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Ordnung durch geduldige Verhandlung und unblutige Kriegslist wieder her. Dem Kriegshandwerke war er herzlich gram „wegen der Verderbung und Unterdrückung der armen unschuldigen Leute, des unordentlichen und sträflichen Lebens des Kriegsvolks und der Undankbarkeit der Fürsten, bei denen die Ungetreuen hoch kommen und reich werden, und die Wohlverdienten unbelobt bleiben" — hatte er doch nach der Schlacht von Pavia ein „Klageliedlein über der Fürsten Undank" verfaßt, das er sich oft vor Tisch von vier Stimmen mit Instrumentalbegleitung Vorsingen ließ und das noch erhalten ist.
In solcher Stimmung, mit solchen Erfahrungen war der Dreiundfünfzigjährige nicht angenehm überrascht, als im Herbste 1526 Briefe von Karl von Bourbon, dem Erzherzog Ferdinand und Georgs Sohn Kaspar, der in Mailand mit Bourbon belagert wurde, auf Schloß Mindelheim eintrafen und ihn zu schleunigem Zuzug wider die Liga aufforderten, da er der Kaiserlichen einzige Hoffnung sei. Vor der in des Kaisers Namen an ihn ergangenen Aufforderung hatte der Entschluß Frundsbergs, dem Herrendienst ferne zu bleiben, keinen Bestand. Was aber ihn und andere besonders anfeuerte, diesmal dem Kaiser ihren Dienst noch weniger als sonst zu versagen, war der Umstand, daß es auch gegen den Papst ging. Frundsberg hoffte, durch dessen Niederwerfung den durch ein Bündniß altgläubiger.Fürsten bedrohten Evangelischen in Deutschland Luft zu machen. War er auch noch nicht förmlich zur neuen Lehre übergetreten, hatte er, altem Brauche getreu, trotz des Spottes der Spanier und Italiener, auch noch bei Pavia über dem Harnisch eine Franziskanerkutte getragen — Luther selbst legte erst im Herbste 1524 die Augustinertracht ab — er, der Freund des Reformators, war
! der kirchlichen Neuerung doch von Herzen zugethan. Für solchen ! Zweck brachte er große Opfer; da Oesterreichs Kaffen leer waren, > lieh er bei reichen Augsburger Kaufherren Geld auf verschiedene ! seiner Besitzungen, verpfändete sein Silbergeschirr, seiner Frau Kleinodien, verkaufte seinen Antheil am Bergrecht zu Gosseusah und benutzte seinen Kredit bei Freunden.
Fünfunddreißig Fähnlein Landsknechte, über zwölftausend „reiselustige Gesellen", brachte er in Schwaben und Tirol mit den so erhaltenen Geldmitteln zusammen, darunter manchen, der in den späteren Religionskriegen auf evangelischer Seite sich hervor- gethan hat; so Sebastian Schärtlin von Burtenbach und Kurt v. Bemmelberg. Letzterer, der unter seinen Waffengefährten den Namen „der kleine Heß" führte, war namentlich durch Witz und schnelle Zunge bekannt. Als bei einem Gelage einmal ein hoch- geborener Herr äußerte, die Fürsten haben unter allen Umständen im Himmel ihre Stühle und Sessel bereitstehen, und, zu dem Obersten gewandt, „nicht wahr, Kurt?" beifügte, erwiderte dieser alsbald: „Ja, gnädiger Herr, ich habe es auch gehört, daß die Sessel da sein sollen, aber der mehrere Theil gar bestäubt, daß der Staub höher denn fpannendick darauf liegt."
Die ganze adlige Sippschaft Frundsbergs schloß sich dem Heere an, sein Sohn Melchior, der in Wittenberg den Studien oblag, eilte thatenlustig herbei, und unter den Hauptleuten finden sich gar manche bekannte Ritternamen aus ganz Süddeutschland,
^ das Elsaß mit eingeschlossen. Aber auch viele Namen bürger- ^ licher Hauptleute und Fähndriche, welche weitbekannte Kriegsleute ! waren, weist die Musterrolle auf, manche darunter nicht ohne ^ humoristischen Klang, wie z. B. den des Hauptmanns Stephan ! Weinundbrot. Und so ging's nun dem Süden zu.
(Fortsetzung.)
delheid von Wallmoden richtete sich empor, ihr Antlitz zeigte noch immer Todtenblässe, als sie in leisem, aber nerven- durchzitterndem Tone zu Rojanow weiter sprach:
„Lassen Sie ab von der Verfolgung, die ich nun schon seit Wochen fühle. Mir graut vor Ihnen, vor Ihren Augen, Ihren Worten, ich fühle, daß es Verderben ist, was von Ihnen ausgeht, und das Verderben liebt man nicht!"
„Ada!" Es lag ein leidenschaftliches Flehen in dem Worte, aber die bebende Stimme Adelheids gewann zusehends an Festigkeit, als sie fortfuhr:
„Und Sie lieben mich auch uicht. Es ist mir oft gewesen, als sei es Ihr Haß, der mich verfolge. Sie und Ihresgleichen können überhaupt nicht lieben."
Rojanow schwieg betroffen. Wer lehrte diese junge, mit dem Leben noch so unbekannte Frau so tief in sein Inneres blicken? Er hatte es sich selbst noch nicht klar gemacht, wie untrennbar sich Haß und Liebe in dieser Leidenschaft einten."
„Und das sagen Sie dem Dichter der ,Arivana'?" stieß er mit Bitterkeit hervor. „Man hat mein Werk das Hohelied der Liebe genannt — -—"
„Dann hat man sich täuschen lassen durch den Schleier der orientalischen Sage, in den Sie Ihre Gestalten hüllten, man hat nur den indischen Priester gesehen, der mit seiner Geliebten einen: eisernen, unmenschlichen Gesetze erliegt. Sie sind vielleicht ein
großer Dichter, und vielleicht überschüttet Sie die Welt mit Ruhm, aber mir sagt sie etwas anderes, die Gluth- und Flammensprache Ihrer ,Arivana', mich hat sie ihren Schöpfer kennen gelehrt: einen Mann, der an nichts mehr glaubt und dem nichts mehr heilig ist in der Welt, keine Pflicht und kein Gelübde, keine Mannesehre und keine Frauentugend, der sich nicht bedenken würde, das Höchste in den Staub zu reißen, zum Spiel seiner Leidenschaft. Ich glaube noch an Pflicht und Ehre, glaube noch an mich selbst, und mit diesem Glauben biete ich dem Verhüngniß Trotz, das Sie mir so siegesgewiß entgegenhalten. Es kann mich in den Tod treiben — in Ihre Arme nicht!"
Sie stand ihm gegenüber, nicht wie vorhin in bebender Angst, in dem qualvollen Ringen eines geheimen Kampfes, es war, als ob mit jedem dieser vernichtenden Worte sich ein Ring der Kette löste, die sie so geheimnißvoll umspann. Ihr Auge begegnete voll
Nachdruck verboten.
Alle Rechte Vorbehalten.
G. Mevrrev.
und frei den: dunklen Blick, der sie so lange in Bann gehaltert hatte — jetzt war der Bann gebrochen, sie fühlte es und athmete tief auf wie eine Erlöste.
Wieder blitzte es in der Ferne auf, lautlos, ohne Donnergrollen, aber es war, als thue sich der Himmel auf in all seinen Tiefen. In dem zuckenden Lichte sah man Phantastische Wolkengebilde, Gestalten, die miteinander zu ringen und zu kämpfeu schienen, wie vom Sturme getragen, und doch stand jene Gewitterwand unbeweglich am Horizont, und ebenso unbeweglich stand der Mann, dessen dunkles Antlitz jetzt eine fahle Blässe zeigte im Scheine des Wetterleuchtens. Seine Augen waren unverwandt auf die junge Frau gerichtet, aber die wilde Gluth darin war erloschen, und seine Stimme hatte einen fremden Klang, als er sagte:
„Das also ist das Urtheil, das ich mir erbat! Ich bin in Ihren Augen nichts anderes als ein — Verworfener?"
„Ein Verlorener vielleicht! — Sie haben mich zu dem Ge- ständniß gezwungen."
Hartmut trat langsam einige Schritte zurück.
„Verloren!" wiederholte er herb. „In Ihrem Sinne wahrscheinlich. Sie können ruhig sein, gnädige Frau, ich werde Ihnen nicht wieder nahen, man verlangt nicht zum zweiten Male solche Worte zu hören. Sie stehen so hoch und stolz auf Ihrer Tugendwarte und richten so streng. Sie haben freilich keine Ahnung davon, was ein heißes, wildes Leben aus einem Menscher: machen kann, der unstet, ohne Heimath und Familie durch die Welt zieht. Sie haben recht, ich glaube au nichts mehr dort oben in der Höhe und glaubte an nichts auf Erden — bis zu dieser Stunde."
Es lag etwas in seinem Tone und seiner ganzen Haltung, was Adelheid entwaffnete. Sie fühlte, daß sie keinen Ansbruch seiner Leidenschaft mehr zu fürchten hatte, und ihre Stimme milderte sich unwillkürlich bei der Antwort:
„Ich richte niemand, aber ich gehöre mit meinen: ganzen Sein und Wesen einer andern Welt an, die andere Gesetze hat als die Ihrige. Ich bin die Tochter eines über alles geliebten Vaters, der sein ganzes Leben lang nur einen Weg gekannt hat, den der ernsten, strengen Pflicht. Auf diesem Wege hat er sich emporgerungen aus Armuth und Entbehrung zu Reichthum und Ehre, diesen Weg hat er seine Kinder geführt, und sein Andenken ist der Schild, der mich deckt in jeder schweren Stunde. Ich
Alainmenzeichen.
Roman von