Heft 
(1890) 19
Seite
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Sehr großmüthig, wenn man mit solchem Opfer eine Million gewinnt! Und was sagte Eugen zu diesem -- Handel?"

Er ahnte nichts davon und kehrte gleich darauf nach Deutsch­land zurück, wie es längst beschlossen war. Von nun an kam Herbert täglich in unser Haus und wußte meinen kranken Vater so für sich einzunehmen, daß dieser schließlich selbst den Wunsch einer Verbindung hegte; dann erst trat er mit seiner Werbung hervor. Ich war ihm dankbar, daß er der Sache diese Wendung gab, nur Eugen ließ sich nicht täuschen, er errieth alles und rang mir die Wahrheit ab. Seitdem quält er sich fortwährend mit Selbstvorwürfeu und trügt seinem Schwager eine förmliche Feind­schaft entgegen, trotz meiner wiederholten Versicherung, daß ich nie Anlaß gehabt habe, jenen Schritt zu bereuen, daß ich in Herbert den aufmerksamsten, rücksichtsvollsten Gatten besitze."

Falkenrieds Auge ruhte unverwandt auf dem Gesichte der jungen Frau, als wollte er ihre geheimsten Gedanken daraus lesen.

Sind Sie glücklich?" fragte er endlich langsam.

Ich bin zufrieden!"

Das ist schon viel im Leben!" sagte der Oberst in dem alten herben Tone.Wir sind ja auch nicht geboren, um glücklich ?u sein. Ich habe Ihnen unrecht gethan, Ada, ich glaubte, der Glanz einer hohen Lebensstellung, der Wunsch, als Gemahlin des Gesandten eine erste Rolle in der Gesellschaft zu spielen, habe Sie zur Frau von Wallmoden gemacht, aber es ist mir lieb, daß ich Ihnen unrecht that!"

Er streckte ihr die Hand hin. Es regte sich jetzt doch etwas in seinem eisigen Blicke, und in dem Händedruck lag eine stumme Abbitte.

Nun wissen Sie alles!" schloß Adelheid mit einem tiefen Athemzuge,und nun werden Sie Herbert gegenüber diesen Punkt nicht berühren, ich bitte dringend darum. Sie sehen ja, es lag nichts Unehrenhaftes in seiner Handlungsweise. Ich wiederhole es Ihnen, daß er weder Zwang noch Ueberredung in Anwendung gebracht hat, mich zwang nur die Macht der Verhältnisse. Ich konnte und durfte ja nicht erwarten, daß er für einen Fremden solche Opfer bringen würde."

Wenn eine Frau mich in Todesangst darum angefleht hätte, so hätte ich sie gebracht - bedingungslos," erklärte Falkenried.

Ja Sie! Ihnen wäre ich auch mit leichterem Herzell gefolgt."

Der Ausruf verrieth unbewußt, wie schwer damals der Kampf gewesen war, den die junge Frau mit keinem Worte berührt hatte, und sie sprach die Wahrheit. Sie hätte sich, wenn denn doch einmal ein Opfer gebracht werden mußte, weit lieber dem düsteren, verschlossenen Manne mit seinem herben, oft verletzenden Wesen allvertraut, als dem immer höflichen und aufmerksamen Gatten, der im Angesicht ihrer Todesangst und mit dieser Angst ge­handelt Hatte.

Da hätten Sie ein schlimmes Los gezogen, Ada," sagte der Oberst mit finsterem Kopfschütteln.Ich bin einer von den Men­schen, die nichts mehr geben und empfangen können im Leben, ich bin längst fertig damit. Aber Sie haben recht, es ist besser, jener Punkt bleibt unerörtert zwischen mir und Wallmoden, denn wenn ich ihm meine wahre Meinung darüber sagen wollte er ist und bleibt eben ein Diplomat!"

Adelheid erhob sich und das Gespräch abbrechend, versuchte sie, einen unbefangenen Ton anzuschlagen.

Und nun darf ich Sie wohl endlich nach Ihren Zimmern führen? Sie müssen ja todmüde sein von der langen Fahrt!"

Nein, ich werde als Soldat doch nicht von einer bloßen Nachtfahrt müde sein! Da stellt der Dienst ganz andere An­forderungen an uns."

Er richtete sich stramm und fest auf, man sah es, seine körperliche Kraft war noch ungebrochen, diese Muskeln und Sehnen schienen wie von Stahl zu sein, nur das Antlitz trug den greisen­haften Zug. Die Augen der jungen Frau weilten nachdenklich darauf, besonders auf der Stirn, die so tief und schwer durchfurcht war nud sich doch so hoch und machtvoll wölbte unter dem weißen Haar. Es war ihr, als habe sie das schon anderswo gesehen, unter dunklen Locken, und es konnte doch keinen schärferen Gegen­satz geben, als dieses früh gealterte, gramdurchfurchte Gefickt und jener jugendliche Kopf mit seiner fremdartig südlichen Schönheit, mit der dämonischen Gluth im Auge. Und doch war es dieselbe Stirn gewesen, über die jene Blitze hinflammten auf der einsamen Waldhöhe, dieselbe hohe machtvolle Wölbung, selbst die blauen

Adern, die so deutlich an den Schläfen hervortraten eine selt­same unbegreifliche Äehnlichkeit!

Sie schritten nach den Fremdenzimmern, die schon des Gastes harrten.

Einige Stunden darauf befanden sich die beiden Jugendfreunde allein in dem Arbeitszimmer Wallmodens. Dieser hatte soeben zur Sprache gebracht, was ihm unerläßlich erschien, so peinlich es ihm auch war. Er hatte dun Oberst gesagt, daß und unter welchen Verhältnissen Rojanow sich in der hiesigen Stadt befinde, hatte ihm rückhaltlos alles enthüllt, was er von dem Leben Hart­muts und seiner Mutter wußte, und ihm endlich den Tod der letzteren mitgetheilt. Er hatte diese Stunde gefürchtet, aber der Eindruck war ein ganz anderer, als er erwartet hatte. Falkenried lehnte stumm, mit gekreuzten Armen am. Fenster und hörte der langen Auseinandersetzung zu, ohne sie mit einem Worte oder einer Frage zu unterbrechen, fein Gesicht blieb starr und un­durchdringlich, kein Zucken, keine Bewegung verrieth, daß er Dinge hörte, die doch sein ganzes Inneres in Aufruhr bringen mußten. Er war auch.jetztwie von Stein".

Ich glaubte, Dir diese Mittheilungen schuldig zu sein," schloß der Gesandte endlich.Wenn ich Dir bisher verschwieg, was ich von den Schicksalen der beiden wußte, so geschah es, um Dich nicht unnöthig mit Erinnerungen zu quälen, die Du schwer genug überwunden hast. Jetzt aber mußt Du erfahren, was ge­schehen ist und wie die Dinge augenblicklich liegen."

Der Oberst verharrte in seiner Stellung, und seine Stimme verrieth keine innere Bewegung, als er erwiderte:Ich danke Dir für Deinen guten Willen, aber Du hättest diese Erörterung sparen können was geht mich jener Abenteurer all?"

Wallmoden blickte betroffen auf, eine solche Antwort hatte er denn doch nicht erwartet.

Ich hielt es für nothwendig, Dich auf die Möglichkeit eines Zusammentreffens vorzubereiten," versetzte er.Du hörst ja, daß Rojanow augenblicklich eine bedeutende Rolle spielt und überall gefeiert wird. Der Herzog ist im höchsten Grade voll ihm eingenommen; Du könntest ihm gerade im Schlosse begegnen."

Und was weiter? Ich kenne niemand, der den Namen Rojanow trägt, und er wird es wohl nicht wagen, mich zu kennen. Wir würden als Fremde aneinander vorübergehen."

Der Blick des Gesandten lag forschend auf den Zügen Falken­rieds, als wollte er ergründen, ob das wirklich Kälte oder nur eine unglaubliche Selbstbeherrschung sei.

Ich glaubte, Du würdest die Nachricht voll dem Wieder- auftaucheu Deines Sohnes anders aufnehmen!" sagte er halblaut. Es geschah zum ersten Male und mit voller Absicht, daß er diese Bezeichnung brauchte, währeud er bisher nur voll eiuemRojauow" gesprochen hatte, und jetzt zum ersten Male zeigte sich auch eine Bewegung in der regungslosen Gestalt am Fenster; aber es war eine Bewegung des Zornes.

Ich habe keinen Sohn, merke Dir das, Wallmodell! Er starb mir an jenem Abende in Burgsdorf, und die Tvdten stehen nicht wieder auf."

Wallmoden schwieg, aber der Oberst trat jetzt zu ihm und legte schwer die Hand auf seinen Arm.

Du erwähntest Vorhill, es wäre Deine Pflicht gewesen, den Herzog anfzuklären, Du hättest das nur aus Rücksicht auf mich unterlassen. Ich habe allerdings nur noch eins zu wahren auf der Welt, die Ehre meines Namens, der durch solche Aufklärungen noch einmal dem Gespött und der Schmach preisgegeben würde. Thue, was Du glaubst thun zu müssen, ich hindere Dich nicht, aber ich thue dann auch, was ich muß!"

Seini Stimme klang kalt wie vorhin, aber trotzdem lag etwas so Furchtbares darin, daß der Gesandte erschrocken auffuhr.

Falkenried, um Gotteswillen, was meinst Du damit? Wie soll ich diese Worte deuten?"

Wie Du willst! Ihr Diplomaten faßt ja bisweilen den Ehr­begriff anders auf als unsereiner ich bin sehr einseitig darin!"

Ich werde unbedingt schweigen, ich gebe Dir mein Wort darauf," versicherte Wallmodell, der die letzte bittere Andeutung nicht verstand, denn er ahnte nichts von dem Geständniß Adel­heids.Es war beschlossen, ehe Du kamst. Durch mich soll der Name Falkeuried nicht preisgegeben werden!"

Gut, und nun nichts mehr davoll!"

(Fortsetzung folgt.)