Heft 
(1906) 03
Seite
56
Einzelbild herunterladen

66

irgend einem hübschen Punkt der Villenkolonie Grunewald, wo sie in der Sonne unter fröhlichem Geplauder und viel herzlichem Lachen ein Stündchen lustwandelten, oder sie begaben sich in die Stadt, besichtigten Ausstellungen, machten Bestellungen und Einkäufe. Häufig mußte Asta mit ihnen speisen, zuweilen auch in einem fashionablen Restaurant, und daß sie ihnen die Mehrzahl der Abende widmete, das war ganz einfach Gesetz. Ihre Toiletten

hatten stets einen künstlerischen Zug. Alle Welt sah sich nach der blonden jungen Frau um. Als es wärmer wurde und die Damen sich ohne Paletot, nur unter dem Schutz von Pelz-Echarpes ins Freie wagten, trug Asta eine wun­dervolle Tuchtoilette in Rostfarbe mit einem Bolero über faltigem Miedergürtel. Ein schmaler, quer plissierter Spitzen­einsatz mit bunter Stickerei nahm die vordere Mitte des mit Rokokoknöpfen verzierten Bolero ein. Gernots konnten sich nicht satt sehen an ihr.

Es ergab sich bald als nicht zu umgehende häusliche Re- prüsentationspflicht, für Sabine einen weiblichen Rückhalt zu beschaffen: ein großer Teil ihrer Tänzer von den Wohltätig­keitsfesten, ihrer Tischnachbarn von den Diners und der durch Asta ihr vorgestellten Bekannten vom Tattersall machte bei Gernots Antrittsvisite, trotzdem die Saison schon fast zu Ende war.

Öfters sahen Gernots nun Gäste bei sich, und Asta unterstützte die Freundin, die Honneurs zu machen. Das Haus wirkte im Glanz der reichen elektrischen Beleuchtung, im Schmuck all der wohlgepflegten Palmen und duftenden Blumen an solchen Abenden geradezu pompös und doch intim und behaglich. Daß Sabine Gernot eine brillante Partie war, was die pekuniäre Seite anbelangte, das war rasch bekannt geworden. Fast noch mehr konnte aber der charmante Ton, der in ihrem häuslichen Kreise herrschte, die junge Welt anziehen. Doktor Gernot, von Haus aus eine gesellige Natur, empfand nach der langen Zurückgezogenheit den festlichen Verkehr wohltuend und ent­wickelte meist eine sprudelnde Laune in seiner vom Reichstag her bekannten leicht überlegenen und leicht ironi­schen Art; Sabine hatte bei aller Innigkeit ihres Wesens einen modernen, frisch anmutenden Zug, der ganz frei von Haustochterschablone und Philistrosität war; und Frau Asta, die von ihnen Unzertrennliche, war geradezu Champagner. Da hatte man also stets Schwung, Geist und prickelnde Laune aufs wirksamste vereint.

Wenn sie allein waren, zog Asta die Freundin mit dem und jenemkleinen Schwarm" auf. Sie sondierte, ob etwa schon irgend eine tiefere Neigung zu verspüren wäre.

Sabine fand den augenblicklichen Zustand, in dem ihr der Himmel so voller Geigen hing, so wundervoll, daß sie lachend protestierte:

Nein, nein, mich kriegt ihr so bald nicht unter die Haube!"

Aber Astas gewandt forschendem Blick entging es nicht, daß ihre junge Freundin immer noch ein wenig wärmer und lebhafter ward, sobald sich der junge Herr von Wysch- newski unter den Gästen befand, der einzige Sohn der Exzellenzen.

Herr von Wpschnewski war Oberleutnant zur See und erst kürzlich von der ostasiatischen Station heimgekehrt. Ein vor­zügliches Kommando hatte ihn zugleich mit seiner Beförderung bei seiner Ablösung hier erwartet: er war zum Reichsmarine­amt versetzt worden, hatte also Aussicht, die nächsten Jahre in Berlin verleben Zu dürfen. Er war ein flotter Mensch mit offenen, hübschen Seemannsaugen. Da er scharf markierte/ energische Züge besaß, glatt rasiert ging und brünett war, so ähnelte er dem modernen amerikanischen Tpp. Auch seine resolute Art, die Bestimmtheit seines Auftretens, der so gar

nichts Konventionelles anhaftete, paßte zu diesem Eindruck. Es lagen Freimut und Forschheit in ihm, ohne daß man ihn darum temperamentvoll hätte nennen können. Vom Verkehr mit dem Schiffsvolk hatte er im Gegenteil im Ton ein wenig von der phlegmatischen Ausdrucksweise derer von derWaterkante" angenommen. Das gab manchem, was er ganz trocken hinsagte, eine gewisse Komik. Jedenfalls bildete er auch in Gernots Augen einen vorteilhaften Gegen­satz zu der Berliner Art des immer etwas gekünstelten Gardereferendars.

Gerade mit Herrn von Wpschnewski zog Asta ihre Freundin aber am wenigsten auf, trotzdem er keine einzige Gelegenheit, sich Sabine Zu nähern, vorübergehen ließ.

Neuerdings mußten ihm die Damen auch gestatten, sie auf ihren Spazierritten zu begleiten. Er ritt nicht gut aber leidenschaftlich gern.

Wie alle Teerjacken!" meinte er.

Asta nahm sich auf den gemeinsamen Touren also auch seiner Reitkunst an. Sie schonte ihn nicht mit Tadel und

Ermahnungen, denn in sportlichen Dingen hörte für sie der Scherz auf; aber er gehorchte ihr gern, glückselig über den Vorwand, der ihm nun ein fast tägliches Beisammensein mit Fräulein Sabine ermöglichte.

In den Frühstunden ist's im Tiergarten ganz himmlisch!" schwärmte Sabine ihrem Papa vor, von Tag zu Tag mehr begeistert.Alle Reitwege sind belebt Offiziere, Herren­reiter, Stallmeister und Bereiter - und viele Damen aus der Hofgesellschaft. Der Tiergarten bekommt da ein so lustiges Leben durch die Hellen Stimmen, die frischen Augen und die erhitzten Gesichter."

Und es wird natürlich nur über die höchsten Sports­dinge verhandelt?"

Sabine lachte.O, wenn du ahntest! In: Vorbei­reiten schlägt einem immer etwas Rang- und Ouartierliste ans Ohr, ein wenig Klatsch, ein wenig Dinergespräch: Parade, Majestät, d'Andrade, Baden-Baden, Crepe de Chine, eine Verlobung, Karlshorst ..."

Und ab und Zu etwas Kaiserliche Marine?" neckte er sie.

Papa!" Sie drohte ihm verlegen, war aber über­glücklich.

Sie gaben ein hübsches Bild ab, wenn sie so zu dritt den Kurfürstendamm hinunterritten, um sich durch Halensee nach den wundervoll stillen Reitwegen des Grunewalds und den Ufern der blauen Havel durchzuschlagen. Viele Passanten blieben stehen und sahen ihnen nach. Es waren nicht nur Zwei auffallend hübsche Reiterinnen, sondern es war auch ein ganz vorzügliches Pferdematerial. Sixt von Soter hatte nicht eher geruht, als bis er an Doktor Gernot für seine Tochter einen prächtigen Araber losschlug. Es war eine tem­peramentvolle vierjährige Fuchsstute, die Asta selbst ein­geritten hatte. Auch der Falbe, den der Oberleutnant ritt, stammte aus der Elite des Tattersalls. Asta selbst besaß ja kein Reitpferd, sie ritt vielmehr irgend eines der in Pflege gegebenen Tiere, das sonst vom Stallmeister hätte be­wegt werden müssen.

Vom Borgarten aus sah Gernot dem flotten kleinen Trupp, der sich mit fröhlichem Winken von ihm verabschiedete, gewöhn­lich noch ein Weilchen nach. Noch weit aus der Ferne blitzte das Rotgold von Astas vollem, wunderbar gepflegtem Haar- unter dem flotten kleinen Hut. Daß sich zwischen dem jungen Marinier und Sabine etwasanbandelte", war Gernot natür­lich kein Geheimnis weht. Es freute ihn. Von allen jungen Herren, die in seinem Hause verkehrten, war ihm der Sohn der Exzellenzen der sympathischste. Er fand es rührend auf­opferungsvoll von Frau Asta, daß sie dem jungen Paar so diskret und geduldig denElefanten" spielte.

(Fortsetzung folgt.)