Heft 
(1890) 38
Seite
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Jngeborg hatte während dieser Erzählung mehrmals die Farbe gewechselt, und als Tromholt geendet hatte, da löste sich die Spannung ihres Gemaches in einem heißen Thränenstrom. Laut schluchzend schnellte sie empor.O mein Retter!" rief sie.Gott sei gepriesen, daß er Sie aus den Händen dieses Teufels be­freit. hat!"

Tromholt sprach tröstend auf die Erschütterte ein.Be­ruhigen Sie sich, Ihre Gesundheit ist solchen Aufregungen nicht gewachsen. Sie schaden sich, Jngeborg, und ich verdiene nicht solch überschwänglichen Dank."

Er zog die Widerstrebende empor, sie schwankte, er mußte den Arm um sie schlingen, einen Augenblick ruhte sie an seiner Brust, und ihr feuchtes Auge tauchte sich, jetzt von fast über­irdischem Glanz erfüllt, tief in das seine.

Nein, nein," flüsterte sie mit gebrochener Stimme.Und wenn ich daran sterben müßte, ich bin so glücklich so glück­lich"

Ein jäher Hustenanfall erschütterte den zarten Körper, kraftlos und todesbleich sank das Haupt zurück. Tromholt rief erschreckt nach Hansine, er selbst trug die Kranke auf den Armen nach ihrem Lager, der Arzt mußte gerufen werden, er besorgte einen Blutsturz, und die ganze Nacht saß Tromholt im Nebengemach, angstvoll den schweren Erstickungsanfällen lauschend, von denen Jngeborg heimgesucht wurde und die jeden Augenblick das Schlimmste befürchten ließen. Erst gegen Morgen trat eine leichte Besserung ein, und nun suchte auch Tromholt die Ruhe auf, deren er nach den vorhergegangenen Geschehnissen so bedürftig war.

17 .

Die geschilderten Ereignisse machten es Tromholt in der nächsten Zeit unmöglich, den Plan einer Reise nach Limforden zur Ausführung zu bringen. Aber auch die Nachrichten, die er von dort erhielt, waren keine erfreulichen; das Nerhältniß zwischen Alten und Snarre verschlimmerte sich von Tag zu Tag, und Bianca gab ihrer Besorgniß für die Zukunft gegen den Bruder unverhohlenen Ausdruck. Sie erbat seinen Besuch, sobald es nur immer möglich sei.

Jugeborgs Zustand war seit jenem Abend ein höchst bedenk­licher, der nach der Ansichr des Arztes ebensowohl noch Monate sich Hinschleppen, als zu einer plötzlichen Katastrophe führen konnte. Utzlar befand sich auf dem Weg der Genesung, aber es war zu befürchten, daß ein paar Finger der verletzten Hand steif bleiben würden. Um so mehr fühlte sich Tromholt verpflichtet, für die Zukunft des Menschen, ohne dessen Dazwischentreten er sicherlich ein Opfer von Larsens Rachsucht geworden wäre, sorgend bedacht zu sein. Seine verschiedenen Besuche bei dem Kranken hatten ihn auch in nähere Berührung mit dessen Braut Agnes gebracht, und er hatte sich dabei in einer jedes fernere Mißtrauen ausschließenden Weise von dem ehrbaren Charakter, dem treuen, selbstlosen Wesen des Mädchens überzeugt, das Utzlar zu seiner Frau machen wollte. Darum Lhat Tromholt jetzt auch alle Schritte zur Verwirklichung jener japanischen Pläne, an deren Werth er nach den eingezogenen Erkundigungen nicht länger zweifeln konnte, und er dachte daran, auch den Grafen Snarre für diese Sache, wie überhaupt für Utzlars ferneres Schicksal zu interessiren und seine Großmuth zu Gunsten seines gebesserten Standes­genossen in Anspruch zu nehmen.

Zu all den Sorgen um andere gesellte sich für Tromholt in dieser Zeit auch noch eine, die ihn selbst betraf. Er fühlte eine zunehmende Abschwächung der Sehkraft seines gesunden Auges, ja, nach großen Anstrengungen im Lesen und Schreiben, wie sie das Geschäft mit sich brachte, trat oft plötzlich eine völlige, wenn auch stets wieder vorübergehende Abstumpfung des Sehnervs ein. Der Arzt, den er über solche Erscheinungen befragt, hatte mit Bedenken nicht zurückgehalten und ihm unbedingte Schonung des angegriffenen Organs empfohlen, wenn anders er sich nicht der Gefahr aussetzen wollte, blind zu werden. Blind! Welch' ein furchtbarer Gedanke! Aber wie vertrug sich die empfohlene Schonung mit dem rastlosen Geist dieses unermüdlich schaffenden Mannes, der nur in der Arbeit das Ziel seines Lebens sah!

Tromholt hatte eben eine Besprechung mit einigen Geschäfts­freunden auf seinem Bureau, als Hausine, das Dienstmädchen, ganz bestürzt und noch athemlos vom schnellen Gehen bei ihm eintrat.

Herr, Herr!" rief sie.Es steht schlimm mit Fräull Elbe. Ich bin fvrtgelaufen, es Ihnen zu sageu, der Husten ist wiet gekommen und die Athemnoth, und es ist, als ob sie ersticl wollte."

Tromholt erschrak heftig.

Eilen Sie sogleich zum Doktor Tyrup," befahl er,u bitten Sie. ihn, sich so schnell wie irgend möglich zu Fräull Elbe zu bemühen. Ich werde bald folgen."

Dann sprach er, gewaltsam die Gedanken dem Nächstliegend wieder zuwendend, in gewohnter Ruhe und Sachlichkeit mit d Herren, verständigte sich mit ihnen über die in Frage kommend Gegenstände, gab noch verschiedene Anweisungen in den Burea und nahm dann- es war inzwischen Mittag geworden - eile den Weg nach Hause.

Er fand bei seinem Eintritt die Dienstboten in großer 6 regung. Sie theilten ihm mit, daß der Arzt sich sehr besw geäußert und versprochen habe, gegen Abend wiederzukomm Tromholt ging, tiefbewegt durch diese traurige Wendung Jugeborgs Befindeil, sinnend in seinem Zimmer auf und ab u ließ endlich, um seiner Unruhe Herr zu werden, die Kranke frag ob er sie besuchen dürfe.

Er sah sie auch auf Augenblicke und war erschrocken ül die Veränderung, welche sich in so kurzen Stunden in ihr Aussehen vollzogen hatte. Die Farbe ihres Angesichts, seit , Krankheit in Trollheide immer bleich und durchsichtig, war n kreideweiß, und ein röchelnder, mit großer Reizbarkeit Verbundei Husten erschwerte ihr das Sprechen.

Meine arme Freundin," stieß Tromholt hervor und v hüllte dichter das Fenster des Gemaches, da das Licht, sich hereindringend, Jugeborgs Augen anzustrengen schien.Kann irgend etwas für Sie thun?"

Jngeborg Elbe richtete einen matten, dankbaren Blick c Tromholt und schüttelte sanft das Haupt. So viel lag auf ihr Herzen, so viel hatte sie ihm zu sagen! Ihr ahnte, daß sie 1 Krankenzimmer nicht wieder verlassen werde, und furchtbare Quw zogen durch ihre Brust.

Tromholt wußte, was in ihr vorging. Er wäre gern ihrer Nähe geblieben, allein er fürchtete, die Bewegung, in die sein Anblick versetzte, möchte ihr schädlich sein, und so wandte sich nach kurzem Aufenthalt wieder zum Gehen.

Ich sende Ihnen eine zuverlässige und in der Krankc behandlung erfahrene Pflegerin," sagte er, die Weiße, magere Ha der Kranken ergreifend und eine Weile in der seinen Haltei Und nun denken Sie an nichts als an Ihre Gesundheit. (Z müssen wieder lebensfrisch werden, Jngeborg, und Sie werb es auch gewiß. Ich habe keinen innigeren Wunsch als den, ^ wieder kraftvoll und fröhlich zu sehen."

Ein heißer Thränenstrom löste sich bei diesen Trostwort aus Jugeborgs Augeu. Der ganze furchtbare Schmerz, der i Inneres dnrchwühlte, kam zum Ausdruck. Tromholt aber neb tiefbewegt das Haupt und entfernte sich.

Als er in sein Zimmer zurückkehrte, fand er einen an sei Privatadresse gerichteten Brief von seinem Schwager Alten vi dessen Inhalt seine Sorgen abermals vermehrte.

Alten meldete, daß Bianca sich einen sehr schmerzhaften O lenkrheumatismus zugezogen habe und unfähig, ein Glied bewegen, im Bette liege. Ferner theilte er mit, daß Graf Sncn ihm auf seine sämmtlichen letzten Berichte, die wichtige und z gleich rasch zu erledigende Anfragen enthielten, mit keiner Si! geantwortet habe, und daß er, abgesehen von der Aufregung ül diesebodenlose Rücksichtslosigkeit", infolge dessen gar nicht wis was er thun solle. Er habe schon nicht übel Lust gehabt, Sucn die ganze Geschichte kurzweg vor die Füße zu werfen, und wm seine Absicht wohl auch ausgeführt haben, wenn nicht Biancas Z stand ihm Rücksicht auferlegt hätte. Limforden sei ihm nachgera verhaßt. Den Gedanken, dort in irgend einer Weise ferner thw zu sein, habe er nunmehr endgültig aufgegeben. Zum Schluß hi es, aus Kiel seien Nachrichten eingelaufen, denen zufolge man jed Tag die Verlobung von Dina Ericius mit Snarre erwarte. Snm würde das Mädchen im höchsten Grade in seinem Rufe schädig! wenn er nicht Ernst machte.Aber passen Sie auf, Tromholt! ^ letzten Augenblick besinnt sich die mit ihrem lächerlichen Hochmr weit über Gott und Menschen stehende Erlaucht doch und läßt d bürgerliche Fräulein sitzen!"