Heft 
(1890) 47
Seite
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Wer ist der Herr im Hause? Etwa weil ich das Unglück ,

gehabt habe, mich Dir zuliebe zum Krüppel zu fallen, soll ich ^

mich in die Ecke stellen lassen und um mein Brot betteln? Nette !

Liebe das! und dafür ein Leben geopfert!" so fuhr er auf die ^

unbequeme Mahnerin los. ^

Die arme Frau hoffte auf Maria, er liebte ja sein Kind, ^ ihren Bitten würde er nicht widerstehen können. Doch sonderbar, ! Maria lächelte immer so geheimnisvoll und wiederholte stets: Gieb ihm nur, es wird bald anders werden."

Erst als drei Monate in dieser den Hausstand vernichtenden Weise vergangen waren, zeigte sich in Marias Wesen eine auf­fallende Unruhe, ein ständiges ängstliches Warten, und oft über- ^ raschte die Mutter sie, wie sie in Thränen aufgelöst in einem Winkel ihrer Kammer saß.

So verstrich der Winter ein trüber Sommer schlich vorüber, ^ und langsam nahmen die Tage wieder ab. Mehr und mehr ! brannte das Hoffnungsflämmchen in Marias Herz herab und nur ^ mit dem letzten Rest ihrer Seelenstärke klammerte sie sich noch ^ an Jakob Tönningens Worte:Nicht vergessen, sonst wirkt das - Mittel nicht!" Nein, vergessen wollte, konnte sie ihn und seine ! Verheißung nicht.

H *

*

Mäuschenstill war es am Stammtische in derGrünen Auster", selbst die Karten fielen lautlos auf das grüne Tuch. Die Köpfe waren erhitzt, man spielte heute besonders hoch, ein fremder Seemann betheiligte sich, und es wäre doch ein Hauptspaß ge­wesen, den hübsch hereinzulegen.

Er saß neben Bill, der heute wieder seinen Pechtag hatte. Sein Gesicht war bleich, seine Hände zitterten, wenn er das Glas Gin zum Munde führte, seine Gestalt war auf den Tisch herab­gebeugt, und seine gierigen Blicke auf das sich zusehens mehrende Geldhäuschen des Fremden entgingen diesem nicht.

Bill verlor den größten Satz, der heute gestanden hatte, er lachte wild auf, zerrte an seinem ergrauten Haar und wischte mit einer krampfhaften Bewegung der Hand seinen ganzen Geldvorrath seinem Nachbar, dem Fremden, zu.

Fertig!" keuchte er.Ihr versteht's dürft Euch übrigens nichts einbilden drauf. Habt Ihr von Bill Lührsen noch nicht gehört, dem berühmten Pechvogel? Der bin ich!"

Der Kapitän Bill Lührsen?" fragte erstaunt der Fremde. Das freut mich. Habe freilich schon gehört von ihm. Jakob Tönningen!" stellte er sich vor.

Bill wich zurück, er mußte sich am Stuhle festhalten.

Tönningen? Wirklich Tönningen?" schrie er und brach dann in ein tolles Gelächter aus.Verwandt mit dem verstorbenen Kapitän Lars Tönningen?"

Sein Sohn sogar."

Lars' Sohn? Und mit dem -? Haha! Das sieht mir gleich, gegen den setz' ich meinen letzten Heller! Lars' Sohn! Wenn's jetzt nicht klar ist! Gin! Gin!" brüllte er, sich von neuem setzend und den Mann starr betrachtend,spielt nur zu, ich bin fertig."

Unsinn, Kapitän! Was fertig? Hier!" widersprach Jakob Tönningen und schob ihm einen Haufen Geld zu.Kredit, so viel Ihr wollt, und Ihr werdet sehen, Ihr gewinnt jetzt!"

Gegen Lars Tönningens Sohn?! Wißt Ihr denn, daß wir Gott, wo soll ich da anfangeu? Die See fraß ihn vor meinen Augen; eine Katze war sein ganzes Unglück! Ja, eine einfache Katze! Das versteht Ihr nicht, nicht wahr? Und meines ist ein Glas! Ein einfaches, zersprungenes Glas! Ich sag' Euch, ganz dieselbe Geschichte. Wir mußten lachen, so oft wir uns sahen, nur als wir uns zuletzt sahen, da lachten wir nicht, da nicht und jetzt setze ich mein Letztes gegen seinen Sohn, gegen Lars' Sohn! Ist das auch ein Zufall? Sei's denn! Zum Schluffe der dummen Geschichte!"

Er machte sich bereit, das Spiel fortzusetzen.

Aber die Geschichte von der Katze und dem Glas muß ich dann hören," meinte der Sohn Lars', dem das närrische Benehmen Bills nicht aufzufallen schien.

Sollt Ihr hören! Werdet dann manches begreifen, was Ihr vielleicht über mich gehört habt."

Das Spiel nahm seinen Fortgang. Bill gewann jeden Satz. Der Fremde war nämlich so unvorsichtig, sich jedesmal in die

Karten sehen zu lassen, und Bill besann sich keinen Augenblick diesen Vortheil zu benutzen, es war ja sein Geld, das er zurück gewann! Er hätte jetzt nimmer aufhoren mögen das Häufche: vor ihm stieg höher und höher, vielleicht war gar alles Wiede gut zu machen dieLaura", das gebrochene Bein, der Kutter- Wenn es ihm nur nicht immer gewesen wäre, als säße Lar- neben ihm mit den hinausgezogenen Augenbrauen und aus seinen Schoß Rolf, der Kater, mit zugekniffenen Augen!

Die anderen merkten das falsche Spiel des Kapitäns um verlangten plötzlich den letzten Rundgang.

Bill athmete auf wie von einer surchtbaren Qual befrei! Jakob Tönningen hatte eine große Summe verloren, doch e mußte sehr reich sein, er sprach kein Wort darüber. Er schw nur die Karten beiseite und sagte:Nun die Geschichte von de Katze und dem Glas!"

Die Tischgesellschaft machte sich spöttische Zeichen, sie hatt sie schon so ost, unzähligemal oft gehört.

Bill war heute in seiner Laune; der hohe Gewinn, de reichliche Gin er konnte kein Ende finden. Der Kapitän schie: sein Gesinnungsgenosse zu sein; besonders die Geschichte mit der Glas erschien ihm sehr bedenklich: er begreife ganz wohl, wi einem so etwas nicht mehr aus dem Kopfe gehen könne, und da sei einmal sicher, es gäbe Dinge auf der Welt, die sich nicht er klären lassen. Dann sragte er nach Bills Familie, was die davo: denke, und erstaunte nicht wenig, zu hören, daß seine Dochte nicht daran glauben wolle, was doch sonst Mädchenart sei.

Schwer geladen wankte Bill lange nach Mitternacht nae Hause am Arme Jakobs, der noch manche Fragen nach seine Tochter that, die dem Vater, wäre er in nüchternem Zustand gewesen, aufgefallen sein müßten. Mit dem sicheren Verspreche: eines Besuches verließ Jakob den Alten.

Laura wachte noch; sie hatte sich fest vorgenommen, heut mit Bill ein ernstes Wort zu sprechen, es ging so nicht meh fort, es fehlte bereits am Nöthigsten; sie hatte im geheime: bereits Hausrathsgegenstände veräußert, um die Geldbedürfniff des Mannes zu befriedigen.

Das war ein bitteres Wachen! Ein Glück, daß Maria de: Schlaf der Jugend schlief, das Mädchen hätte sie gewiß an ihrer Vorhaben gehindert, das mit jeder Stunde in ihr fester wurR

Endlich Stimmen auf der längst verödeten Straße; Lauri schlich leise von Marias Seite in das Nebenzimmer, um ihre: Mann zu erwarten. Die wankenden unsicheren Tritte die Trepp herauf machten ihr Herz erbeben. Er war in der letzten Zei recht roh mit ihr gewesen aber es mußte sein, heute noch bis morgen verlor sie den Muth.

Er trat ein mit einer Laterne.

Noch auf, Weibchen?" lallte er,das freut mich!"

Bill!" begann Laura in flehendem Tone,Hab' Miller mit uns!"

Er pfiff in komischer Weise und schlug auf die Tasche.

Laß' das, Kind, und freue Dich! Runter mit dem Scherbe: da oben. Ich habe gewonnen, mehr als ich in einem Winte verdienen kann, den ganzen Krempel unten kauf' ich Dir ab!"

Laura fühlte sich angewidert von seinem trunkenen Weseu sie wich zurück.

Das glaubst Du nicht, Unglücksrabe? Ist aber doch so Da -"

Er schüttete einen Haufen Goldstücke auf den Tisch.Uw von wem, rath' einmal! Wenn es nur nicht wieder eine Fall ist, ich merke so was! Von wem, rathe!"

Er lachte kindisch, mit den Goldstücken spielend.

Von Lars Tönningens Sohn! Das glaubst Du nicht Von Lars Tönningens Sohn, der Gott weiß woher mit einer: Sack voll Geld zurückgekehrt ist; von Jakob Tönningen"

Ein leiser Aufschrei ertönte aus dem Nebenzimmer. Laiw fuhr auf.

Das arme Kind! Kein Wunder, daß es schwere Träum hat! Ich sag' Dir aber, daß ich dieses Geld verachte!" fuhr si mit einer Leidenschaft auf, die Bill an ihr lange nicht meh gewohnt wardaß ich nur ein neues Unglück darin sehe Es wird Dich nur von neuem verlocken, und das Ende wir doch ein erbärmliches sein. Bill, denk' an Maria! Go! hat Dich wieder gesund werden lassen, arbeite wieder! Es ß nicht wahr mit dem Glas, nur dumme Einbildung ist es, die un