Heft 
(1890) 34
Seite
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Auch feuchtere, sie ein Handtuch an und legte es der Stöhnenden in den Nacken. Und nachdem dies geschehen, trat sie ans Fenster und spähte hinaus, bis eilt jäher Blitz, der das Gemach erhellte, die mit einem unwillkürlichen Schreckensruf Zusammeufahrende znrücktrieb. Es brüllte der Donner und heulte der Sturm und dem Weibe schauderte es; sie schob den Stuhl hinter das Bett der Urankett, dehnte die Glieder, gähnte, zog eilt Tuch dicht über Kopf und Angen und schlief von neuem ein.

Alten und Peter Elbe hatten Mühe, sich Einlaß in das ein­same Gehöft zu verschaffen, denn die Wirthsleute waren miß­trauisch, und erst nachdem sie sich genau über die Personett der späten Ankömmlinge vergewissert hatten, öffneten sie ihnen das Thor. Jngeborg war jetzt etwas ruhiger geworden, und Alten üeß Peter Elbe, der von Schmerz überwältigt an dem Lager seiner Tochter lautlos zusnmmengesunken war, bei ihr und fuhr, nachdem er noch befohlen hatte, daß der Arzt von Mückern ihm morgen itt Limforden selbst naherett Bericht über den Zustand der Kranken erstatte, etwas beruhigter nach dem Gute zurück, wo Bianca in großer Angst seiner harrte.

Am kommenden Tage fand sich auch der Doktor dort ein und erzählte ausführlich, wie und wo er Jngeborg gefunden habe. Bianca wohnte diesem Gespräch bei, und als der Arzt, ein Mann, der, unter dem Seevolk ausgewachsen, auch das Aussehen eines See­mannes besaß und durch auffallend blondes Kopf- und Barthaar und Hellblatte Angen den Bewohner des Nordens verrieth, geendigt hatte, erbot sie sich sogleich, selbst nach dem Heidewirthshaus zu fahren und nach Jngeborg zu sehen.

Diesem Vorschlag stimmte der Doktor, in aufrichtiger Sorge um die Kranke, lebhaft zu und empfahl sich mit dein Versprechen, jeden anderen Tag nach der Leidenden zn sehen.

Zum Glücke erwiesen sich seine weiteren Besuche bald als überflüssig. Nach wenigen Tagen schon hatte die Kranke sich unter Biancas Pflege soweit erholt, daß sie nach Trollheide gefahren werden konnte, wo ihre Besserung rasche Fortschritte machte.

Die Nachrichten, die über Jngeborgs Befinden einliefen, wirktet! sichtlich erheiternd auf die Stimmung in Schloß Snarre. Namentlich gewann Dina, welcher der Kummer um die Freundin am nächsten gegangen war, rasch ihren früheren Frohsinn wieder und wurde nicht müde, des Grafen Kavalierdienste in Anspruch zu nehmen.

Das Leben, das Graf Snarre seinen Gästen bereitete, war das denkbar angenehmste. Morgens richtete sich jeder nach seiner Bequemlichkeit ein und nahm das erste Frühstück in seinem Zimmer. Das zweite aber fand an gemeinsamer Tafel statt, und bei dieser Gelegenheit wurden die Pläne des Tages besprochen.

Um das Mißverhültniß in der Anzahl von Herren und Damen auszugleichen, lud Graf Snarre Bekannte aus der Umgegend zu mehrtägigen! Besuch ein, sorgte für stete Abwechselung und hielt namentlich darauf, daß sich abends fast immer ein gewählter Kreis zusammenfand. Um zwölf Uhr morgens ward das zweite Früh­stück, um halb fünf Uhr das Mittagessen aufgetragen; um neun Uhr folgte Thee und ein Nachtmahl, und vor zwölf Uhr ging man selten zur Ruhe.

Memals aber übte Graf Snarre Zwang auf seine Gäste aus. Wollte der eine oder andere sich ansschließen, so war ihm dies durchaus freigestellt, und es kam auch einigemale vor, daß die alte Gräfin und Frau Erwins, abends nicht mehr erschienen. j

Dina konnte sich kein größeres, keinhimmlischeres" Ber- ^ gnügen denken, als vormittags anszureiten. Wenn sie die ge- ^ sattelten und den Erdboden mit den Hufen scharrenden Pferde vor ^ dem Schloß erblickte, klopfte ihr das Herz, und wenn gar Graf ! Snarre sich ihr anschloß oder sie ein bißchenpachtete", wie sie ^ sich ausdrückte, war sie überglücklich. Es kam ihr trotzdem gar ! nicht in den Sinn, daß sie irgend einen Eindruck auf ihn machen ^ könnte, da ihre schöne, kluge Schwester auf der Welt war. Aber ^ warum sollte nicht von den Huldigungen, die jener zugedacht ^ waren und von ihr Dina ahnte wohl, warum verschmäht wurden, ein Stückchen für sie abfallen!

l2.

An einen! Vormittag der zweiten Woche nach dem Eintreffen der Familie Erwins machte sich Alten, um geschäftliche Angelegen­heiten mit dem Graten zu ordnen, nach Snarre auf den Weg.

Seine Frau sollte auf des letzteren Wunsch später Nachfolgen. Es waren Anfragen wegen sehr bedeutender Bretterlieferungen aus ^ Hamburg eingegangen, und ein Zwischenhändler wünschte in An ! betracht des ungewöhnlich großen Postens eine Ermäßigung des angesetzten Preises. Auch hatte ein Geschäftsmann in Fünen wegen Lieferung von einigen Millionen Trvllheider Torf angefragt, und es schien vielleicht erforderlich, mit diesen! persönlich zu verhandeln.

Graf Snarre, der einen stark ausgeprägten Erwerbssinn besaß, nahm dergleichen Meldungen stets mit sehr willigen! Ohr auf.

Als Alten auf den Schlvßhof von Snarre fuhr, sah er vor­der Schloßtreppe zwei gesattelte Reitpferde, die der Stallknecht langsam auf und ab führte, und nun eben trat Graf Snarre mit Dina Erwins ans der Halle heraus.

Ah, lieber Direktor!" rief der Graf freundlich, als er Altens ansichtig wurde.Ich hole Ihre Verzeihung ein, daß ich gegen unsere Abrede nicht gleich zu Ihrer Verfügung sein kann. Bitte, machen Sie sich's in der Bibliothek bequem, Morten wird Früh­stück auftragen gestatten Sie, daß ich nach der Rückkehr mit Ihnen über unsere Geschäfte plaudere. Ich muß" - - dieses Wort betonte Snarre und sah lächelnd auf Dina, die mit er­wartungsvollen Augen dastandmit Fräulein Ericius nach der Kegler Höhe reiten. Sie wills, sie hat's befohlen, und da ist nichts, nichts zu machen!"

Mit einen! schelmischen Seitenblick belohnte das junge Mädchen Snarres artige Rede, auf welche Alten mit einem ehrerbietigen: Ich bitte gehorsamst, Herr Graf," erwiderte. Und nun fügte auch Dina eine von einem warmen Händedruck begleitete Ent­schuldigung wegen der durch sie hervorgerufenen Aenderung der Abrede hinzu.

Als jene fortgeritten waren, erfuhr Alten von Morten, daß Susanne wegen einer Unpäßlichkeit das Zimmer hüten müsse, und daß sie am heutigen Tage vielleicht überhaupt nicht erscheinen werde.

Inzwischen trabten Graf Snarre und Dina über den gut­erhaltenen Landweg ihren! Ziele zu. Das Mädchen sah mit ihren gesunden Farben reizend aus. Die Freude an dem Ausflug strahlte aus ihren Augen und Mienen, und je schärfer die Thiere anshvlten, desto größeres Vergnügen legte sie an den Tag.

Ah!" rief sie.Reiten, Reiten ist himmlisch! Ich möchte schon deshalb immer auf dem Lande leben!"

Bei diesen Worten ging ein lebensprühender Athem aus ihrem Munde, und ihre leichten, elastischen Bewegungen verriethen die Gesundheit ihres Körpers und die unverdorbene Fröhlichkeit ihrer Seele.

Snarre sah auf seine vergnügte Nachbarin und fühlte sich in besonderer Weise von ihr angezvgen. Und weil er das Be- dürfniß fühlte, ein längeres Gespräch zu beginnen, schlug er vor, das Tempo zu mäßigen und die bereits warm gewordenen Thiere im Schritt gehen zu lassen.

Sie würden aber doch mancherlei entbehren" begann er, an das früher Gesagte anknüpfendwenn Sie den Aufent halt in der Stadt gegen das Land vertauschten. Rechte Ab­wechselung kann nur jener bieten, und ich denke mir, daß eben Sie sich nicht in einem einförmigen und geräuschlosen Leben glücklich fühlen würden."

Doch wenn ich liebe Menschen nun mich hätte, wäre mir jeder Ort recht. Nur einigen kleinen Liebhabereien vermag ich nicht zu entsagen; die kann ich nicht entbehren. Ich liebe leiden schaftlich Hunde, Apfelsinen und, recht lange in einem weichen, warmen Bette zu schlafen."

Snarre lachte über diese sonderbare Zusammenstellung laut auf, aber dies Durcheinander und die kindliche Art, in der es vor­gebracht wurde, inachten ihm außerordentliches Vergnügen.

So? Also das würde genügen?" forschte er neckend.Welche Hunderasse, wenn ich bitten darf -- und welche Apfelsinen?"

Ich schwärine für Tekkel und die Apfelsinen müssen in Messina, gleich links auf dem Berge der Glückseligen, ge­wachsen sein."

Hm!" machte Snarre, sichtlich belustigt.Und wie müßten die Menschen aussehen? Welche Eigenschaften wären an ihnen erforderlich?"

Natürlich müssen sie," ging's rasch aus Dinas Munde,in erster Linie gut und luftig sein und, wenn möglich, auch hübsch. Ich kann mir nicht helfen: für häßliche Menschen vermag ich mich nun einmal nicht zu begeistern."