Heft 
(1890) 30
Seite
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als Wachtraum gedachtem, festungsartigem Mauerwerk erhob, von Hermen l und Atlanten getragen, von langgedehnter Kuppel bedeckt, auf welcher eine schwebende anmuthige Fortnna thronte. Die Wände dieses voll ! vier Musikpavillons umgebener: zierlichen Tempels waren von Glas, und hinter ihnen gleißte und glitzerte, flimmerte und funkelte es von den kost­barsten, aus edelsten Metallen und in schönsten Formen gefertigten Ehren­preisen, Bowlen und Humpen, Römern und Bechern, Krügen und Pokalen. Basen und Schalen; in ihrer Mitte stand der Ehrenpreis des Kaisers, eine herrliche silbergetriebene Kanne mit Diana und Hirschgeweih, auf einem Untersatze von rothem deutsch-afrikanischen Marmor.

Links von diesem Gabentempel, in welchem zweimal am Tage die Vertheilung der Preise erfolgte, dehnte sich die mächtige Festhalle aus, von der unsere Zeichnung ein anschauliches Bild giebt. Sie ist von Cremer und Wolffenftein in einer Längsfront von 150 und einer Tiefe von 50 Metern erbaut und bietet für sechstausend Personen Raum.

Am äußersten Ende des Platzes lag, an 250 Meter lang, die Schieß­halle, welche 120 Stände enthielt, von denen jeder 12 Schützen Raum gewährte. Den Bestimmungen der deutschen Bundesschießen gemäß wurde nur freistehend aus freier Hand geschossen; umsichtige und strenge Vor­schriften regelten den Verkehr in den Schießständen, um Unglücksfälle und Mogeleien", wie sie früher sich zuweilen ereignet hatten, zu verhüten.

Dicht bei der Schießhalle erhob sich das Schießbureau, in welchem der Finanz-, Fest- und Schießausschuß ihr Heim besaßen.

Nach der Vogelwiese zu hatten die auf den Festplatz zugelasfenen Brauereien, fünf an der Zahl, ihre Schankstätten aufgeschlagen; auf der Vogelwiese selbst mit ihren Jahrmarktsbelustiguugen aller Art entfaltete sich während der Festwoche Tag für Tag das lustigste und ausgelassenste Leben. Bei schäumendem Maßkrug und perlendem Wein saßen die Ver­treter der deutschen Stämme mit den fremden Gästen beisammen, alte Freundschaften wurden erneuert und neue geschlossen, neben dem Ober­bayer in der Lodenjacke sah man den elegant gekleideten Deutsch-Amerikaner, neben dem Meraner Schützen den Italiener mit seinen: Bersaglierihut, neben dem gemächlich plauschenden Wiener den das Deutsche radebrechenden Holländer. Ein bewegender Zug der Brüderlichkeit und Zusammengehörig­keit ging durch all' diese Scharen, aus deren Munde man immer wieder das Lob Berlins wie seiner Einwohnerschaft vernehmen konnte und wie wohl sich die Schützen in den Mauern der Reichshanptstadt fühlten. So darf man denn hoffen, daß sich das X. deutsche Bundesschießen würdig seinen Vorgängern angeschlossen hat und daß Berlins Gäste sich gern der Tage erinnern, die sie an der Spree erlebt haben, und auch gern wieder hierher ihre Schritte lenken werden. Sie sollen dasselbe herzliche Will­kommen finden! Paul Lindeirbera,

Zur Iuöekfeicr der Buchdruckerkunst.

Von Kdunrd Grosse.

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^um zweiten Male in diesem Jahrhundert begehen wir eine

Feier, welche die Theilnahme aller Gebildeten finden wird, denn sie berührt nicht nur die Angehörigen eines Landes oder Standes, sondern sie berührt die gesammte Menschheit. Diese Feier gilt der Buchdruckerkunst, deren Erfindungsjahr man etwas will­kürlich aus das Jahr 1440 festgesetzt, die hiernach ge­rechnet also 450 Jahre im Dienste der Menschheit ge­standen und segensreich ge­wirkt hat. Es dürfte über­flüssig sein, die Wohlthaten aufzuzählen, welche wir der Erfindung Gutenbergs ver­danken. Jedermann weiß, daß dieselbe sofort im Dienste der Wissenschaft, Kultur und Aufklärung stand, daß sie in diesem Dienste groß ward und mächtig auf die geistige Entwickelung der Menschheit einwirkte. Ihr verdanken wir zum großen Theil unsere geistigen und gesellschaftlichen Freiheiten, den hohen Stand unserer Wissenschaften, die Blüthe unseres Jndustrie- und Gewerbslebens.

Die früheren Jubelfeste, die schon in den Jahren 1740 und 1840 gefeiert wurden, waren leider noch von wenig erbaulichen Streitigkeiten über den zeitlichen Vorrang der Erfindung umschwirrt, was heute und in Zukunft nicht mehr der Fall sein kann. Andere Nationen machten der deutschen die Ehre streitig, den Erfinder der Buch­druckerkunst zu den Ihren zählen, ihn das Kind ihres Landes nennen zu dürfen. So wurden nach und neben einander der Holländer Koster, der Italiener Castaldi und Kuttenberg der Böhme von ihren Landsleuten als Erfinder hingestellt. Dem ver­meintlichen Erfinder Koster errich­teten die Holländer sogar zwei öffent­liche Denkmäler und begingen zu dessen Ehre im Jahre 1821 eine

Gedenkfeier. Gegen diese Entstellung der geschichtlichen Wahrheit erhoben sich aber deutsche Gelehrte, und der Federkrieg ward mit den schärfsten Waffen geführt. Alle erreichbaren Urkunden wurden hervorgesucht, von leichtfertigen Männern Urkunden gefälscht, von der ehrlichen Partei die Fälschungen mit Aufwand großen Scharf­sinns wieder nachgewiesen, und endlich, nach jahrelangem Ringen, ward der guten deutschen Sache ein glänzender Sieg erfochten. Nicht wenig förderte diesen Sieg ein holländischer Geschichtschreiber

Abbildung 1. Kolziafekdruck.

kranz einem andern zuzuerkennen.

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Abbildung 2. Aus der Keidetöerger Mderhandschrifi.

selbst, Do. A. v. d. Linde, welcher mit offener Unparteilichkeit prüfte und schließlich das mit Fälschungswust umhüllte Märchen vom Erfinder Koster, Castaldi und auch vom böhmischen Kuttenberg dahin verwies, wohin es gehört, in die Welt der Hirngespinste.

Doch nicht nur die Ausländer, sondern auch die Deutschen

trugen möglichst zur Ver­wirrung der geschichtlichen Thatsachen bei. Gutenberg selbst hat sich bekanntlich auf keinem seiner Druck­erzeugnisse als Erfinder der Buchdruckerlunst oder als Drucker eines Buches ge­nannt. Dieses fast unbe­greifliche Schweigen kam den Fälschern ungemein zu statten, da es auf diese Weise leicht war, dem rechtmäßigen Erfinder seinen Ruhm zu entreißen und den Ehren- Den ersten dahingehenden Versuch machte bereits ein Enkel des Gutenbergschen Geschäfts- theilhabers Fust, welcher im Jahre 1509 behauptete, sein Groß­vater Johann Fust sei der eigentliche Erfinder der Buchdruckerkunst. Diese Lüge ging nicht nur in andere Schriften über, sondern sie reizte auch den Straßburger Drucker Johann Schott, seinen Groß­vater Mentel, welcher einer der ältesten Buchdrucker gewesen ist, gleichfalls als Erfinder hinzustellen. Hieraus entwickelte sich die Sage, Mentels Diener Gensfleisch sei nach Mainz entflohen und habe dort die Mentüsche Erfindung im Verein mit Gutenberg ausgebeutet.

Auf Grund dieses Mentelschen Märchens entstand ein Streit über den Vorrang zwischen den Städten Straßburg und Mainz. Den Pseudoerfinder Mentel mußten die Straßburger allerdings aufgeben, dafür suchten sie sich jedoch zu ent­schädigen, indem sie Ansprüche auf Gutenberg geltend machten. Dieser scheint seine Jugendjahre thatsächlich in Straßburg verlebt zu haben, vielleicht wurde er sogar da geboren, wie einige Forscher nicht abgeneigt sind, anzunehmen. Wahrscheinlich hat er in Straß­burg auch schon den Gedanken seiner Erfindung gefaßt, vielleicht schon die ersten Versuche unternommen. Ob jedoch die Erfindung dort zur Reife gediehen, ist zweifelhaft.

Eine Thatsache steht auf jeden Fall unerschütterlich fest, nämlich die, daß Gutenberg und kein anderer der Erfinder der