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Beratung schicken ließ. So entstand der polnische Reichstag gleichsam als einKongreß der Abgeordneten, welche die Provinziallandtage entsandten, und zwar mit bindenden Instruktionen. Zum Anfänge des 16. Jahrhunderts wurde dieser Landbotenkammer noch ein Oberhaus, der Senat, bisher eine Behörde von nur beratender Kompetenz, zugesügt, das aus den höchsten geistlichen und weltlichen Würdenträgern bestand. Ohne die Zustimmung des Reichtages durfte der König nicht über Krieg und Frieden entscheiden, neue Steuern und neue Gesetze verkündigen. Wie auf den Provinzialversammlungen, so auch galt auf dem Reichstage das Prinzip der moralischen Einstimmigkeit; es kam also beim Abweichen auch nur einer einzigen Stimme kein Beschluß zustande: das ist das sogenannte liberum veto. Umsonst versuchte zum Ende des 16. Jahrhunderts der Kanzler Zamojski, der größte Staatsmann Polens in jener Zeit, das Mehrheitsprinzip bei der Abstimmung einzuführen. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts hat dann das liberum veto seine zerstörende Kraft gezeigt; seine frivole Anwendung hat den Staat' in Ohnmacht und Anarchie gestürzt, jedes geregelte staatliche Leben unmöglich gemacht. Nimmt man noch dazu, daß der Adel nicht nur die gesetzgebende Gewalt im Reichstag besaß, sondern daß es der Krone auch an einer kräftigen Exekutivgewalt mangelte, so kann man sich ihre Ohnmacht zur Genüge vorstellen. Es fehlte an einem gut funktionierenden und gerechten Steuersystem, sowie an einem schlagfertigen und modernen Heer. Der König sah sich auf das veraltete und von Privilegien durchbrochene Aufgebot des Adels angewiesen; es wurde ihm später sogar noch das Recht beschränkt, stehende Truppen auf eigene Kosten zu unterhalten. Da ist es zu verstehen, wenn man schließlich in des Wortes besonderem Sinne von einer „Republik Polen" sprechen, wenn man den König von Polen mit dem Dogen von Venedig vergleichen konnte. „ §
Zum Anfang der Neuzeit war die innere Umwandlung Polens aus einer Monarchie in eine Adelsrepublik vollendet, und bald traten die Folgen davon auch in der auswärtigen Politik zutage. Als die jagellonische Nebenlinie in Ungarn und Böhmen (1525) ausstarb, überließ Polen diese Länder den Habsburgern; nicht minder schwächlich war die polnische Politik in Preußen. Ein Aufstand des Deutschen Ordeus hätte den Polen Anlaß gegeben, sich ganz Preußens zu bemächtigen; statt dessen erlaubten sie (1525) die Säkularisation des Ordenslandes und später seinen Übergang an Brandenburg. Das war für die Hohenzollern geradezu eine Aufforderung, zwischen beiden Ländern durch die Eroberung von Westpreußen eine Verbindung herzustellen. Trotz seiner ungeheuren Ausdehnung (17 000 Ouadratmeilen) geriet Polens Machtstellung unverkennbar ins Wanken. Unter dem letzten Jagellonen, Sigmund II. August (1548—72), breitete sich der Protestantismus in Polen derart aus, daß die Nichtkatholiken das Übergewicht hatten; doch wurde seine Kraft durch seine Zersplitterung in zahlreiche Sekten gebrochen.
Nach dem Aussterben der Jagellonen wurde der Prinz Heinrich von Valois gewählt; er sollte Sigmunds II. Schwester Anna heiraten: das war immerhin der Versuch eines Ausgleiches zwischen Erb- und Wahlprinzip. Kaum hatte Heinrich ein halbes Jahr in Polen verweilt, da verließ er es heimlich, um als Heinrich III. den durch den Tod seines Bruders Karls IX. erledigten Thron Frankreichs zu besteigen. Mit der Hand Annas empfing jetzt die Krone der tatkräftige Fürst Stephan Bathori von Siebenbürgen; seinen Bestrebungen, die Macht der Krone zu erhöhen, setzte sein frühzeitiger Tod (1586) ein Ende. Um seine Nachfolge bewarb sich der Prinz Sigmund Wasa, ein Sohn König Johanns von Schweden und einer anderen Schwester Sigmunds II. (Katharina); er hatte also gewissermaßen die nächste Anwartschaft auf die Krone. Ihm trat als Gegenkandidat der Erzherzog Maximilian gegenüber; Österreich suchte sich damals, nachdem es sich Ungarn und Böhmen unterworfen hatte, auch Polen anzugliedern; Zur
habsburgischen Partei hielten sich die meisten Protestanten. Maximilian unterlag in der Schlacht bei Pitschen (1587), und mit Sigmunds III. (1688—1632) Sieg war die gemalt same Durchführung der Gegenreformation in Polen entschieden. Unter dem Einfluß seiner Mutter war der neue König katholisch erzogen worden; eben daher aber wollten die Schweden, als er nach dem Tode seines Vaters (1592) auch bei ihnen zur Herrschaft gelangte, von ihm nichts wissen. Sein Oheim Karl Wasa verdrängte ihn vom Thron; die Folge davon war, daß Polen in einen Kampf mit Schweden verwickelt wurde, der bis zum Aussterben der polnischen Wasas nicht mehr ruhte und dem polnischen Reich schwere Verluste gekostet hat. Sigmund III. stand ganz unter der Herrschaft der Jesuiten, die ihn zu unablässiger Verfolgung der Dissidenten anspornten.
Ebenso unglücklich wie seine Regierung war die seiner Söhne Wladislaus und Johann Kasimir, der vorher Jesuit und Kardinal gewesen war. Im Innern tobten Aufruhr und Bürgerkrieg. Durch Glaubenszwang bedrückt, erhoben sich die Kosaken; sie fanden Hilfe bei Rußland, an das 1667 große Gebiete im Osten des Reiches abgetreten werden mußten. Karl X. von Schweden eroberte 1655 vorübergehend ganz Polen, und Johann Kasimir fand nur dadurch Rettung, daß er den Großen Kurfürsten von der schwedischen Seite abzog; zum Danke dafür mußte er ihm 1660 die Souveränität über Preußen zugestehen. Schon damals tauchte die Idee einer Teilung Polens auf; Karl X. bot Großpolen dem Kurfürsten, Kleinpolen dem Fürsten Georg Rakoczp von Siebenbürgen an. Auf einem Reichstage prophezeite der König selbst das Schicksal, das dem Reiche bevorstand: „Bei unseren heimischen Unruhen und Zwistigkeiten haben wir einen Angriff und eine Teilung der Republik zu befürchten. Gott gebe, daß ich ein falscher Prophet sei; aber ich meine, der Moskowiter wird Großpolen und Preußen, Österreich Krakau und die angrenzenden Länder nehmen." Des ewigen Haders müde, dankte Johann Kasimir 1668 ab; er war der letzte Wasa.
Seit dem Erlöschen der Piasten war Polen zwar rechtlich ein Wahlreich, faktisch aber ein Erbreich gewesen. Denn schließlich wurde doch immer der Nächstberechtigte gewühlt; auf diese Weise waren ja die Wasas auf den Thron gelangt. Nach deren Aussterben wurde Polen auch faktisch ein Wahlreich. Damit war alle Möglichkeit einer monarchischen Reform für immer äbgeschnitten. Allüberall fast vollzog sich um jene Zeit in Europa ein Übergang vom altständischen Staat zum Absolutismus. In den anderen größeren Staaten des Kontinents räumte die Krone mit der bisherigen Mitherrschaft des Landtages auf. Sie schuf ein geordnetes Steuer- und Heereswesen, ein leistungsfähiges Beamtentum, mit dessen Hilfe sie die Zustände konsolidierte, Recht und Sicherheit aufrecht erhielt und die Wohlfahrt des Gemeinwesens förderte. Alles drängte in Polen zur Reform, und doch geschah nichts. Nicht etwa eine Neigung zu Umwälzungen, sondern gerade die starre und unverrückbare Stabilität der Verhältnisse hat den Untergang Polens herbeigeführt. Die staatlichen und sozialen Institutionen Polens blieben im Mittelalter stecken, und eben dadurch ist es schließlich unmöglich geworden.
Seit dem Ende der Dynastie Wasa ist die polnische Geschichte nichts mehr als die Geschichte eines langsamen Todeskampfes. Eine Konföderation löste die andere unter blutigen Bürgerkriegen ab. Die Reichstage wurden zumeist durch das liberum veto gesprengt. Die Könige waren bloße Schattenkönige, so Michael Wisniowiecki (1669—1673) und der in Europa so berühmte Johann Sobieski (1674—1696), der „Türkenhammer", der Retter der Christenheit. Sie waren durch französischen Einfluß gewählt worden. Seit den Zeiten Mazarins war Polen, was seine internationale Stellung anbelangt, lediglich eine der Figuren, deren sich Frankreich auf dem Schachbrette der europäischen Politik bediente, um Österreich im Schach zu halten. Dagegen bedeutete es einen Triumph Österreichs, daß es 1697 im Verein mit Rußland die Wahl des bisherigen Kurfürsten von Sachsen, Augusts II. (1697 —1733)