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Wie schön dev
schön der Frühlinz ist? i
So schön, dach wenn er grüßt die Erde kaum, !
Das Herz sein ganzes Winterleid vergißt, !
Wie man vergißt wohl Linen schweren Traum So schön, daß uns sein erster weicher Hauch Der Hoffnung leichte Schwingen wieder hebt, !
Die aus der kargen Knospe schon am Strauch st
Sich lächelnd tausend reiche Kränze webt. >
Frühling ist?
Wie schnell der Frühling zieht?
So schnell, wie alles Schöne schwinden muß,
Schnell, wie die Fugend, wie die Liebe stiehl,
Wie uns Las Glück enteilt nach flüchtigem Kuß.
So schnell, daß, eh' den trunk'nen Klick hinein Wir tauchten in sein lichtes Klüthemneer,
Die zarten sinken, und im stillen Hain
Die Nachtigall schon klagt: „Gr ist nicht mehr!"
A. Mrcokai.
Das Ablesen vom Munde.
^)sm 30. April 1790 starb in Leipzig Samuel Heillicke, der Begründer ^
her ersten deutschen Taubstummenanstalt. Die „Gartenlaube" hat wiederholt dieses edeln Menschenfreundes gedacht und in Wort und Bild sein Andenken geehrt. Es genüge darum hier, darauf hingewieseu zu haben*. Die Saat, die der wackere Heinicke ausgestreut, hat in den der- gangeneu hundert Jahren reiche Frucht getragen. Das Recht der Taub- , stummen auf Bildung und Erziehung ist allgemein anerkannt und in ; allen gesitteten Staaten sind Taubstummenanstalten eingerichtet worden. Vorall geht Deutschland, das allein gegen hundert zählt. Wohl ist auch hier noch viel zu thun übrig; aber in einzelnen deutschen Ländern, z. B. im Königreich Sachsen, ist bereits das schöne Ziel erreicht, daß jedes taubstumme Kind in einer Taubstummenanstalt Aufnahme findet. Aehu lich ist es in Württemberg. Und in den übrigen Staateil strebt man ! dies Ziel zu erreicheil, denn jedes Jahr weiß von neu errichteten Anstalteil zu erzählen.
Welch reicher Segen ist bereits der Menschheit aus diesen Stätten ^ erwachsen! Tausende voll Unglücklichen, die sonst unwissend und roh zur Last ihrer Angehörigen oder der öffentlichen Armenpflege herangewachseu wären, find zn ordentlichen, brauchbaren Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft erzogen worden. Neben einer sittlich religiösen Bildung und Erziehung find es besonders zwei werthvolle Gaben, welche die Taub- ^ stummen ill den für sie eingerichteteil Schulen empfangen. Sie lernen sprechen, können also anderen hörbar und verständlich ihre Gedanken aus- j drücken, und dann — was nicht minder wichtig ist — lernen sie von den - Lippen anderer die gesprochenen Worte ablesen und verstehen. ^
Und noch für weitere Kreise wird die Arbeit der Taubstummenanstalten segensreich werden. Die an Sprachgebrechen leidenden Kinder, die Stotterer und Stammler finden an Taubstummenlehrern gute Helfer. ^ Die Heilung des Stotterns wurde bisher vielfach als Geheimniß behandelt und die Wissenden ließen es sich theuer bezahlen. Durch die Schriften der Taubstummenlehrer Gutzmann in Berlin, Günther in Neuwied rc. ist das Heilverfahren allgemein bekannt geworden, und in verschiedenen Städten Deutschlands hat die Behörde nach diesem Verfahren unentgeltliche Heilknrse für stotternde Schulkinder eingerichtet, so in Potsdam, Braunschweig, Dresden, Elberfeld rc. R. Denhardts Verdienste nur die Heilung des Stotterns sind schon früher in der „Gartenlaube" hervorgehoben worden, und von ihm wird auch demnächst ein Buch darüber, > „Das Stottern. Eine Psychose" (mit Illustrationen), im Berlage von Ernst Keills Nachfolger erscheinen.
Aber auch der großen Zahl jener Bedauernswerthen, die in späteren Jahren schwerhörig geworden oder ertaubt sind, wird durch die Arbeit der ! Taubstummenanstalten ein gutes Berständigungsmittel mit ihrer Umgebung ^ geboten. Wie die Taubstummen, so vermögen auch sie die Kunst zu er- > lernen, mit den Augen von den Lippen anderer das gesprochene Wort ab- , znlesen. Es beruht dies auf der Thatfache, daß jeder deutlich gesprochene Laut eine besondere Mundstelluug erfordert. Man trete vor einen Spiegel ! und beobachte sich beim Sprechen. Mit derselben Mundstellung, mit der . ich ein reines a ausspreche, kann ich kein reines o sprechen. Beim a ist ! der Mund vollständig geöffnet, beim o werden die Lippen etwas vorgeschoben, wodurch sich die Mundöffnung etwas verengert, und noch mehr ist dies der Fall, wenn ich n spreche. Beim e ist die Mundstellung breit und beim i treten die Mundwinkel noch weiter zurück. Wieder andere Mundstellnngen erfordern die Konsonanten. Man spreche vor dem Spiegel l), 6, st st 8, 8ek, ll rc., und man wird deutlich die veränderte Mund- stellnng bemerken können. Mitunter sind diese Unterschiede freilich ziemlich ^ unbedeutend; aber selbst die Laute, die mehr im Innern des Mundes gebildet werden, lassen sich doch durch scharfes Beobachten erkennen, da sie ^ äußerlich auch das Gesicht in Mitleidenschaft ziehen. Man beobachte sich - z. B. beim Sprechen des n und n^. Das im Gaumen gebildete ver- > kümmerte r ist nicht sichtbar, wohl aber das richtige mit der Zungenspitze ! gesprochene r, das ja auch von Sängern und Rednern angewendet wird. !
Wie nun die gedruckten Buchstaben ganz bestimmte Formen haben, ! an denen wir jeden einzelnen sofort erkennen, so nehmen die Laute auch ^ beim Sprechen ganz bestimmte, sichtbare Formen an, die vom Munde ! abgelefen werden können. !
Freilich, das Ablesen vom Munde ist viel, viel mühsamer zu erlernen, ! als das Lesen der Buchstaben und Zusammenlesen derselben zu Wörtern > und Sätzen. Die gedruckten oder geschriebenen Buchstaben stehen immer ^ vor dem Auge sichtbar da, die Mundstellungen beim Sprechen lassen sich !
aber nicht festhalten, sie wechseln schnell und erschweren dadurch ein leichtes Auffassen. Daß es aber möglich ist, dafür liefert jede deutsche Taubstummenanstalt hinreichende Beweise. Fast alle Zöglinge lernen dies Ablesen vom Munde. Die Minderbegabten und die Schwachsichtigen natürlich in geringerem Grade als die befähigten und gut sehenden Schüler.
Das Sprechenlernen der Taubstummen ist mit dem Ablesen eng verbunden. Der kleine Schüler ahmt die Mundstellung, die Veränderungen der Zunge, der Lippen rc. nach, er sieht und fühlt an der Brust, am Kehlkopf des Lehrers die durch das Sprechen hervorgebrachten Bewegungen; er fühlt den Hauch bei der Aussprache des Lautes, und nach langen Mühen seitens des Lehrers wie des Schülers gelingt es ihm, den gleichen Laut zu bilden und zu sprechen. Ohne auf diese Aufgabe des Taubstummenunterrichts hier weiter einzugeheu, kehren wir wieder zur Kunst des Ablesens vom Munde zurück.
In vielen der größeren Taubstummenanstalten werden die Schüler in sogenannten und L-Klassen unterrichtet. In den ersteren sitzen die Befähigteren, namentlich auch die, welche noch etwas hören können oder die erst später ertaubt sind; in den letzteren befinden sich die schwächer Begabten. Tritt nun eine mit dem Taubstummenunterricht unbekannte Person in eine -ä-Klasse ein, so meint sie in den ersten Augenblicken, fehlgegangen zu sein und sich nicht in einer Taubstummenschule, sondern in einer gewöhnlichen Volksschule zu befinden. Es wird keine Gebärden spräche angewendet; der Lehrer spricht zu den Kindern, die Schüler antworten. Obwohl aber alles laut geredet wird, so hört doch keiner der Schüler das Gesprochene. Auch die, welche noch etwas Gehör haben, vernehmen nichlls Zusammenhängendes, sondern höchstens einzelne Worte; sie würden ja sonst die Taubstummenschule nicht besuchen. Alle Schüler sehen gespannt auf den Mund des Sprechenden und lesen dort die Worte ab, wie andere Kinder dieselben von der Wandtafel oder dem Buche ablesen. Die Pulte find im Halbkreis so gestellt, daß die Schüler sich alle auf den Mund sehen können, und der Lehrer steht oder sitzt so, daß volles Licht auf sein Gesicht fällt. Wendet er sich nach der einen Seite, so wird ihn ein Theil der Schüler nicht verstehen — er mag noch so laut sprechen — dem: sobald sie von seinem Munde nicht mehr absehen können, sind seine Worte für sie verloren. In einfachen, leicht verständlichen Sätzen werden die Kinder in biblischer Geschichte, Religion, in Heimathund Vaterlandskunde, in Naturgeschichte, im Rechnen rc. unterrichtet. Es wird, mit Ausnahme des Gesanges, in der Taubstummenschule fast alles das getrieben, was in der Volksschule getrieben wird, wenn auch nicht in derselben Ausdehnung. Dort lernen die Kinder durch das Ohr und das Auge, hier nur durch das Auge. Kein Wunder, daß der Unterricht in der Taubstummenschule viel langsamer vorwärtsschreitet und daß manche Frage mehrfach wiederholt werden muß, ehe der Schüler sie richtig auffaßt.
Am leichtesten liest der Taubstumme von: Munde seines Lehrers und feiner Mitschüler ab, denn er ist an deren Sprechen gewöhnt. Da aber jeder scharf und deutlich Sprechende die Laute auf dieselbe Weise, also fast genau dieselben Mundstellungen bilden muß, so gewöhnt sich der kleine Schüler nach und nach an das Sprechen fremder Personen, und viele Taube erlangen eine Fertigkeit im Absehen vom Munde, die in Erstaunen setzt. Sie vermögen nicht nur Worte, Fragen und kurze Sätze abzulesen, sie verstehen auch Geschichten, die ihnen erzählt, Ansprachen, Vorträge,^ die ihnen gehalten werden. Natürlich ist immer dabei zu beachten, daß der Sprechende nähe steht, daß sein Gesicht gut beleuchtet ist, daß er deutlich und nicht zu schnell spricht, daß er den Kopf nicht zu sehr bewegt. In weiterer Entfernung, bei Dunkelheit, bei undeutlichem
Sprechen hört die Kunst des Ablesens auf. Dagegen bildet der Bart kein besonderes Hinderniß, sobald er nicht die Lippen überdeckt.
Was nun der Taubstumme erlernen kann, das vermag der Schwerhörige oder der in spätem Alter Ertaubte auch, wenn nicht nur er, sondern auch die mit ihm Verkehrenden genug Geduld und Ausdauer haben. Es gehört lange, lange Uebung dazu, um es nur zu einiger Fertigkeit zn bringen. Wie der Taubstumme, so wird auch der Schwerhörige am leichtesten die verstehen lernen, mit denen er am meisten zu thun hat. Und hier lohnt schon ein kleiner Erfolg reichlich die aufgewandte Mühe, denn auch eine kleine Fertigkeit im Ablesen von: Munde erleichtert ungemein den Verkehr zwischen dem Leidenden und seiner Umgebung.
Wie diese Kunst zn erlernen ist, wurde bereits angedeutet. Befindet sich im Orte eine Taubstummenanstalt, so wird gewiß ein Taubstummenlehrer gern die Unterweisung übernehmen, und der Erfolg wird nicht ausbleiben, wenn die nöthige Geduld vorhanden ist. Ist aber der Betreffende auf sich selbst und die Seinigen angewiesen, so studiere er zunächst im Spiegel, wie die einzelnen Laute sich bilden und welche Mundstellnngen dabei Vorkommen. Dann lasse er sich von befreundeten