Heft 
(1890) 16
Seite
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gespanntes, erwartungsvolles Schweigen über dem ganzen Zu­schauerraume.

Und nun entrollte sich das Drama, auf einem Hintergründe, der ebenso glühend und farbenreich war wie seine Sprache und seine Gestalten. Die mächtige Natur Indiens, die märchenhafte Pracht seiner Tempel und Paläste, die Menschen mit ihrem wilden Hassen und Lieben und den starren, eisernen Gesetzen ihres Glaubens, das alles war phantastisch, fremdartig; aber wie diese Menschen fühlten und handelten, das war jedem vertraut. Standen sie doch im Banne einer Macht, die schon vor Jahrhunderten dieselbe war wie heute, die unter dem heißen Tropenhimmel die gleichen Wurzeln schlägt wie in der kalten nordischen Zone- der Leidenschaft im Menschenherzen.

Es war in der That eineGluth- und Flammenlehre", und sie predigte ohne Rückhalt das Recht der Leidenschaft, gegen alle Schranken anzustürmen, hinweg über Gesetz und Sitte, über Gelübde und Schwur bis zu ihrem Ziele; ein Recht, wie es Hartmut Rojanow verstand und übte, mit seinem ungezügelten Wollen, das kein Gesetz und keine Pflicht anerkannte, dem das eigene Ich allein das Höchste war.

Das Erwachen dieser Leidenschaft, ihr übermächtiges Wachsen, ihr endlicher Triumph; das alles wurde in hinreißender Sprache, in Worten und Bildern geschildert, die bald aus der reinen Höhe des Ideals und bald aus der Tiefe des Abgrundes zu stammen schienen. Der Dichter hatte seine Gestalten nicht umsonst in den Schleier der orientalischen Sage gehüllt; unter diesem Schleier durfte er sagen und vertreten, was man ihm sonst schwerlich ver­ziehen hätte, und er that es mit einer Kühnheit, die zündende Funken in die Seelen der Zuhörer warf und sie dämonisch fesselte. Schon nach dem zweiten Akte war der ErfolgArivanas" entschieden.

Allerdings wurde das Werk von einer Darstellung getragen, die zu dem Besten gehörte, was die Bühne je geleistet hatte. Vor allem spielten die Vertreter der beiden Hauptrollen mit einem Feuer und einer Vollendung, wie sie nur wirkliche Begeisterung geben konnte. Die Heldin hieß freilich nicht mehr Ada, den Namen trug jetzt eine andere Gestalt, die seltsam fremd in diesem erregten Bilde der Leidenschaften stand, eines jener halb märchen­haften Wesen, mit denen die indischen Sagen dieSchneewohnung", die eisigen Höhen des Himalaya bevölkern, kühl und rein wie der ewige Schnee, der dort oben leuchtet.

Nur in einem einzigen Austritt, in der Entscheidungsscene, schwebte sie wie mit Geisterfittigen durch die stürmisch bewegte Hand­lung, mahnend, warnend, und Egon hatte recht, die Worte, die der Dichter ihr auf die Lippen legte, waren wohl die schönsten der ganzen Dichtung. Mitten in die lodernde Gluth eines Kraters brach es plötzlich wie reines Himmelslicht, aber so schön die Scene war, so kurz war sie auch. Flüchtig wie ein Hauch ent­wich die Gestalt wieder zu den Schneewohnungen ihrer Heimath, und dort unten, an dem mondbeglänzten Ufer des Flusses, er klang das Lied des Hindumädchens Mariettas Weiche quellende Stimme und unter diesen lockenden, schmeichelnden Tönen ver- wehte jener Warnungsruf aus der Höhe.

Der letzte Akt brachte den tragischen Schluß: das Herein­brechen des Verhängnisses über das schuldige Paar, deu Tod in den Flammen. Aber dieser Tod war keine Sühne, sondern ein Triumph, einleuchtendes, göttliches Sterben", und mit den Flammen loderte auch jene dämonische Lehre von dem unbedingten Recht der Leidenschaft zum Himmel empor.

Zum letzten Male sank der Vorhang, und der Beifall, der sich von Akt zu Akt gesteigert hatte, wuchs jetzt zu einem förm­lichen Sturme an. Sonst pflegten bei solchen Festvorstellungen Beifall und Begeisterung in gemessenen Grenzen zu bleiben. Heute slutheten sie über alle Schranken hinaus. Die Flammen Arivanas hatten gezündet, das sah und fühlte man an dem Jubel, mit dem das ganze Haus einstimmig das Erscheinen des Dichters verlangte.

Endlich trat Hartmut vor. Ohne Scheu und Befangenheit, strahlend vor Stolz und Freude neigte er sich dankend vor dem Publikum, das ihm heute einen Trank kredenzte, den er in seinem wildbewegten Leben doch noch nicht gekostet hatte. Sie waren berauschend, diese ersten Züge aus dem Becher des Ruhmes, und mit diesem berauschenden Siegesbewußtsein blickte der Gefeierte jetzt zu der Prosceniumsloge empor, deren Insassen er längst er­kannt hatte. Er fand freilich nicht, was er suchte; Adelheid hatte sich zurückgelehnt und ihr Antlitz verschwand hinter dem ausge­breiteten Fächer, er sah nur das kalte, unbewegte Gesicht des Mannes, der ihn so tief beleidigt hatte, und der nun Zeuge seines Triumphes war. Wallmoden verstand es nur zu gut, was das Aufblitzen dieser dunklen Augen ihm sagte:

Jetzt wage es noch, mich zu verachten!"

(Fortsetzung folgt.)

HZkcitter und HwüLHen.

Weiljamrn Arankkin.Er entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen das Zepter." (Lrixuit eoelo kulmen seextrumgao tz'ranniL.) Mit diesen Worten wurde einst Benjamin Franklin von den französischen Akademikern geehrt, und in dem knappen Raume eines Hexameters kann die hohe Bedeutung des großen Amerikaners treffender nicht wieder­gegeben werden; denn Benjamin Franklin war gleich hervorragend als Gelehrter wie als Staatsmann. Wenn mit den: Ausdrucker entriß dem Himmel den Blitz" auf Prometheus, der den Göttern das Feuer entwand, angespielt wird, so liegt keine Uebertreibung darin,' denn Franklin war bei allen seinen Forschungen von dem Bestreben geleitet, die erweiterte Kenntniß der Naturkräfte praktisch zu verwerthen, und er ist ja der Erfinder des Blitzableiters.

In seinem Jahrhundert war er der Vorkämpfer einer neuen Zeit, einer Kulturepoche, in der wir groß geworden sind und die zu der erfolg­reichsten der Menschengeschichte zählt. Es ist das Zeitalter des Dampfes, des Eisens und der Elektricität, in welchem die Naturkräfte dem Menschen unterthan wurden und die Industrie sowie der Verkehr einen fast märchen­haften Aufschwung genommen haben, das große Zeitalter der freien Ent­faltung der menschlichen Gesellschaft, in welchem durch den ungehinderten Wettbewerb die Kraft des einzelnen gestählt wurde, in welchem die Er­findungen aufblühten und in welchem die Menschenliebe in freiem Staate sich so herrlich entfaltete.

Am 17. April sind hundert Jahre verflossen, seit Benjamin Franklin seine Augen geschloffen hat, und wenn wir heute sein Leben betrachten und die errungenen Fortschritte der Menschheit im raschen Fluge durch­mustern, so wird es uns klar, daß Franklin eine der Muster- und Helden­gestalten unseres zur Neige gehenden Zeitalters war. Sein Name ist jedem Schulkinde bekannt, denn von Geschlecht zu Geschlecht wurde er uns als Vorbild vorgeführt, dem wir nachstreben müßten, wenn wir durch Fleiß und Sparsamkeit vorwärts kommen, durch aufopfernde Thätigkeit für andere glücklich werden wollten. Die Jugend lernt frühzeitig seinen Lebenslauf kennen, und mit Recht! Denn muß sie nicht mit frischem Lebensmuth erfüllt werden, wenn sie erfährt, zu welchen Ehren das am 17. Januar 1706 geborene sechzehnte Kind eines Seifensieders zu Boston gelangen konnte? Das Leben streute dem Kinde keine Rosen auf den Weg; aber Lust zur Arbeit, Ausdauer und Fleiß räumten alle Wider­stände hinweg. Wegen Mangels an Mitteln mußte Benjamin schon im 10. Lebensjahre die Lateinschule verlassen und wurde zunächst in der

Seifensiederei seines Vaters, dann aber von seinem l2. Lebensjahre an in der Buchdruckerei seines Stiefbruders beschäftigt. Hier erschien eine Zeitung, und das journalistische Treiben riß Franklin zur geistigen Tätig­keit fort. Sein Beruf wurde zunächst der eines Druckers und eines Zeitungsherausgebers. Um eine eigene Druckerei zu gründen, unternahm er schon mit 18 Jahren eine Reise nach London. In seine Heimath zurückgekehrt, fand er in Pennsylvanien den günstigsten Boden für sein Wirken. Rasch gelangte er zu Amt und Würden und wußte sich als Oberpostmeister verdient zu machen. In Pennsylvanien entfaltete er auch sein gemeinnütziges Wirken. Ihn: verdankt Philadelphia die erste öffent­liche Bibliothek, die erste Feuerlöschanstalt und die Universität.

Um jene Zeit beschäftigte er sich auch mit den: Studium der Ge­witter; er stellte zuerst die Ansicht auf, daß jene Furcht und Schrecken erregende Naturerscheinung ein elektrischer Vorgang sei, und gab der Menschheit in dem Blitzableiter das Mittel, sich vor der Gewalt der Ele­mente zu schützen. Seine für die damals wenig entwickelte Elektricitäts- lehre so wichtigen Anschauungen legte er nieder in dem BucheNocv Experimente A.nck observations 0N eleoti'icit^' (Neue Versuche und Be­obachtungen über die Elektricität"), eine Schrift, die sich in der gelehrten Welt erst nach und nach Anerkennung verschaffte und für die er 1753 von der Königlichen Gesellschaft in London die goldene Preismedaille erhielt.

Inzwischen war der Oberpostmeister von Pennsylvanien zum General­postmeister der amerikanischen Kolonien vorgerückt, und nun reifte in ihm, dessen Geist mit dem politischen Leben seiner Landsleute sich stets aufs lebhafteste beschäftigte, der große Gedanke eines Zusammenschlusses aller nordamerikanischen Kolonien, mit Bundesverfassung, Kongreß und ! Centralregierung ein Gedanke, für den er später auch mit der That , wirken durfte, indem er an der Unabhängigkeitserklärung derVereinigten Staaten" am 4. Juli 1776 theilnahm. Im Dienste des Freistaates ging I er wiederholt nach Europa und der günstige Friedensabschluß, der dem ! nordamerikanischen Freiheitskriege am 3. September 1783 ein Ende machte,

! war nicht zum geringsten Theil seinem diplomatischen Geschick zu verdanken.

! Franklin war aber auch ein echter Volksmann, der den Aufschwung ^ der emporstrebenden Bürgerkreise durch Wort und That zu fördern ! wußte. Der Verbreitung des Wissens, der echten Volksbildung widmete ^ er seine Kraft. Er war der Gründer der ersten öffentlichen Bibliothek in i der Neuen Welt, er schuf Bildungsvereine für Arbeiter und Handwerker,

^ er gab einen vortrefflichenBolkskalender" heraus, und in seinem Buche