Illustriertes Lcrmilienblatt. - Begründet von Krnst Keil 1853.
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(7. Fortsetzung.)
Gin Wann.
Roman von Devnrrrnn Heibevg
Me Rechte Vorbehalten.
s war dunkle Nacht. Draußen am Himmel schoß gedankenschnell eine Sternschnuppe durch die unendlichen Raume. Auf den Feldern und Wiesen und Mooren lag's wie unheimliches Grauen; die Ruhe der Natur hatte etwas Furchterregendes, als müßte plötzlich alles sich verwandeln, die Stille tobender Gewalt weichen, der Himmel sich verfinstern, die Sterile verschwinden und der Sturm Hereinbrechen über die von zitternden Ahnungsschauern ergriffene Erde.
Bisweilen nahm wirklich der Wind einen stoßweisen Ansatz, verfing sich mit unheimlichem Rauschen in den Weiden am Uferrand der Moorlachen und stürmte durch die kahlen, gespensterhast um das Heidewirthshaus aufragenden Bäume. Und wenn er wieder innehielt, ginchs erst wie leises Beben durch die Natur, und dann war's, als ob sie zuckend den Athem allhielte, das Entsetzliche, das noch kommen werde, erwartend.
Zuletzt brach's wirklich los. — Ein Gewitter entlud sich, erhellte meilenweit die Gegend mit seinen Blitzen, llnd in dem fahlen, elektrischen Lichte glichen die Regenfäden einer straff gespannten Riesenharfe.
Die Fluth nistete sich ein in die Felder und Moore, füllte die Tümpel und Aus stichseen und knickte die letzten Halme auf der nackten, armseligeil Flur.
Drinnen im Heidewirthshaus aber lag in einem Hinterzimmer Jngeborg Elbe und schrie wie von Furien gepeinigt durch die Nacht, wollte aus dem Bett und zurück in das Moorgrab, aus dem sie wie durch ein Wunder errettet worden war.
Die Wirthin, eine hagere Frau mit stroh- 34
gelbem Haar, großen wasserblauen, dummen, aber guten Augen und langen, mageren, knochigen Händen, saß, vom Wachen erschöpft, neben der Kranken und rührte sich auch dann kaum, wenn jene ihre Fieberphantasieu laut austobte. Sie war müde zum Umfallen, und nach Art dieser Leute nahm sie das Schreckliche eben nur als etwas Unabänderliches, und ihre Gedanken gingen mehr auf ein „sanftes Ende" als auf Genesung.
„So wat sleit up de Nerfen un grippt all t Hart", hatte ihr Manu gesagt, der auf der anderen Seite des Hauses in einem kleinen, viereckigen, kahlen Raume mit kleinen Fenstern ohne Vorhänge sich niedergelegt hatte. Er schlief, als gäbe es weder Unwetter draußen, noch einer Sterbenden Wehruf in seiner Kate.
Endlich schlummerte auch die Frau ein. Wie durch Bleigewichte herabgezogeu, sanken ihre Lider; sie würde diesem Naturtrieb erlegen sein, selbst wenn Kanonen draußen ihre Schlünde geöffnet hätten.
In ihrem Bett jedoch richtete sich Jngeborg Elbe auf, suchte ihre
Gedanken zu sammeln und schaute mit irren Augen um sich.
Und da öffnete sich die Thür und es erschien Larsen mit sei nem furchtbaren Ge sicht, — und als sie unter dem Leuchten des Blitzes entsetzt den Blick fortwandte, stieg er neben ihrem Bett aus dem Fußboden empor, streckte die Arme aus und suchte sie zu würgen. Und da schrie die Fieberkranke so fürchterlich auf, daß die Bäuerin wieder erwachte.
Nun erhob sich das Weib, drückte mit aus druckslosem Gesicht die Kranke tief in die Kissen, ging in die Küche, holte Wasser und benetzte der Fiebernden Stirn, Waugen und Schläfen.
Elektrische Straßenbahn in Arernen.
Zeichnung von W. St öwer.