Heft 
(1906) 07
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das hinter diesen Sachen steckt, und aus der Art von Ober- länders künstlerischer Arbeit.

Der Grundzug in der Seele dieses Mannes, der seinen Ruhm dadurch gewann, daß er mit so überlegener Treffsicherheit die Schwächen seiner Mitmenschen geißelte, ist Güte. Seine Geißel schneidet nicht ins Fleisch, sie prickelt nur auf der Haut gerade stark genug, die Leute aufzuwecken. Da muß der Getroffene immer selber mitlachen, und für den Zu­schauer bleibt kein Schatten eines peinlichen Gefühls. Man

heimnis! Wenn Oberländer einen Gecken, einen Protzen oder einen Strolch zeichnet, dann zeigt er uns nicht in erster Linie, was an dem Gecken albern, an dem Protzen widerlich und an dem Strolch verkommen, sondern nur, was an den dreien komisch ist, ja, es ist fast immer das Bestreben fühlbar, der wunderlichen Erscheinung solcher Menschheitsblüten eine liebens­würdige Seite abzugewinnen. Die Karikatur von heute trifft hart und grausam, und es ist in diesem Scharfrichterstil seit zehn Jahren so Glänzendes geleistet worden, daß man ihn wahrhaftig

Auf dem Markte. Viehmarkt in Timbuktu.

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sehe alle jene zwölf Bände auf dies hin durch, und man wird nicht einen Typus dort gezeichnet finden, welcher irgend jemand weh tut, der nicht ein ausgesuchtes, vom Gottähnlichkeitsdusel aufgeblasenes Rhinozeros ist! Die ältere deutsche Karikatur des neunzehnten Jahrhunderts, namentlich die im deutschen Süden, hat ja überhaupt diesen Grundsatz der Harmlosigkeit gehabtaber keiner hielt so treu daran fest wie Oberländer, dessen Typen uns immer wieder die Lehre zu predigen schienen: Schau, man kann auch über die Menschen lachen, ohne sie Zu verletzen, man kann ihre Schwächen erkennen, ohne sie zu verachten!" Durch Mitleid wissend sein, das ist das Ge­

rücht als weniger künstlerisch ansehen darf. Aber weniger an­ziehend ist er sicher und weniger schwierig ist er auch. Wir haben heute alle erschrecklich scharfe Augen für die Fehler derer, die in ihrer Erscheinung, ihrer sozialen und politischen Ansicht, in ihrem Temperament und ihrer Ästhetik, in ihrer Bildung und ihrem Gefühlsleben anders sind als wir. Darum wird der wahre Humor immer seltener und immer kostbarer, der Humor, der Behagen auslöst und nicht das Gefühl:Herrgott, ist diese Welt miserabel eingerichtet!"

Ein zweiter Grund, der den Dauerwert seiner Schöpfungen erklärt, ist die Intensität seiner Arbeit. Diese Zeichnungen