Heft 
(1906) 09
Seite
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Arizona durchmißt, so begegnet er auf den Bahnhöfen india­nischen Weibern und Kindern, die die Erzeugnisse ihrer Flechterei feilbieten. Die Ware wird gern gekauft. Sie ist beliebt in den Vereinigten Staaten, und ihr Wert steigt mit der Entfernung von dem Ursprungslande.

In großen Städten werden von Liebhabern für einen schönen Moquikorb selbst einige hundert Dollar bezahlt; aber bei solchen Liebhaber­geschäften profitieren am meisten die

Zwischenhändler; die Korbflechterinnen, die in ihrer Heimat vor der Tür ihrer Hütte ohne jede maschinelle Beihilfe aus freier Hand die Kunst­werke formen (siehe Abbildung 1), wissen nichts von so hohen Preisen.

Viele der Moquikörbe zeichnen sich aber noch durch eine besondere Eigenschaft aus; sie sind so dicht geflochten, daß man mit ihnen Wasser schöpfen, es in ihnen tragen und aufbewahren kann. Leuten, die inmitten unserer Kultur aus­gewachsen sind, mögen solche ge­flochtenen Wassereimer und Töpfe recht entbehrlich und als ein un­nötiger Luxus erscheinen. Dem Forscher sind sie aber besonders interessant, denn sie charakterisieren eine der ersten Kulturstufen der Menschheit; sie sind Wahrzeichen einer Zeit, in der die ersten Men­schen den Ton noch nicht zu formen verstanden. Die Kunst, solche wasser­dichten Körbe zu flechten, ist nicht nur den Moqui eigen. Auch ihre Nachbarn, die gezähmten Apatschen, verstehen sie. Ihre Weiber sind auch geübte Korbmacherinnen, und im Schatten des verfallenen Zaunes ihrer elenden Behausungen entstehen Flecht­waren, deren Muster an Originalität und Farbenharmonie nichts zu wün­schen übrig läßt (siehe Abbildung 2). Betrachtet man ein solches Stück in einem Museum für Völkerkunde, so denkt man nicht leicht daran, wie abstoßend und zerlumpt seine Schöp­ferin war.

Obwohl die Töpferkunst in Ari­zona schon durch die Puebloindianer seit langem bekannt ist, obwohl die Blech eimer und Kannen unseres Kul­turkreises dorthin massenhaft einge­führt wurden, bleibt doch der Apatsche hier und dort an seinem uralten Wassergerät hängen. Nicht weit von der Bahnlinie sieht man, wie ein schlankes Jndianermädchen das aus Stämmen des Säulenkaktus erbaute Gehege ihres Dörfchens verläßt, mit einem großen krugförmigen Korbe zur Wasserstelle schreitet und in ihm das in der Wüste kostbare Naß auf dem Kopfe heimträgt (siehe Abbildung 3). Diese Abbildung bildet ein Gegenstück zu den wohlbekannten Bildern, die Frauen am Nil darstellen, wie sie in großen Tonkrügen Wasser schöpfen. Diese Fellahweiber berühren den modernen Menschen etwas altertümlich; in entwicklungsgeschichtlicher Hin­sicht ist aber das Bild des Apatschenmädchens ein Wahrzeichen einer viel älteren Zeit.

Das Flechten ist eine der ersten Kunstfertigkeiten, die der Mensch erlernt hat; und sie war die Vorläuferin zweier an­derer, die höher stehen und heute für uns wichtiger sind. Aus der Flechtkunst ist die Weberei hervorgegangen. Musselin ist ver­feinerte Flechtarbeit. Ebenso war die Korb- flechterei eine Vorstufe der Keramik, und ge- ^ rade in Amerika können wir die Spuren dieser Entwicklung in den einzelnen Phasen genau verfolgen. Wasserdichte Körbe waren bei der Entdeckung dieses Weltteils noch bei verschiedenen Völkern im Gebrauch, und wie solid sie gearbeitet wurden, erhellt aus folgen­dem Beispiel: In einem altperuanischen Grabe hat man in der Neuzeit einen Korb gefunden, der zur Aufbewahrung der Flüssigkeiten be­stimmt war und zur Zeit der Wiederauf­findung diesem Zwecke noch entsprach. Aber auch zum Kochen wurden solche Körbe benutzt. Noch heute verwenden die Ehi- nookindianer in Oregon Körbe aus Strohgeflecht, um in ihnen mit Hilfe glühender Steine das Wasser Zum Sieden zu bringen, in dem sie die Lachse, ihre Hauptnahrung, kochen. Die Versuchung, einen solchen Korb ans Feuer zu setzen, mußte nahe liegen, und möglich war das, wenn man ihn vor direkter Verbrennung schützte. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht eine Beobachtung, die der französische Seefahrer Gon- neville im 16. Jahrhundert an der brasilianischen Küste machte.

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Abb. 4. Einweichen der Binsen.

Abb. 3. Wasserträgerin.

Abb. tz. Pimaweib mit Tragkorb.