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Angenehm war es ihm, daß er in der Gehilfenstube, wo die jungen Leute auf Engagement warten, keinen Bekannten traf, mit dem er sich in lange Gespräche über das „Woher und Wohin?" hätte einlassen müssen.
Schon nach wenigen Minuten kam der Wirt und fragte, ob jemand da sei, der auch Damen frisieren und perfekt Haarmachen könnte.
Albert trat vor.
„Die Stelle is beim Meister Ladewig," sagte der Wirt, „in der Taubenstraße . . . gutes, altes Jeschäft . . . auch viel Trinkgelder . . . was verlangen Sie Lohn?"
Albert Hohstadt zuckte die Achseln.
„Na, Zwölf Mark . . . un alles frei?"
„Meinetwejen."
„Na dann komm' Se, bitte, mit rüber!"
Der Prinzipal war ein kleiner, wohlbeleibter, alter Mann mit ganz weißem, dichtem Haar und dickem, weißem Schnurrbart, der über einem aufgeworfenen Munde hing. Er hatte schwarze, feurige Augen und lebhafte, lustige Bewegungen.
„Wo wa'n Se'n früher?" fragte er.
„Zuletzt in de Ackerstraße bei Weiß ... in de Innung Hab' ick schon über'n Jahr nich mehr jearbeitet." . . .
„. . . Un wo Ham Se jelernt?"
„Bei Salbach an' Köllnischen Fischmarkt."
„So . . . na, denn is jut, denn vastehn Se ooch was! . . . Denn kenn' Se bei mir anfangen! . . . Heute noch, wenn Se wollen."
„Ick komme morjen früh, wenn's recht is?"
„Scheen, also morjen früh!"
Der blasse Albert bekam Handgeld und ging.
Als er nach Hause kam zu der Wirtin und ihr sagtet „Na, Mutter Pfeifern, ick trete wieda in Arbeet, morjen früh jeht's los!", da meinte die Alte: „Jott ja, Sehnchen! ... So als Halbinvalide, da bringste ja doch nischt zusamm'! . . . Arbeeten is imma leichta wie Stehlen . . . wat ick sagen wollte, denn Ziehfte woll heite noch, wat?"
„Nö . . . morjen frieh."
„Ja, det heeßt, de Sachen, die läßte hier, bis de ma den Zaster jejem hast!"
Schweigend zog Albert seine Börse und zahlte, was sie verlangte. Nun wurde sie gleich viel freundlicher, setzte Wasser auf, holte „Schnecken", und die beiden tranken einen gemütlichen Abschiedskaffee. (Fortsetzung folgt.)
2^ Geld.
Minister Kermann von Mndde. (Zu dem nebenstehenden Bildnis.) Am 28. April ist Staatsnnnister der öffentlichen Arbeiten von Budde, Chef des Preußischen Eisenbahnministeriums und der Reichseisenbahnen, nach langem, schwerem Leiden gestorben. Es ist ihm nicht
beschieden gewesen, den ver-
antwortungsvollen Posten, auf den er berufen worden war, lange zu bekleiden — nicht ganz vier Jahre, von: 23. Juni 1902, dem Rücktritt des Ministers von Thielen ab, bis zu seinem jetzt erfolgten Tode hatte er ihn inne. Trotzdem durfte er auf große Erfolge zurücksehen — er hat sich nicht umsonst mit Leib und Seele der Arbeit hingegeben. Diese Erfolge sind um so höher anzuschlagen, als v. Budde eigentlich nicht zum Eisenbahndienst bestimmt und nicht für ihn erzogen war. Er verlebte feine Jugend im Kadettenkorps, wurde Offizier und solcher 1870 am Kriege gegen Frankreich teil. Im Jahre
-v.»
Minister Lermann von Budde -j-.
nahm als
1900 trat er auf sein Gesuch als "Generalmajor aus dem Militärdienst aus. Er hat an der Erweiterung des Eisenbahnnetzes und an der Ausgestaltung der Verkehrseinrichtungen rastlos gearbeitet, hat mit offenem Blick die Bedürfnisse des wirtschaftlichen Lebens erlannt und ihnen Rechnung getragen, war unermüdlich tätig für die Wohlfahrt seiner Beamten und hat über die Grenzen seiner Verwaltung hinaus die Interessen des deutschen Eisenbahnwesens hochherzig gefördert.
Sein früher Heimgang — v. Budde wurde am 15. November 1851 zn Bensberg geboren, ist mithin nur 54 Jahre alt geworden — bedeutet für den Gesamtverkehr des Reiches einen schweren Verlust. Sein Andenken wird allezeit in Ehren bleiben.
Wrinz Konrad zu Kohen- loye-Schrllingsfürst. (Zu dem rechts obenstehenden Bildnis.) Der Widerstand des einflußreichen Polenklubs hat den österreichischen Ministerpräsidenten Freiherrn von Gautsch gezwungen, seine Entlassung einzureichen, und die Berufung des Prinzen von Hohenlohe durch Kaiser Franz Joseph zur Folge gehabt» Wenn irgend einer, so scheint Prinz Hohenlohe be-
fähigt, das verantworrungsvolle Amt zu verwalten, denn er hat als Statthalter in Triest und im Küstenland einen schwierigen Posten innegehabt und ihn mit Umsicht und großer Geschicklichkeit bekleidet. Konrad Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst ist als Sohn des einstigen Oberhofmeisters des österreichischen Kaisers im Jahre 1863 in Wien geboren, besuchte das Gymnasium bei den Schotten und später die Wiener Universität. Ami.Januar 1885 trat er als Konzeptspraktikant bei der Landesregierung in Salzburg ein.
Im Jahre 1894 kam er als Leiter der Bezirkshauptmannschaft nach Teplitz in Böhmen und wurde dort, während der schwierigen Streikperiode, in der er zwischen Arbeitern und Arbeitgebern vermittelte, Bezirkshauptmann. Seit dem Jahre 1900 Leiter des Landesdepartements für Steiermark und Tirol, und 1903 als Landespräsident der
Prinz Konrad zu Lohenlohe-Schillingssürst.
Der Taurische Palast in St. Petersburg der Sitz der russischen Reichsduma.
Bukowina, hat er vielfach Beweise einer glänzenden Begabung und strengen Unparteilichkeit gegeben.
Jer Haurrsche Walast in KL. WeLersöurg. (Zu der neben stehenden Abbildung). Die Steine „reden" im sogenannten „Taurischen Palast", in den am 10. Mai d. I. die russische Voltsvertretung
„Duma" einzieht; sie reden von einer Zeit unerhörten Glanzes, von Frauengunst und Kaisergnade und von der Vergänglichkeit alles Irdischen. Für Potemkin, den Eroberer der Krim, ließ Katharina II. am Schluß des achtzehnten Jahrhunderts den prächtigen Palast erbauen, und als der allmächtige Günstling, für den das Geld nur „Chimäre" war, in Verlegenheiten geriet, kaufte sie ihm den stolzen Bau für 460000 Rubel ab, um ihn im Jahre 1791, echt kaiserlich, dem Fürsten Zum zweiten Male zu schenken. Ein Fest von nie dagewesenem Glanz weihte am 28. April 1791 die herrlichen Räume ein, und Katharina II. selbst wohnte dem Fest, das die Erstürmung der Türkenfestung Semail feiern sollte, bei. Im selben Jahre noch starb Potemkin, ein vergessener, in Ungnade gefallener Mann, dem nicht einmal ein ehrliches Grab