Heft 
(1890) 16
Seite
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ist ja null glücklich alles wieder in Ordnung gebracht und zu thun giebt es auch nicht viel im November. Also schicke uns wenigstens den Willy, wenn Du nicht abkommen kannst. Ein Nein wird lucht angenommen, Toni erwartet ihren Bräutigam Punktum!"

Frau von Eschenhagen sah ein, daß er recht hatte, und war auch geneigt, ihren Willy zu schicken, denn sie bestimmte natürlich allein über seine Reise. Er hatte keinen Versuch mehr gemacht, sich gegen die mütterliche Herrschaft aufzulehnen, und schien überhaupt vollständig wieder zu Vernunft gekommen zu sein. Er war wohl stiller als sonst und stürzte sich nach der Rückkehr mit ganz ungewohntem Eifer in seine landwirtschaftliche Thätigkeit, benahm sich aber sonst musterhaft. Nur in einem Punkte blieb er hartnäckig: er wollte seiner Mutter durchaus nicht Rede stehen über jeneDummheit", welche damals die plötzliche Abreise veranlaßt hatte, und vermied jede Erörterung darüber. Er schämte sich offenbar jener flüchtig auflodernden Regung, die wohl überhaupt nie bedenklich gewesen war, und wollte nicht daran er­innert sein. Uebrigens schrieb er regelmäßig an seine Braut und erhielt ebenso pünktlich Antwort. Der Briefwechsel war allerdings mehr praktischer als zärtlicher Natur und drehte sich hauptsächlich um Wohnungs- und Wirthschaftseinrichtungen, aber man ersah doch daraus, daß der junge Majoratsherr seine Heirath, für welche der Zeitpunkt bereits festgesetzt war, als selbstverständlich betrachtete, und Frau Regine, die es als ihr unbestreitbares Recht ansah, die Briefe des Brautpaares zu lesen, erklärte sich zufrieden mit denselben.

Willibald erhielt also die allerhöchste Erlanbniß, seine Braut besuchen zu dürfen, was um so weniger bedenklich war, als die gefährliche kleine Person, diese Marietta Volkmar, jetzt in der Stadt weilte, wo ihre Stellung sie festhielt. Um aber ganz sicher zu gehen, stellte Frau von Eschenhagen ihren Sohn unter den Schutz ihres Bruders, der auf der Rückreise von den Stahlberg- schen Werken mit seiner Frau einen kurzen Besuch in Burgsdorf abgestattet hatte. Wenn Willibald während der zwei oder drei Tage seines Aufenthaltes in der Stadt im Wallmodenschen Hause wohnte und ausschließlich dort verkehrte, war nichts zu besorgen.

Der Gesandte sah nun freilich sofort nach der Ankunft ein, daß er genöthigt sein werde, seinen Neffen aufzuklären, denn der Name Hartmut Rojanow wurde schon am ersten Tage von ver­schiedenen Seiten genannt. Willy, der seinerzeit der Vertraute der geheimen Zusammenkünfte Hartmuts mit seiner Mutter gewesen war und deren Namen und Abstammung kannte, horchte auf dabei, und die Bemerkung, daß es sich um einen jungen Rumänen handele, machte ihn vollends stutzig. Er sah in äußerster Betroffen­heit seinen Onkel an, der ihm noch rechtzeitig einen Wink gab, nicht weiter zu fragen, und dann das erste Alleinsein benutzte, um ihm die Wahrheit zu enthüllen.

Er that das selbstverständlich in der rücksichtslosesten Weise und stellte Hartmut als einen Abenteurer der schlimmsten Art dar, den er schon in der nächsten Zeit zwingen werde, die Rolle aufzugeben, die er hier so unberechtigterweise spiele.

Dem armen Willibald wirbelte der Kopf bei diesen Nach­richten. Sein Jugendfreund, an dem er stets mit herzlicher Zu­neigung gehangen hatte und noch immer hing trotz des Ver- dammungsurtheils, das man daheim über ihn fällte, war hier, in seiner unmittelbaren Nähe, und er durfte ihn nicht Wiedersehen, nicht einmal kennen, wenn der Zufall eine Begegnung herbeiführte! Das letztere schärfte Wallmoden seinem Neffen besonders ein, und dieser, ganz betäubt, versprach auch Gehorsam und Schweigen sowohl Adelheid als seiner Braut und dem Oberforstmeister gegen­über, aber begreifen konnte er die Sache noch lange nicht. Er brauchte Zeit dazu, wie überhaupt zu allen Dingen.

Der Tag, an welchemArivana" auf der Bühne erscheinen sollte, war herangekommen. Es war das erste Werk eines jungen, als Dichter noch ganz unbekannten Verfassers, aber die Umstände machten es zu einem künstlerischen Ereigniß, dem man mit all­seitiger Spannung entgegensah. Das Hoftheater war beim Beginn der Vorstellung bis auf den letzten Platz gefüllt, und jetzt erschien auch das fürstliche Paar mit seinen Gästen und-nahm in der großen Hofloge Platz. Die Aufführung hatte, obgleich das nicht förmlich angekündigt war, doch den Charakter einer Festvorstellung, und das in all seinen Räumen blendend erhellte Haus und der reiche Schmuck der Damen trugen dem Rechnung.

Fürst Adelsberg, der gleichfalls in der Hofloge erschien, war so aufgeregt, als habe er selbst das Drama geschrieben. Uebrigens

befand er sich heute in einer ebenso seltenen als erfreulichen Uebereinstimmung mit seiner allergnädigsten Tante, die ihn zu sich gerufen hatte und gerade- jetzt mit ihm über die Dichtung sprach, die sie mit ihrer höchsten Aufmerksamkeit beehrte.

Unser junger Dichter scheint Launen zu haben wie alle Poeten," bemerkte sie.Welch ein Einfall, noch in letzter Stunde den Namen der Heldin zu ändern!"

In letzter Stunde geschah das gerade nicht," entgegnete Egon, die Aenderung wurde schon in Rodeck vorgenommen. Hartmut hatte es sich auf einmal in den Kopf gesetzt, der Name Mdcü sei zu kühl und rein für die Gluthgestalt seiner Heldin, und sie wurde ohne weiteres umgetauft!"

Aber der Name Ada steht doch hier auf dem Theaterzettel," warf die Prinzessin ein.

Gewiß, aber er ist auf eine ganz andere Person des Dramas übergegangen, die überhaupt nur in einer einzigen Scene auftritt."

Dann hat Rojanow also Aenderungen vorgenommen seit jener Vorlesung in Fürstenstein?"

Nur wenige, das Stück selbst ist ganz unverändert geblieben bis auf den Namenstausch und jenes kurze Auftreten Adas, aber ich versichere Sie, Hoheit, diese Scene, die Hartmut da hinzu­gedichtet hat, ist das Schönste, was er je geschrieben hat."

Ja, Sie finden natürlich alles schön, was aus der Feder Ihres Freundes stammt," sagte die Prinzessin, aber das gnädige Lächeln, mit dem sie den jungen Fürsten entließ, zeigte, daß sie so ziemlich derselben Meinung war.

In einer der Prosceniumslogen des ersten Ranges erblickte man auch den preußischen Gesandten mit seiner Gemahlin, der erst vorgestern von seinem Urlaub zurückgekehrt war. Sein heu­tiges Erscheinen im Theater war allerdings kein freiwilliges, sonst wäre er dieser Aufführung wohl fern geblieben, sondern eine Rücksicht, die er seiner Stellung schuldete. Der Herzog hatte über einen Theil der Logen verfügt und auch die fremden Diplomaten mit ihren Damen eingeladen; da gab es keine Möglichkeit, zurück­zubleiben, um so weniger, als Herr und Frau von Wallmoden noch vor wenigen Stunden au der Festtafel im Schlosse theilge- nommen hatten.

Im Parkett saß Willibald, der aus der Anwesenheit seines Onkels auch für sich das Recht herleitete, wenigstens das Werk seines Jugendfreundes kennen zu lernen. Wallmoden war zwar nicht einverstanden damit, konnte ihm aber doch füglich nicht ver­bieten, was er selbst that. Willy, der sich mit vieler Mühe noch einen Platz verschafft hatte, dachte natürlich nicht daran, daß in einem Drama auch ein Mitglied der Oper beschäftigt sein könnte; erst jetzt, als er den Theaterzettel entfaltete und urplötzlich auf den NamenMarietta Volkmar" stieß, wurde ihm klar, wen er heute abend Wiedersehen werde. Mit einer hastigen Bewegung faltete er den Zettel zusammen und barg ihn in seiner Tasche; er bereute es in diesem Augenblicke doch, in das Theater gegangen zu sein.

Jetzt begann die Vorstellung, der Vorhang hob sich und die Eingangsscenen gingen rasch vorüber. Es war eine Art Vorspiel, welches die Zuschauer erst mit der seltsam phantastischen Welt ver­traut machen sollte, in die sie eingeführt wurden. Arivana, die uralte, geheiligte Opferstätte, zeigte sich in einer Pracht- und stimmungsvollen Ausstattung; die Hauptgestalt des Werkes, der junge Priester, der im Fanatismus seines Glaubens alles Irdische und Unheilige weit von sich weist, erschien, und in mächtigen, schwungvollen Versen erklang das Gelübde, das ihn für Zeit und Ewigkeit diesem Irdischen entrückte und mit Leib und Seele der Gottheit verband. Der Schwur war geleistet, die heilige Flamme loderte hoch empor und der Vorhang sank.

Von allen Seiten ertönte Beifall, zu dem der Herzog das erste Zeichen gab. Es stand ja allerdings fest, daß ein Werk, das so von allen Seiten gestützt und getragen wurde, einen ge­wissen Erfolg haben mußte, wenigstens an dem heutigen Abend. Aber es mischte sich doch noch etwas anderes in diesen Beifall. Die Zuschauer fühlten es bereits, daß ein Dichter zu ihnen sprach; seine Schöpfung hatte vielleicht der Hofgunst bedurft, um vor die Oeffentlichkeit treten zu können, jetzt, wo sie dastand, trug sie sich allein. Man war gefesselt von dieser Sprache, diesen Gestalten, von dem Inhalt des Dramas, der sich bereits in den Haupt­zügen verrieth, und als der Vorhang sich von neuem hob, lag