Heft 
(1906) 19
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gegönnt ward, und der Palast, in dem es noch wie ein Rauschen seidener Schleppen tlang, wurde zur Ka­valleriekaserne um­gewandelt! Erst Alexander I. gab ihn seiner früheren Bestimmung zu­rück, und nun, nach hundertjähri- - ger Pause, zieht wieder Glanz und Leben in die alten Mauern ein: im großen Kuppelsaal wird die Duma tagen, und im frü- Der Vesuvkegel vor dem Ausbruch Heren Tanzsaal, der

von Torre del Greeo gesehen. lünftig alsCouloir" die­nen soll, werden die Ab­geordneten des neuen russischen Parlaments, der Duma, sich ergehen.

Jer neue Mesuvkegel. (Zu den nebenstehenden Abbildungen.) Die Gegenüberstellung unserer beiden Vesuvansichten zeigt besser, als die längste Beschreibung vermöchte, wie der Vesuv vordem aussah, und wie er sich jetzt zeigt. Und es wird wohl nicht einen Kenner und Liebhaber der Golslandschaft geben, der die Umgestaltung des geheim­nisvollen Berges aus ästhetischen Rücksichten nicht tief Beklagte. Der spitz in die Wollen strebende Gipfel glich abends, wenn die unter­irdischen Feuer in Tätigkeit waren, einer gen Himmel züngelnden Fackel jetzt hat er mit seiner abgeplatteten Höhe das Aussehen eines bürgerlichen Herdes, darauf es brodelt und friedlich dampft. Freilich die Gewalten der Zerstörung sind unausgesetzt tätig; wer weiß, wie bald sie aus Lava und glühendem Gestein den Gipfel wieder auf- richten, den der letzte Ausbruch zerstörte! Er hat wohl schon unzählige Male die Gestalt ver­ändert, der unruhige Titan mit der feurigen Seele!

Gedenkfeier der Frankfurter Ainu er­stickt. Die 400jährige Gedenkfeier einer nicht mehr vorhandenen deut­schen Universität hat jüngster Tage stattge­sunden. Es ist die am 26. April 1506 von dem brandenburgischen Kur­fürsten Joachim I. in Person eröffnete Hoch­schule in Frankfurt an der Oder. Der wechsel­volle Charakter der deut­schen Geschichte tritt muh in dem Schicksal vieler unserer Universitäten zu­tage. Solche als Hoch­schulen nicht Mehr vor­handenen Städte sind unter anderen Duisburg, das braunschweigische Helmstedt, das nassau- ische Herborn und am Rhein die beiden kurfürst- erzbischöflichen Haupt­städte Köln und Mainz.

Auch Frankfurt an der Oder gehört seit 1811 in diese Reihe. Die Uni­versität hatte über 305 Jahre gewirkt, als sie mit der seit 1702 bestehenden Breslauischen Leopoldina vereinigt wurde. Unter ihren Zöglingen befin­det sich gleich im Stif­tungsjahr 1506 Ulrich v. Hutten, der ihr einige lateinische Distichen ge­widmet hat, in der letz­ten Studentengeneration aber so erlauchte Na­men wie Alexander v.

Humboldt und Heinrich

v. Kleist. Auch des letzteren älterer Verwandter, der Frühlingssttnger Ewald v. Kleist, ist mit seinem Namen an die Universität geknüpft, zwölf Tage nach der unglücklichen Schlacht bei dem benachbarten Kuners­dorf starb er in der Universitätspflege an den auf dem Schlacht­feld empfangenen Wunden. Die Hochschule war ursprünglich eine Filiale von Leipzig und ihr erster Reltor, der Theologe Konrad Wimpina, dorther gekommen; er war eisrig katholftch und verfocht 1518 in öffentlicher Disputation Johann Tezels 195 Gegenthesen gegen Luthers weltberühmte 95 Wittenberger Lehrsätze. Mit dem 1535 erfolgten Tode des eisrig katholischen Kurfürsten Joachim I. änderte sich die Richtung der Hochschule, an die schon im Jahr vor seinem 1539 erfolgten förm­lichen Übertritt Kurfürst Joachim II. zum Rektor Melanchthons Schwieger­sohn G. Sabinus berief. Ein besonderer Gönner der Hochschule war nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krie­ges auch der Große Kurfürst. Dagegen ließ dort dessen Enkel, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., seinen Vorleser- Morgenstern vom Katheder herab öffent­lich in: Narrengewande die These be­gründen:Die Gelehrten sind Quack­salber und Narren." Friedrich Wil­helm III. stiftete 1810 die Universität Berlin neu und verschmolz, wie erwähnt,

Frankfurt an der Oder ein Jahr daraus als Hochschule mit der der anderen Oderstadt Breslau. C. M.

Klausen von Kaas. (Mit dem obenstehenden Bildnis.)Die Erziehung zur Arbeit" das ist uns allen heut ein vertrauter Begriff, eine Forderung, die schon von vielen Seiten eingelöst wird, und doch isfts noch nicht, gar so lange her, da lebte sie als Zukunftsideal in den Köpfen einzelner.. In den siebziger Jahren erst wurden praktische Ver­suche zur Lösung dieser schon von Rousseau betonten Ausgabe gemacht, und zwar im Ausland, im skandinavischen Norden. Von Dänemark aus kam auch für Deutschland die Anregung, dank der unermüdlichen

und erfolgreichen Tätig- leit des dänischen Ritt­meisters Clauson von Kaas, des Begründers des Handfertigkeits- Unterrichts in den Schulen. Der praktisch veranlagte Mann hatte schon als aktiver Offizier seine eigenen und fremde Kinder in allerlei Hand­werken unterrichtet, und zwar mit solchem Erfolg, daß er im Jahre 1864 den Abschied nahm, nur sich ganz seiner Lebens­aufgabe: dem Wirten für die allgemeine Ein­führung des Handfertig- keitsunterrichts in den Schulen, widmen zu kön­nen. Bald nacheinander entstanden solche Schulen in Berlin, Kiel, Bremen, Görlitz, Dresden, Han­nover, Leipzig und an­deren großen Städten, auch Schulen zur Aus­bildung von Handfertig­keitslehrern wurden er­richtet, und der Erfolg war überall gleich: mit sörmlicher Begeiste­rung nahm die Jugend an dem Unterricht teil, der ein glückliches Gegen­gewicht zu der bisher so einseitig geistigen Ent­wicklung und Belastung schuf. Die Sache hatte im Anfang erbitterte Gegner, sowohl unter den Lehrern, die eine körper­liche Übermüdung und somit ein Nachlassen der Aufmerksamkeit in den wissenschaftlichen Stun­den vorhersagten, als unter den Handwerkern selbst, die eine etwa ent-

I. de Irenes, Neapel, phvt.

Die jetzige Form des Vesuvkegels von Torre del Greeo gesehen.

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A. Clauson von Kaas.