Heft 
(1890) 30
Seite
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Aus

mit Buchstabenstempeln gedruckt wurde.

Der Schritt vom Stempeldruck zum be­weglichen Typensatz war kein großer, ein flüchtiger Gedankenblitz konnte dahin fuhren. Es war nur nöthig, die Buch­stabenstempel, welche vorher einzeln ge­braucht wurden, zu einem Wort, zu Zeilen, endlich zu ganzen Seiten zu­sammenzusetzen und dann auf einmal abzudrucken. Damit war jedoch die Buchdruckerkunst noch nicht vollständig erfunden. Im Gegentheil, die technische Ausarbeitung der Erfindung mußte erst beginnen, und diese Aufgabe, vor wel­cher der Erfinder jetzt stand, war viel schwieriger, als man gewöhnlich an­nimmt.

Die ersten Versuche mit roh zugesäg­ten Stempeln und Holztypen hatten nur den Zweck, Gutenbergs Glauben an die Durchführbarkeit seines Gedankens zu stärken. Vollendete Druckarbeiten konnte er damit unmöglich ausführen. Wahr­scheinlich ist er auch schon nach den ersten Versuchen von den Holztypen abgegangen und hat zu dem beständige­ren, zweckmäßigeren Metall gegriffen. Gewiß ist, daß schon die ersten Bücher mit Metalltypen gedruckt sind. Das Holz eignet sich

überhaupt nicht zum Typendruck; es ist zu sehr der Veränderung durch Feuchtigkeit und Wärme unterworfen und verzieht sich leicht.

Außerdem hätten Holztypen ungeheure Herstellungskosten verursacht. Beim Satz der 36zeiligen Bibel waren z. B. zu einer Seite ungefähr 1800 Typen erforderlich, zu zwei Seiten 3600 bis 4000, darunter einige hundert kleine a. Wollte Gutenberg nur zwei Seiten auf einmal drucken, so brauchte er also schon einige hundert a, zu

^» . ... » ^ ^ . weiteren zwei Seiten,

Abbrldung 4. Aas älteste Mld einer IMchdruckere,. ^blche sich während

des Drückens im Satz befanden, ebensoviel. Nun wird man einen Mann, welcher genügend technischen Scharf­sinn besaß, um die Buchdruckerkunst zu erfinden, gewiß nicht für so einsichtslos halten, daß er die vielen hun­dert er alle einzeln geschnitten habe. Man wird an­nehmen dürfen, daß er einige a als Modell geschnitten und die anderen hiernach in Formen gegossen habe.

Ferner würde es wohl auch kaum möglich sein, Holz­typen von der peinlichen Gleichmäßigkeit anzufertigen, welche unbedingt nöthig ist, wenn der Satz ebenmäßig und in ge­raden Zeilen auslaufen soll.

Diese peinliche Gleichmäßigkeit der Typen war wohl die Haupt­schwierigkeit, welche Gutenberg zu überwinden hatte und nach un­endlichen Mühen auch überwand.

Nur dann, wenn die Typenkegel mit geometrischer Genauigkeit zu einander stehen, ist es möglich, mit ihnen ganze Seiten gleich­mäßig zu setzen. Ferner erfand XXXVIII. Nr. 30.

Johannes Orrtenvees.

Waldow, Enzyklopädie der graphischen Künste"

Metall-Letter.

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Abbildung 6. Aus der 3i;zeMgen WiDel.

Gutenberg die Druckerpresse, welche aller­dings anfänglich ziemlich einfach gebaut war, wie Abbildung 4 und 5 erkennen lassen; sodann die Druckerschwärze und alle Hilfswerkzeuge, welche zur Aus­übung des Setzens und Drückens dienen. Dabei arbeitete er seine Erfindung zu einer technischen Vollkommenheit aus, die in Erstaunen setzt.

Die Schrift, nach der Gutenberg seine Bibeltypen schnitt, war die sorg­fältige Schönschrift des Mittelalters, welche besonders beim Schreiben von Missalen oder Meßbüchern an gewendet wurde. Dabei kam Gutenberg die Form der mittelalterlichen Schrift sehr zu statten, welche sich zur typographischen Nachbildung bedeutend besser eignete als unsere jetzige Schreibschrift, wie der Faksimiledruck Abb. 2 eines Gedichtes Walters von der Vogelweide aus der Pariser, jetzt Heidelberger Liederhand­schrift erkennen läßt, deren Buchstaben ziemlich senkrecht stehen. In den sorgsamer geschriebenen Missalen sowie auf Tafel­drucken wurde die Schrift noch schöner und gleichmäßiger ansgesührt, sodaß Gutenberg sie fast so benützen konnte, wie er sie geschrieben vorfand. Unser Faksimile eines Tafel­druckes (Abb. 1) zeigt denselben Schriftcha­rakter wie die Guten- bergschen Bibeldrucke.

Mit der Schrift nahm er auch die'farbige Rand- und Initial- Verzierung aus den Schönschriften mit in denBnchdruckherüber, welche anfangs noch durch Handmalerei, später dagegen durch Mehrfarbendruck her­gestellt wurde.

Man weiß über die Lebensgeschichte des Erfinders so we­nig, daß man nicht einmal sein Geburts­jahr angeben kann.

Auch über seine Kind­heit und seine Jüng­lingsjahre ist nichts

bekannt. Eine willkürliche Annahme verlegt seine Geburt in die Jahre 1396 oder 1398, doch fehlt dafür jeder geschichtliche Beweis. Die erste Nachricht über Johann Gutenberg erhalten wir 1430, in welchem Jahre seine Mutter eine Erbschaft für ihn ordnete, wahrscheinlich auf Grund einer Vollmacht Gntenbergs, der sich außer Landes befand, da er in Parteikämpfe verwickelt gewesen war und Mainz flüchtig verlassen hatte.

Das Mainzer Patriziergeschlecht der Gensfleisch, dem Gutenberg entstammt, gehörte zu den geldprägenden Münzgenossen der Stadt Mainz. Gutenbergs Großvater war Bürgermeister ge­wesen, sein Vater wird 1410 in den Einnahme- und Ausgabebüchern als Rechnenmeister genannt, scheint sich jedoch mit der Bürgerpartei verfeindet zu haben und befand sich mit seinen Verwandten 1420 an der Spitze der Patrizier, welche der Bürgerpartei im offenen Kampfe gegenüberstanden. Die Patrizier