Heft 
(1890) 34
Seite
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Da werden Sie also Ihre Frau Schwester sehr lieb haben?"

Ja! Nicht wahr, sie ist sehr hübsch, die verflossene > Utzlar?" platzte Dina drollig heraus.

Wie Sie das sagen! Ich sehe schon, daß Ihnen sehr viele Kobolde im Nacken sitzen. Man muß sich vor Ihrem Spott hüten!"

Nein!" entgegnete Dina treuherzig.Ich mag niemand wehethun, und wenn ich einmal jemand liebhabe, wie zum Beispiel : die arme Jngeborg Elbe, bringe ich ihm gern jedes Opfer." :

Beneidenswerth also, von Ihnen geliebt zu werden!" i

Dina bewegte verlegen den Kopf und suchte mit der Reit- ! gerte ihrem Fuchs eine Fliege zu verscheuchen. Dann sagte sie: !

Nein ich glaube nicht, denn ich bin sehr anspruchsvoll. ^ Ich gebe alles, was ich zu geben vermag, aber ich verlange ^ auch viel!"

Eigentlich ganz in der Ordnung!"

Ja, so sollte man meinen. Aber ich sah's doch bei Susannen, ! wie schwer es ist, daß Menschen zusammenpassen. Ich begreife ^ nicht, daß sie Utzlar nicht schon früher durchgebrannt ist."

Dies Wort befremdete Snarre, und doch fand er, daß es ganz zu Dina passe. In der Anwendung solcher burschikosen Redensarten, die sie auf den Bällen von den Studenten gehört haben mochte, lag noch etwas Unverdorbenes, das ihn anzog. Aber er sagte doch:

Das ist kein hübsches Wort, mit Verlaub, Fräulein Dina!"

Ne! Jst's auch nicht" gab sie kurz und harmlos zurück. Mama schilt fortwährend, daß ich noch wie sie sagt so jungenhaft bin. Ich möchte manches gern abstreifen, aber ich habe so wenig Talent zu gewissen Tugenden. Danke übrigens, Herr Graf, daß Sie mich ein wenig erziehen! Bon Ihnen mag ich's gern hören."

Das ist ja eine große Schmeichelei für mich! Ich stand eigentlich unter dem Eindruck, daß Sie nur Ihrer Schwester zu­liebe mit nach Snarre gekommen seien."

Dina sah den Grafen mit großen Augen an.Der ver­flossenen Utzlar zuliebe?" stieß sie dann mit spitzem Munde und mit ihren reizenden Schmolllippen heraus.Ne ich kam doch, weil weil"

Nun?"

Weil Sie uns alle in so liebenswürdiger Weise (ungeladen haben und weit . . Jetzt erröthete sie.

Weil?" fragte Snarre eindringlich und im Augenblick ganz bezaubert voll dem Wesen des Kindes.

Dina zuckte die Schultern und hielt die Augen gesenkt. Es stand darin:Bitte, frage-mich nicht!"

Nun ritten sie eine Weile stumm neben einander her. Aus dem Gebüsch der Wälle drängten sich die anmuthig geformten Blüthen des Geißblatts, und zahlreiche scholl zur Härte ansetzende Haselnüsse kämpften sich aus den grünen Kelchen hervor. Ein Rothkehlchen saß auf einem schwankenden Zweige, und zwischen dem Laub haschten sich mit zankendem Zwitschern andere kleine Böget.

Da der Weg eben eine Biegung machte, befanden sich Snarre lllld Dina hier gleichsam abgeschlossen von der Welt. Die hohen Knicke verhinderten einen freien Blick über die Gegend.

Jetzt hob Snarre wieder an lllld sagte:Sie äußerten vorhin, daß Sie gute und lustige Menschen besonders lieben. Ich kenne zwei Personell, voll denen ich weiß, daß Sie beiden sehr zugethan sind, und die doch sehr ernste Naturen sind. Also die fröhliche Laune muß nicht allein den Ausschlag geben!?"

Nun, und wen, Herr Graf?"

Tromholt ilnd Jngeborg Elbe."

Ja, Sie haben recht. Aber eben diese Eigellschaft entbehre ich auch an ihnen. Freilich"

Freilich?"

Beide haben Ursache, ernst zu sein. Wenn die Verhältnisse anders liegen würden, wären sie auch gewiß lebensfroher. Trom­holt liebte meine Schwester,, und sie ließ ihn ablaufen ah, da brauche ich wieder einmal einen so häßlichen Ausdruck; ver­zeihen Sie! und Jngeborg Elbe na, bei der ift's doch auch etwas mit dem Herzen. Der Larsen muß ein gräßlicher Mensch sein!"

Snarre, der absichtlich dem Gespräch diese Wendung gegeben hatte, hörte die ersten, aber kaum die letzten Worte, nickte mit dem Kopfe und sagte dann, gleichsam nur um etwas zu erwidern:

Und Ihre Schwester hat ihre Ablehnung nie bereut glauben Sie?"

Ja, ich weiß nicht; ich werde aus Susanne nicht recht klug," gab Dina treuherzig zurück.Neuerdings" nnn stockte sie, da sie sich der Bedeutung ihrer Worte bewußt wurde - - neuerdings kommt's mir so vor, als ob sie --- ob sie " Und dann fügte sie mit fast kindlicher Auflehnung hinzu:Ach, das kann ich Ihnen ja nicht so sagen."

Weshalb nicht, da mich doch alles, was die Ihrigen be trifft, sehr lebhaft berührt, Fräulein Dina?"

Nun ja ich meine ich glanbe, daß Susanne jetzt bereut, daß sie Tromholt nicht geheirathet hat, daß sie ihn jetzt obgleich -"

Sie wollen mir nicht alles sagen?" forschte Snarre und griff, da in diesem Augenblick zufällig Dinas Fuchs mit den Vorderbeinen stolperte und den Staub der Landstraße hoch aus wirbelte, dem Pferde mit rascher Bewegung in den Zügel.

Aber durch diesen Zwischenfall ward das Gespräch unterbrochen, und es fand sich später keine rechte Gelegenheit, es wieder aus das Gebiet vertraulicher Eröffnungen zurückzusühren.

Snarre aber sah bestätigt, was er gefürchtet hatte: Susanne war mit ihren Gedanken bei Tromholt, und er hatte nichts von ihr zu hoffeil.

Als Snarre und Dina auf das Gut zurückkehrten, wurde dein ersteren mitgetheilt, daß Frau von Mell scholl eingetroffen sei und sich mit den übrigeil Damen zu Susanne begeben habe, die Herren aber im Billardzimmer bei einer Partie beschäftigt seien.

Morten hatte jedoch noch etwas anderes mitzutheilen, und dies erregte den Grafen im höchsten Grade. Alls Trollheide war die Nachricht eingetroffen, daß der alte Elbe mit Larsen in Mückern zusammengetroffen sei, und daß zwischen ihnen ein Kampf auf Leben und Tod stattgefnnden habe. Elbe liege schwer verwundet danieder, und sein Zustand gebe zur größten Besorgniß Ver­anlassung.

Snarre schüttelte mißmuthig den Kops. Immer war etwas, jeden Tag! Seitdem er die Ericiusscherr Besitzungen übernounueu, hatte es kaum eine Woche gegeben, in der Alten nicht über Widerspenstigkeit oder Krankheit der Arbeiter, Beschädigung und dadurch hervorgerufenen zeitweiligen Stillstand der Maschinen, Ungelegenheiten bei den Frachtverladungen, geschäftliche Verdrieß­lichkeiten mit der Kundschaft oder sonstige Unliebsamkeiten zu be richten gehabt hatte.

Freilich, das war einmal nicht anders in großen Geschäfts­betrieben, aber Snarre stand doch bisweilen unter dem Eindruck, als ob er besser gethan hätte, sich auf die ganze Sache nicht einzulassen. Zudem wurden seine eigentlich und ursprünglich damit verbundenen Zwecke nicht erreicht!

Durch das Gespräch mit Dina war's ihm nun beinah zur Gewißheit geworden, daß Susannens Liebe zu erwerben ein ganz vergebliches Bemühen sein werde.

So kam er denn in recht gedrückter Stimmung zu Tisch, die noch verschlimmert wurde, als sich Susanne auch für den übrigen Theil des Tages entschuldigen ließ. Die Fröhlichkeit in dem kleinen Kreise war künstlich, ja, es ruhte ein so ungemütlicher Druck auf der Gesellschaft, daß Alten nach Tisch und nach Erledi gung seiner Geschäfte mit dem Grafen Bianca beiseite zog und ihr zuflüsterte, sie möge ein Kopfweh vorschützen, damit sie sich ent fernen könnten. -

Eine verdammt hochmüthige Art ist einmal diesen Hoch gebornen eigen und von ihnen unzertrennlich" stieß er, seiner leichtbereiten scharfen Kritik nach gebend, heraus.Snarre macht mich fast verantwortlich, daß der alte heißblütige Elbe Larsen au die Kehle gesprungen ist, auch beuutzte er die Gelegenheit, sich über die ,fortwährenden Verdrießlichkeiten', die ihm die Werke bereitetem anszulassen. Wenn ich nicht auch gute Nachrichten in der Tasche gehabt hätte, würde er mir womöglich schon heute einen Vier­spänner zur Verfügung gestellt haben, um anderweitig mein Glück zu versuchen."

Aber Bianca redete ihrem leicht aufbrausenden Manne zu: Ueberall ist etwas, Lieber! Beruhige Dich! Morgen wirst Du die Dinge in einem anderen Lichte ansehen, und wer weiß, was den Grafen beschäftigt! Vielleicht hängt's mit Susanne zusammen! Ja, ich glaube es fast. Denke also, Du seiest gar nicht ge­meint, und nimm die Sache unpersönlich-- Im großen und