—- 794
zürnenden Augen auf die alte Agathe, die ihrem Bedauern sehr ! wortreich Ausdruck lieh und sich, als ehemalige Bonne, auch für berechtigt hielt, die Kleine wegen ihrer „Unvernunft" ein wenig auszuschelten. Annie streichelte ihr die runzlige Wange und wollte ihr zur Versöhnung das Bildchen zeigen, welches ihr Bräutigam soeben im Garten von ihr gemacht hatte; aber Delmont sagte frostig:
„Wozu? Solche Bildchen sind nur sür Dich bestimmt, das weißt Du ja!" und gekränkt verstummte die redselige Alte, faßte Lamprecht beim Arm und sagte halblaut: „Komm'— wir sind hier zuviel. Die Zeit ist gewesen, wo wir hier mitreden durften und der selige Herr mich seine alte Freundin nannte!" —
(Fortsetzung folgt.)
Pie Htappsche KommunistenrepuMK.
Von Schmidt-BeijMfels.
m Jahre 1785 trat in seiner württembergischen Heimath, hauptsächlich im Oberamt Maulbronn, ein junger verheiratheter Weber namens Georg Rapp, gebürtig aus dem kleinen Iptingen, als ein „Erweckter" auf, welcher von der Verderbniß der herrschenden Kirche, von Buße im rechten Bibelgeist predigte und auch das nahe Kommen des Heilandes verkündete, der erscheinen werde, um sein tausendjähriges Reich der wahren Glückseligkeit für die rechten Christen aufzurichten. Rapp fand sogleich andachtsvolle Zuhörerschaft. In Nachwirkung der ungeheuerlichen Ereignisse der französischen Revolution gewann dann in den Massen des Landvolkes, zumal des württembergischen, die Empfänglichkeit für den Glauben an einen Untergang der verrotteten und vielverhaßten Zustände eitlen großen Boden und ein Prophet wie Rapp, der den Ruf eilies unsträflichen bürgerlichen Lebenswandels und eitler eindringlichen, überzeugungsvollen natürlichen Rednergabe genoß, daher einen wachsenden Anhang. Voll weit und breit kam das Volk zu ihm, dem „Räpple", wie es ihn nannte, und immer mehr schwuren auf sein Wort und seine Berechtigung als Prophet, der gesandt sei, die Menschen zu erleuchten und ans ihnen ein „Leibcorps des Heilandes" zu bilden, würdig, den Erlöser für sein tausendjähriges Paradiesesreich auf Erden zu empfangen. Alle Maßregeln, Warnungen, Drohungen und Einsperrungen, welche die württembergische Regierung gegen die Mitglieder der erstarkenden Sekte und ihren unbeirrt das neue Evangelium predigenden Gründer aufbot, hielten die aufsteigende Fluth dieser Bewegung nicht zurück, sondern mehrten nur ihre Mächtigkeit.
Als nun Ende des Jahres 1803 die Regierung einen förmlichen Krieg gegen die Räppler verkündigte, die Männer der Sekte unter die Soldaten oder ins Zuchthaus, die Weiber in die Arbeits-, ihre Kinder in die Waisenhäuser stecken ließ, da entschloß sich Georg Rapp zum Verlassen des Sündenlandes und zur Auswanderung mit seinen Getreuen nach Nordamerika. Ali die siebenhundert Schwaben folgten seinem Ruf — aus der Kirchengemeinde Knittlingen allein 88 Personell — und zogen in zwei Abtheilungen 1804 ihm nach über den Ocean. Sie verehrteil Rapp als ihren Erlöser aus der verteufelten Welt, als ihren Herrn und Gebieter, als den durch Gottes besondere Gnade Erleuchteten, unter dem sie in den Wäldern Amerikas das christliche Glückseligkeitsreich errichten wollten.
Am 15. Februar 1805 kam dieses „ausgezogene Leibcorps des Heilandes" in Pennsylvanien all. Rapp, des unbedingten Gehorsams seiner Anhänger sicher, ließ sich nach einer feierlichen Bundesweihe von ihnen alles Geld und Gut ausliefern, welches sie nach Bestreitung ihrer Reisekosten noch bei sich führten; es bildete den Bundesschatz, 20 000 Dollars, deren Verwaltung er allein übernahm. Die ganze Gemeinde zusammen sollte eine große Familie bilden, die ihr Haupt in dem begnadeten Rapp habe. Jeder einzelne mußte für die Gesammtheit arbeiteil; aus dem Gesammlvermögen erhielt jeder seinen Unterhalt, der zunächst nur auf das Dürftigste beschränkt war, da es sich vor allem um das Heil der Seele handelte.
Rapp kaufte 6000 Acres (2428 Hektar) Land in waldiger Wildniß Pennsylvaniens und legte daselbst das Städtchen Har- mony all. Es blühte schnell empor. Aber die Vermehrung der Gesellschaft durch den Nachwuchs all Kindern ließ besorgen, daß die Kosten sich vergrößern und die Arbeitsleistungen der Frauen sich vermindern würden. So befahl Rapp denn fortall die Ehelosigkeit und suchte nach Möglichkeit auch die Ehen zu trennen, die von den mitgenommenen Württembergern scholl früher geschlossen worden waren. Es bedürfe, meinte er, keiner Kinder mehr für die Auserwählten Gottes, denn das Ende der Welt sei
nahe und die letzten Gerichte hätten bereits begonnen. Auch führte er eine Beichte ein, in der ein jeder gehalten war, die geheimsten Regungen seilles Herzens ihm zu offenbaren, namentlich die, welche sich auf Verehelichung richteten. Heirathell galt schließlich als Sünde und Verbrechen, und die Harmoniten nahmen diese Lehre auch gläubig an.
Nach kaum zehn Jahren fand Rapp seine in schwerer Arbeit errichtete und emporgebrachte Kolonie zu klein, er verkaufte sie um 100 000 Dollars und erwarb dafür weite Ländereien am Flusse Wabash im südwestlichen Theil von Indiana, mitten in dichtem, sumpfigem Walde. Hier mußten nun von neuem die Wälder ausgerodet, Aecker gewonnen und Weinberge angelegt werde)!. Ein Leben der Mühen und der Entbehrung aller Familienfreuden war auch den Kommunisten von Neu-Harmony beschieden; aber ihr Schatz im Verwahrsam von Rapp wuchs, und das sollte ja die Hauptsache sein, um ins tausendjährige Wonnereich in wohlverdienter Ehrenstellung einziehen zu können. Und fragten die Ungeduldigen, wann dies stattfinden werde, so tröstete sie Rapp damit, daß sich die Zeit erfüllen müsse. Sie habe mit dem Bundesfest vom 15. Februar 1805 begonnen, und nach der Offenbarung Johannis rechne er, daß sie 24^ Jahre dauern werde, also bis 1829 gemeiner Rechnung. Ihrer genug von den Begründern waren derweil unter den ungeheuren Anstrengungen, die ihnen als Mitgliedern der Harmony auferlegt waren, schon gestorben oder gebrechlich geworden. Aber es hatte sich auch in den Theuerungsjahren 1816 und 1817 aus Schwaben neuer Zuzug von Rappschen Jüngern eingestellt und die Zahl der Kolonisten bis aus tausend gesteigert. Mit ihrer Aufnahme mehrte sich der Bundesschatz. Rapp veranstaltete ein neues Dank- und Schwurfest und führte einen noch größeren Despotismus denn seither als von Gott gewollt ein. Alle Briefe mußten durch seine Hände gehen und kein anderes Buch wurde in Neu-Harmony zugelassen als die Bibel und das Rappsche Gesangbuch.
Im Jahre 1823 war der edle und berühmte englische Philanthrop und Schwärmer für eine kommunistische Gesellschaftsreform Robert Owen in Nordamerika und machte da, wie früher in England und auf dem europäischen Festlande, Aufsehen mit seinem verkündeten Traumbild von einem neuen Eden, wo es weder Krieg noch Verbrechen mehr geben werde. Die große Menschenfalllilie sollte regiert werden nach dem Gesetz der Liebe. Owen setzte sich mit Rapp in Verbindung und wollte ihm seine Kolonie Mausen, um sogleich einen wohl eingerichteten kleinen Staat zu haben, der den Anfang einer allgemeinen Weltgesellschaft nach seinen Ideen bilden könnte. Rapp als kluger Finanzmann war bereit, gegen eine halbe Million Dollars den Handel abzuschließen, durch den Owen 30 000 Acres meist bebautes Land mit Wohnungen für 1500 Menschen erhielt. Der englische Idealist bekam durch seine Verehrer in Boston und New-Aork mit Leichtigkeit die verlangte Kaufsumme zusammen, übernahm die Rappsche Kolonie Nem Harmony am Wabash und begann mit Feuereifer sein Werk eines wissenschaftlichen Sozialismus, der den Kommunismus ohne religiöse Grundlage für das einzig Richtige erklärte. Jedoch bereits nach zwei Jahren hatte er damit jämmerlich Bankerott gemacht und seine Kolonie gerietst in vollständige Auflösung.
Rapp aber hatte inzwischen mit dem gelösten Gelde eine neue Kolonie bei Pittsburg am Ohio angelegt, die er Harmony Economy nannte und die er nicht auf den gemeilnamen Namen seiner Anhänger, sondern auf den seines angenommenen Sohnes Reichert — sein eigener Sohn Johann war schon 1811 gestorben und er besaß aus seiner Ehe sonst nur noch eine Tochter Rosine in die Gemeindegrundbücher einschreiben ließ. Seinen Leuten erklärte er zur Rechtfertigung dieser dritten Gründung und der