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ganzen mußt Dn doch einränmen, daß der Graf in Anbetracht ! der Standesvorurtheile, in denen er aufgewachsen ist, ein un- befangen denkender und liebenswürdiger Mann ist. Er giebt sich, ! wie er ist, und hat niemals Hintergedanken."
Aber Alten bestand doch auf seinem Willen. „Glaube mir, ! Bianca, es ist besser, wir gehen! Ich kenne den Grafen. Gerade, weil ! ihn möglicherweise diese Dinge beschäftigen, möchte er mit sich allein > sein. Wenn wir gehen, ziehen sich die übrigen sicher schon vor ^ dein Abendessen zurück, und das entspricht seinen Wünschen."
Und so geschah's denn, wie Alten wollte, und Graf Snarre ^ machte auch nur äußerlich Einwendungen. ^
Zn Snarres Freude war Susanne schon am nächstfolgeu- ! den Tage wiederhergestellt und schien sogar an guter Laune ge- ! Wonnen zu haben. Die nächste Zeit verlief in angenehmster ! Weise, und gegen Ende der Woche entsprachen Susanne und Dina auch einer Einladung Mens zu einem Besuch in Trollheide, , wohin sich derselbe wegen der eingetretenen Vorkommnisse begeben hatte. Die Ericiusschen Damen kannten den Besitz eigentlich nur vom Hörensagen und waren sehr gespannt, das 'frühere Eigen- ^ thum ihres Vaters kennenzulernen. Dina ward noch von dem ^ besonderen Wunsch geleitet, ihre arme, inzwischen aus dem Heide- wirthshaus nach Trollheide hinübergeschafste Freundin Jngeborg ! wiederzusehen. Deren Zustand war indessen noch immer derart, daß - Ulan ihr das in Mückern Vorgefallene hatte verheimlichen müssen.
Graf Snarre benutzte die Abwesenheit der jungen Damen, ! inn selbst in die Umgegend zu fahren und eine Anzahl befreundeter ! Familien zu einem Balle einzuladen. Mit einem solchen wollte er ^ Susanne und Dina überraschen. Er hatte deshalb auch den Wünschen ^ seiner Gäste ein bereitwilliges Ohr geliehen, und es war die Abrede ^ getroffen, daß die Rückkehr am Spätnachmittage des zweiten Tages i erfolgen und der Graf die Damen aus Limforden abholen sollte, j
Alles verlief nach Abrede. Mit einem Vierergespann fuhren ^ Susanne und Dina morgens in der Frühe nach Limforden ab ^ und machten sich, nach einem dort eingenommenen Frühstück, in ! Begleitung Biancas nach Trollheide auf den Weg. !
Als sie durch die sonnenbeleuchtete Herbstlandschaft fuhren, ! wurden Biancas Erinnerungen an ihren Bruder sehr lebhaft; sie > erzählte auch viel von ihm und dem damaligen Aufenthalt, und I Susanne hörte ihrem Bericht mit größter Aufmerksamkeit zu. ! Neben dem Bedürfniß, über Richard zu sprechen, leitete Bianca ^ heute einmal der Wunsch, den Eindruck ihrer Worte auf Susanne ! zu beobachten, und sie erreichte, was sie beabsichtigte. i
Kurz vor Mittag und noch vor Ankunft der Damen in Trvllheide trat eine unerträglich schwüle Luft ein. Am Himmel thürmten sich dunkle Wolkengebilde auf, und ein heißer Wind fuhr in kurzen Absätzen über die langgedehnten Moorstrecken.
Da Bianca einen stärkeren Regenniedergang fürchtete, hieß sie den Kutscher möglichst schnell fahren, und es gelang auch, Trollheide ohne Fährlichkeiten zu erreichen.
Alten stand bei ihrer Ankunft auf dem Hofe und schwenkte ein weißes Tuch:
„Willkommen, willkommen in Trollheide, meine sehr verehrten Damen!" rief er fröhlich. „Ihr Erscheinen vertreibt mit einem Schlage alle Trübsal. Bitte, die Zimmer im Hause sind instand gesetzt, und das Esten wird sogleich aufgetragen werden. — Der Himmel? Nein, der thut uns heute nichts, denke ich. Ich rechne sogar sehr daraus, daß wir am Nachmittage auf die Moore hinausfahren, und Fräulein Elbe — allerdings, es geht etwas besser, wenigstens so gut, daß sie für kurze Zeit Menschen sehen kann, — hofft sehr aus Ihren freundlichen Besuch."
Nach dem Mittagessen begaben sich die Damen zunächst zu Jngeborg. Das Wiedersehen mit der Kranken, die matt und bleich im Lehnstuhl saß, war ein sehr bewegtes.
Dina ward durch das veränderte Aussehen der Freundin so ergriffen, daß ihr wiederholt Thränen in die Augen traten. Es schien, als sei das arme Mädchen völlig geknickt; von der schönen Jngeborg war nur der Schatten zurückgeblieben.
Noch immer stand Larsens Bild wie ein Schreckgespenst vor ihrer Seele, ja neuerdings trat es sogar zeitweise wie körperhaft vor ihr Auge, sodaß sie plötzlich laut aufschrie und nach Hilfe für sich und ihren Vater begehrte. Diese Anfälle schrieben sich von dem Tag ihres ersten auf Anrathen des Arztes unter
nommenen Ausganges her. Nur wenige Schritte hatte sie ohne Begleitung im Garten gemacht, als sie bleich und zitternd zurückkehrte, ohne indessen einen Grund für diese plötzliche Beunruhigung angeben zu können. Doch war sie seitdem durch kein Zureden mehr zu bewegen gewesen, das Haus zu verlassen, und ihre durch furchterregende Vorstellungen gehobene Seelenangst kehrte wieder, sobald sie allein war.
Daß Larsen sich jetzt noch in der Gegend befinde, hielten die Gutsleute, soviel sie auch sonst dem gewaltthätigen Kapitän zutrauten, einstimmig für eine Unmöglichkeit. Der rothe Jeppe war von den Gendarmen bald nach dem Anschlag auf Jngeborg gefaßt worden, hatte erst alles geleugnet, dann aber sich als das unschuldige Opfer von Larsens Verführung hingestellt und dessen Versteck in Mückern dem Gericht verrathen. Dort wäre dieser auch zweifellos festgeuommen worden, hätte nicht des alten Brausekopfs Elbe eigenmächtiges Eingreifen die Vorsicht der Gendarmerie durchkreuzt und Larsen in dem Augenblick aus der Schlinge befreit, als sie sich eben um seinen Hals zusammenzuziehen drohte. Nun hatte aber Larsen auch den Alten, aus dessen noch immer kräftigen Fäusten er sich durch einen Messerstich gelöst, auf dem Gewissen, und die Strafe, die auf diese That stand, war eine weit schwerere, als er sie für sein erstes Verbrechen zu gewärtigen hatte. Seine Spur war seitdem verloren; zwar hatten die Behörden Beschlag auf sein Schiff gelegt und sein Signalement nach den benachbarten Hafenplätzen, wo er etwa fremden Dienst hätte suchen können, gesandt, aber trotzdem zweifelte niemand daran, daß es dem geriebenen Fuchs doch noch gelungen sei, sich ein Loch offen zu halten, und daß er jetzt wohl schon weit draußen auf hoher See schwimme, um nicht so bald wieder in sein Vaterland zurückzukehren.
Jngeborgs Angst aber erklärte der Arzt für eine Folge der furchtbaren Nervenerregung, die sich ihrer in jener Nacht im Moor bemächtigt hatte. Nur mit der Zeit und unter dem Einfluß einer anderen Umgebung werde sie sich legen.
Wer aber in Jngeborgs Herz hätte sehen können, der wäre wohl zu anderen Schlüffen gekommen. Sie hatte einen guten Grund für ihre Angst, den sie jedoch, da sie von den jüngsten Ereignissen in Mückern nicht unterrichtet war, aus Besorgniß für
> ihren Vater den andern verschwieg. —
> Larsens Leidenschaft für das Mädchen war durch das Mißlingen I seiner Anschläge nur gesteigert, ja bis zur Raserei entfacht worden.
! Nachdem er einmal den Weg der Gewaltthat betreten hatte und,
^ von den Gerichten verfolgt, als Geächteter hernmirrte, bebte er auch
! vor dem Aeußersten nicht mehr zurück. Das Mädchen war sein 1 Eigenthum, ihm von Jugend auf zugesprochen, daran klammerte
> er sich mit der ganzen Zähigkeit seines Charakters, und daß ein ! anderer ihm dieses Eigenthum rauben könnte, erhöhte ihm nur dessen
Werth und erfüllte ihn mit namenlosem Ingrimm. Sein Schiff, sein ! Vermögen konnten sie ihm nehmen, aber sie nicht. Er mußte fliehen in ein anderes Land, einen andern Welttheil, ja, das wollte er,
! aber nicht ohne sie, nicht, wenn sie hier lebend zurückblieb. Daß ein anderer sie, sie einen anderen lieben könnte, der Gedanke hatte ! wie ein Blitzstrahl sein arbeitendes Gehirn erleuchtet. Lange ^ hatte er über die erst kaum begriffenen Gründe ihrer Entfremdung ' von ihm nachgegrübelt; seine Untreue konnte ihr verrathen worden ! sein, wohl; aber dieser Umstand war in seinen Augen nicht be- ! deutend genug, um ihre plötzliche Flucht am Hochzeitstag zu erklären, j Er vergegenwärtigte sich noch einmal die Ereignisse dieses Tages,
! und da erkannte er die Wahrheit. Waren denn nicht an jenem ! Morgen mit dem alten Elbe der Direktor von Limforden und j dessen Schwester als unerwartete und ungebetene Gäste zu Mückern ^ im Hause seiner Mutter eingetroffen, hatten sie nicht Blicke mit ^ einander gewechselt, sonderbare Blicke, die er damals nicht verstand und auch nicht weiter beachtete, und hatte nicht während eines ! Gesprächs über das Seemannsleben, in das ihn, Larsen, der Direktor- verflochten, Jngeborg ihre Flucht bewerkstelligt? — Ja, so war i es, und das alles war ein abgekartetes Spiel zwischen ihnen ge- ! wesen, seine Wachsamkeit zu täuschen, ein Spiel, dem sogar der alte Elbe, der seines gegebenen Worts gern auf irgend eine Weise ^ quitt geworden wäre, nicht fern stand. Auch über die Richtung ihrer Flucht hatten jene ihn getäuscht, zu Tromholt nach Trollheide, war sie geflohen; natürlich, sie kannte ja den Weg dorthin oder nach Limforden, sie hatte ihn früher schon gemacht, früher - - ja — und vom daher kam ihre Entfremdung. Wie hatte er, Larsen, nur so blind sein können! Tromholt hatte sie ihm entrissen, Hromholt liebte