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in solchem Ton? Wollt Ihr die Dienerschaft zu Zeugen Eurer - Zwistigkeiten machen?" !
Mit diesen Worten hatte der General die Thür des Neben- ! zimmers geöffnet. Aber obwohl ihm nur Engelberts Heftigkeit ! den unmittelbaren Anlaß zum Einschreiten gegeben haben konnte, > schienen sich doch seine vorwurfsvollen Fragen viel weniger an diesen als an Lothar zu richten. Und Lothar war es denn auch, der ihm Antwort gab:
„Ich fürchte, Vater, daß der Dienerschaft hier im Hanse bereits Gelegenheit zu viel unerfreulicheren Beobachtungen gegeben worden ist."
„Was heißt das? Willst Du nicht die Güte haben, Dich etwas deutlicher auszndrücken? Hast Du uns etwa nur darum das lang entbehrte Vergnügen Deines Besuches gemacht, um mit Deinem Bruder Händel zu suchen?"
„Es hat wirklich sehr stark den Anschein, Papa," mischte sich jetzt Engelbert ein. „Ich möchte um alles in der Welt wissen, wie Lothar dazu kommt, sich zum Ritter einer Dame aufzuwerfen, die früher blutwenig Vorliebe für ihn an den Tag gelegt hat, und die außerdem in dem Zahnreißer einen viel berufeneren Beschützer hätte als in ihm."
„Das ist allerdings auch mir einigermaßen räthselhaft; aber ich wünsche nicht, in Erörterungen solcher Art hineingezogen zu werden. Die Person, von welcher da die Rede zu sein scheint, ist für mich nicht mehr vorhanden, und ich bitte mir aus, daß in meiner Gegenwart nicht weiter von ihr gesprochen wird." -
„Danach bliebe mir nur übrig, mich ohne weiteres zu entfernen. Lediglich um von ihr zu sprechen, kam ich hierher, und die kindliche Ehrfurcht macht es mir unmöglich, Vater, Dir auf Dein letztes Verbot so zu antworten, wie ich es unter anderen Umständen für meine Pflicht halten müßte."
„Ich erhebe keinen Anspruch auf eine Ehrfurcht, die sich so sonderbar verklausulirt. Was hast Du an meinem Verhalten auszusetzen? — Nun?"
Der General war in größerer Erregung, als er sie sonst zu zeigen pflegte, selbst wenn er heftig gereizt worden war. Lothar aber sagte mit Nachdruck, indem er ihm fest und gerade in die Augen sah:
„Es erscheint mir als eine recht bequeme, aber sehr wenig ritterliche Art, Dich der Verantwortlichkeit für gewisse Dinge zu entziehen! Du mußt mir die Offenheit dieser Erklärung verzeihen; nur auf Deinen ausdrücklichen Wunsch habe ich sie abgegeben."
„Unerhört!" stieß Engelbert zwischen den Zähnen hervor, indem er von neuem rasselnd mit seinem Säbel aufstampfte. Der General warf ihm einen mahnenden Blick zu und wandte sich dann in dem veränderten Ton einer spöttischen Höflichkeit gegen Lothar:
„Du hast mich nachgerade daran gewöhnt, in Deinen liebenswürdigen Aufrichtigkeiten nichts Ueberraschendes mehr zu finden; aber daß ich von Dir eine Belehrung über Ritterlichkeit empfangen soll, ist mir doch neu. Wie große Hochachtung ich auch vor Deiner juristischen Gelehrsamkeit habe, auf diesem Gebiet halte ich Dich keineswegs für sachverständig."
„Mit solchen Spöttereien, lieber Vater, ist der Sache, die zu vertreten ich entschlossen bin, so wenig gedient als mit Engelberts übel angebrachter Heftigkeit. Es handelt sich weder um meine juristische Gelehrsamkeit, noch um mein Verständniß für Fragen der sogenannten Standesehre. Es handelt sich einfach um die Erfüllung einer Pflicht, zu deren Anerkennung es wahrlich nicht erst meines Eintretens hätte bedürfen sollen."
„Das ist rund und bestimmt, aber leider nicht ganz deutlich; denn ich habe, offen gestanden, noch immer keine Ahnung von dem eigentlichen Zweck Deines feierlichen Gebahrens."
„Desto weniger wird, wie ich hoffe, Engelbert über diesen Zweck im unklaren sein. Er ist durch Worte und Handlungen bemüht gewesen, Marie an seine Liebe glauben zu machen; er hat das Geständniß ihrer Gegenliebe empfangen, und er war somit nicht nur nach den Ehrbegriffen unseres Standes, sondern nach denjenigen aller anständigen Leute verpflichtet, sie zu heirathen. Wenn er trotzdem ein Verlöbniß mit einer anderen Dame eingehen konnte, ohne daß Marie ihm seine Freiheit wiedergegeben hatte, so ist dies Verlöbniß eben als ungültig zu be
trachten. Es muß rückgängig gemacht werden, und in Mariens Händen wird dann die Entscheidung liegen, ob sie auch jetzt noch einem Manne angehören will, der ihr Vertrauen auf eine so unrühmliche Weise zu täuschen vermochte."
Engelbert hatte während dieser klaren, in einem fast geschäftsmäßig kühlen Tone gegebenen Darlegung sein Unbehagen hinter allerlei stummen Gebärden eines mitleidigen Erstaunens zu verbergen gesucht. Als Lothar geendet hatte, zog er die Schultern in die Höhe und ging, seinem Bruder den Rücken wendend, zum Fenster, als wollte er damit andeuten, daß es unmöglich sei, auf solche Zumuthungen überhaupt zu antworten. Statt seiner erwiderte der General:
„Ich weiß nicht, wie Du dazu kommst, mich für die alberne Liebelei Engelberts, von der ich natürlich keine Ahnung hatte, mitverantwortlich zu machen. Ich billige sein Benehmen in dieser Sache durchaus nicht, und er wird mir bezeugen, daß ich ihm nach jenem abscheulichen Auftritte bei dem Bazar mein Mißfallen ganz unzweideutig zu erkennen gegeben habe. Damit aber ist die Sache für mich erledigt, und ich denke, sie könnte es auch für uns alle sein. Hätte Marie nach Engelberts Verlobung ihre vermeintlichen Rechte und Ansprüche in irgend einer angemessenen Form zur Geltung zu bringen versucht, so hätte man ja allenfalls daran denken können, einen Ausgleich herbeizuführen —- innerhalb gewisser Grenzen natürlich! — Sie hat es jedoch vorgezogen, sich und uns durch einen öffentlichen Skandal bloßzustellen, und hat mich damit gezwungen, aufs entschiedenste jede weitere Berührung mit ihr oder mit ihrem Bruder abzulehnen. Ich wiederhole, daß eine Ehrvergessene, die meinen Familiennamen über die Bretter einer Komödienbühne schleift, für mich nicht mehr vorhanden ist, und daß ich, soweit meine Macht reicht, jedem meiner Angehörigen verbieten muß, zu ihr direkt oder durch Mittelspersonen in irgend welche Beziehung zu treten. Wie ich danach über Deine höchst — nun, sagen wir höchst idealen — Forderungen denke, brauche ich Dir wohl nicht weiter auseinanderzusetzen."
„Und Du, Engelbert? Hast auch Du mir nichts weiter in dieser Sache mitzutheilen?"
„Nein, nicht das Mindeste! Es sei denn, daß ich Dir den guten Rath geben möchte, Dich bei Deinem Schützling um den Platz zu bewerben, auf den ich selber zu meinem Bedauern verzichten muß."
Er hatte den Kopf halb nach ihm umgedreht und in einem leichten, spöttischen Tone gesprochen, aber als er jetzt dem Blick Lothars begegnete, ließ ihn der unverkennbare Ausdruck tiefer Verachtung, der auf dem Gesicht und in den Augen seines Bruders lag, unwillkürlich verstummen. Auch der General schien mit der herzlosen, verletzenden Art seines jüngsten Sohnes nicht ganz einverstanden zu sein, denn er zog die Brauen zusammen und räusperte sich vernehmlich. Es gab ein kleines, unbehagliches Schweigen zwischen den Dreien; dann sagte Lothar, ohne die höhnische Aufforderung Engelberts einer Erwiderung zu würdigen:
„Ich muß den Zweck meines Besuches damit wohl als erledigt betrachten. Du wirst es verzeihlich finden, Vater, wenn ich nach diesem traurigen Verlauf unserer Unterredung entschlossen bin, meinen Fuß nicht mehr über die Schwelle Deines Hauses zu setzen."
„Wie? Du kündigst mir die Freundschaft? Um dieser koketten Person, um dieser hergelaufenen Komödiantin willen?"
Es war der plötzlichen Erregung des Generals anzumerken, wie unerwartet ihm die Erklärung Lothars gekommen war und wie empfindlich sie ihn getroffen hatte. Doch in den Mienen des Assessors prägte sich die eiserne Ruhe eines unerschütterlichen Entschlusses aus.
„Marie ist weder das eine noch das andere, Vater," entgegnen er, „aber ihre Tugenden und Fehler haben mit meinem Verhalten nichts zu schaffen. Ich fühle mich nur außer stände, vor den Augen der Welt die Formen brüderlichen Verkehrs zu beobachten einem Manne gegenüber, der jeden Anspruch auf die Achtung anständiger Leute verwirkt hat, und —"
„Unverschämter!" brauste der Dragoneroffizier auf, indem er Miene machte, auf ihn loszustürzen; doch der General rief mit starker Stimme dazwischen:
„Ruhe! Nicht gerührt! — Seid Ihr denn alle beide des