Heft 
(1890) 25
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das Straßenpflaster nehmen würde. Das waren die Gründe, weshalb wiederholt ärztliche Hilfe ausgesucht wurde, aber ohne jeglichen Erfolg, weil man anfangs der merkwürdigen Verschieden­heit der Ursachen nicht auf die Spur kam. Erst die von Binz verordnete genauere Selbstbeobachtung der Patienten in Betreff der Ursachen der Anfälle stellte fest, daß diese in folgendem be­standen: 1. Aufnahme gewisser Speisen (namentlich Kartoffeln und Käse) am Abend, oder 2. in angestrengtem geistigen Arbeiten während der späten Abendstunden, oder 3. in einem weiten Marsch zur selben Zeit.

Sämmtliche krankhaften Zustände hörten von dem Tage an auf, wo dem Leidenden die Ursachen seines Uebels klar wurden und er dieselben sorgfältig vermied. So hat der Mann nach der jüngsten Veröffentlichung von Binz 20 Jahre in voller Gesund­heit verlebt. Eine Tochter des Geheilten hat dagegen den Hang zum Schlafwandeln geerbt.

Der Schlafwandel steht auf der obersten Stufe jener Störungen des Schlafes, die sich in leichten Formen als Reden, Lachen und Weinen im Schlaf darstellen, die sich zum Alpdrücken und endlich zum Umhergehen im Schlaf steigern können. C. Falkenhorst.

Zwei neu entdeckte schwäbische Tropfsteinhöhlen.

Geschildert von Kcrvt Girßmcknn. Mit Zeichnungen von A. ScHnrierwr.

Alle Rechte Vorbehalten.

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s^alt! klang's da nicht hohl?" rief einer der Arbeiter.

hob die Lampe ab, welche von der Wand herabhing und das Dunkel des gewaltigen Höhlenraumes, in den: die Arbeiter be­schäftigt waren, nur nothdürftig erhellte.

Ein paar kräftige Schläge mit dem Pickel, die scheinbare Felswand splitterte in klingende, scherbenartige Stücke, aus schwarzgüh- nender Oeffnung drang urplötzlich ein starker Luftstrom, der die Lichter auszulöschen drohte, und die schönste Höhle des höhlenreichen Schwaben­landes war gefunden.

Wie viele Wanderer werden künftig dem Gebirgsthal der schwäbischen Alb zuwaudern, das sich zwischen der herzoglichen Teck und dem stolzen Hohenneusfen breit ins Neckarthal öffnet, dem reizvollen Lenninger Thal! Durch saubere Dörfer geht's an der rauschenden Lauter hin, bis die fels- nnd burggekrönten Berge sich näher und näher zusammen schieben und das Thal dicht über dem wundervoll gelegene:: Gutenberg in der macht­vollen Felsschlucht derPfulb" seinen Abschluß findet. Links von diesem Thalende, im kurzen schluchtartigen Tiefenthal, zeigt sich dem Wanderer hoch oben am weißen Felsenkranz die Oeffnung der Gutenberger Höhle. Ein prächtiger Weg führt durch den grünen Buchenwald in langsamer Steigung zum Portal.

In der ersten Halle, dem schon vorher bekanntenHeppenloch", erlabt sich das Auge an der überaus lieblichen Thalsicht; dann gehlls bei Magnesiumschein zur zweiten Halle, dem Fundorte zahlreicher Fossilien und feuersteinartiger, roher Werkzeuge, für die Kenntniß des ältesten Europamenschen von hervorragender Bedeutung. Fünfzehn Meter unter dem Höhlenlehm, der die ganze Halle bis zur Wölbung ausfüllte, lag die felsharte Masse mit den eingebackenen Knochenresten, zum theil 3 m hoch und 2 m breit; und gerade als man mit der Förderung dieses Schatzes beschäftigt war* erfolgte jener Durchschlag, der zur Fortsetzung der Höhle führte.

So mußten also die Nashörner der grauen Vorzeit, deren gewaltige Zähne hier in glänzendem Email aus den: Jurastein starrten, die Riesen­hirsche, die Auerochsen, die Höhlenbären und -löwen und wie all die Ungethüme hießen, deren Ueberreste kreuz und quer, zerschlagen und zerspalten im steingewordenen Lehm lagen, den neuzeitlichen Schwaben zur Auffindung des Zaubergangs verhelfen, der sich von da bis jetzt 200 m weit ins Gebirge hineinzieht!

Schon die dritte Grotte, dieGothische Halle", zu welcher man auf einer Treppe hinaufsteigt, ist in der That zauberhaft.Eis!" ruft der Besucher unwillkürlich, wenn er zu den Gebilden aufschaut, die in schimmernder Weiße von den Wänden der kapellenartigen Halle herab­hängen. Aber die Wärme (vergangenen Winter immer 15 Grad) und wohl auch das überlegene Lächeln des Führers, der solchen Mißverständnisses

Gutenberg.

gewöhn: :st, belehren ihn

sogleich ei- /' "

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ren. Da drängt es sich flutl, artig aus der hohen Fellö nische hervor; dort in der

Höhe droben baut sich die zierlichste, stilvollste Kanzel heraus; rückwärts, wo die weißen Bildungen mit gelblichen vermischt sind, steigt's kammartig empor zu einer Oberkammer, die sich aber nur vermittels einer Leiter und auch so nur unbequem erreichen läßt.

Auf dem Boden, der aus Lehm, mit Kies gemischt, besteht, er­heben sich die wunderlichsten Zapfen und Zinken, große und kleine, schlanke und gedrungene, zumeist ebenfalls die Formen des Eises aufs täuschendste nachahmend. Emsig geht der weitere Aufbau dieser Sta­lagmiten vor sich; das alte SprichwortAutta eavat iaxiüem non vj, 86ä 83.6x6 eaäenäo" (^ nicht durch Gewalt, aber dnrch unaufhörliches Fallen höhlt der Tropfen den Stein) hat hier seine Geltung verloren: der ans der Höhe fallende Tropfen höhlt den Stein nicht, sondern baut ihn auf, und wenn's auch Jahrhunderte währen mag, bis ein solcher Krystallzapfen fertig ist, die Natur wird nicht müde, und Tropfen um Tropfen fetzt die fürs bloße Auge nicht sichtbaren Kalkkörperchen ab, die sich im Ringe gelagert in glitzernden: Krystall um die leerbleibende Mittelöffnung ansammeln. Bruchstücke solcher Gebilde zeigen beim Schliff die sich wie rohe Seide an einander fügenden und in einander schlingenden Jahresringe", wenn man diesen Ansdruck auf die todten und doch stetig wachsenden Steine anwenden darf. Uebrigens geht jene geheimnißvolle Arbeit eher im Winter vor sich, wenn das Schneewasser in den Boden einfickert; im Sommer ist die Höhle fast durchweg trocken und sauber. Wir verlassen dieGothische Halle", die in der That einigermaßen an gothische Bauart erinnert, durch ein Thor, das durch Hinwegräumen eines im Weg liegenden gewaltigen Felsklotzes erst künstlich hergestellt werden mußte vorher war nur ein ganz enger, fast unpassierbarer Durchschlupf vorhanden und sehen gleich nach den ersten Schritten links die getreueste, verkleinerte Nachbildung eines Gletschers, bis aufs schimmernde Eisthor