der Thiere, welche die Forscher als echte Tiefseebewohner ansehen, beginnt sie bald höher, bald tiefer unter der Meeresoberfläche. Im allgemeinen rechnet man Tiefen bis zu 200 ni der Flachsee zu; dann aber kommt eine Uebergangsregion, bis in etwa 600 in Tiefe das eigentliche Reich der Tiefe, die „Abyssalzone" beginnt.
Im Jahre 1818 brachte John Roß, der berühmte Nordpolfahrer, aus den Abgründen des Eismeeres den ersten Beweis für das Leben in der Tiefsee bei; aus einer Tiefe von fast 1000 Faden holte er einen Seestern herauf! Es war ein Zufallsfund, den man verschieden deutete. Zwanzig Jahre später wurde von Edward Forbes die Erforschung der unterseeischen Thierwelt systematisch betrieben, aber die Mittel, mit denen man arbeitete, waren noch unzulänglich und man gelangte zu der Ueberzeugung, daß das Meer unter 300 Faden nicht bewohnt sei. In den vierziger Jahren kam aus dem Norden durch die Arbeiten Lovens in Stockholm und Sars' in - Christiania wiederum bestimmtere Kunde von dem Vorhandensein des Lebens in bedeutenden Meerestiefen. 1851 bohrte die Brookesche Tiefensonde zum ersten Male in den Boden des Atlantischen Oceans ein und förderte in dem weißen Tiefseeschlamme
* Wegen der herrschenden Cholera war das Obstessen vom Arzt untersagt. ^ Ter damals drei Jahre alte Sohn, ^ Msrthschafter in Thalberg.
und den in ihm erhaltenen Globigerinen einen neuen Beweis für die vielumstrittene Ansicht zu Tage. Rasch mehrten sich jetzt die glücklichen Fänge, bis ein einziger Zug mit dem Schleppnetze im Jahre 1869 in dem Golf von Biscaya aus der Tiefe von 2135 Faden zahlreiche Vertreter „aller fünf wirbellosen Königreiche" heraufbrachte und es von nun an keinem Zweifel mehr unterlag, daß in der Tiefsee sogar ein reiches Leben vorhanden sei.
Man hat versucht, mit den einzelnen Fängen Gesammtbilder des Lebens in den Tiefen zusammenzustellen, und auch unsre Abbildungen stellen solche Versuche dar. Das erste Bild (S. 92) führt uns auf den Grund der Tiefsee, 1200 bis 1500 in unter den Meeresspiegel. Pflanzen fehlen hier, wie wir bereits wissen, vergebens würden wir hier nach unterseeischen Algenwäldern forschen; aber etwas, was uns an Haine und Wiesen erinnert, hat die Natur doch geschaffen. Hier haben sich jene Wesen niedergelassen, von denen man lange nicht wußte, ob man sie den Pflanzen oder den Thieren zuzählen soll, und die noch heute den Namen Pflanzen- thiere führen. Da sind zunächst die-Korallen, welche von den älteren Naturforschern als „Pflanzen ohne Blumen, von harter, fast steiniger Natur" beschrieben wurden. Erst im Jahre 1723 entdeckte Peyssonel die thierische Natur derselben und reichte seine Abhandlung darüber im Jahre 1727 der Pariser Akademie ein.
i Ebenfalls Wirthschafter in Thalberg. ^ Küchenlehrling. ^ Einen alten Bekannten, der in einen langwierigen Prozeß verwickelt war. ^ Scherzhaft für Peters' Schwiegermutter,