Heft 
(1906) 26
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Endlich stand er allein mit ihr und ihren Kindern in einer öden Seitenstraße. Da ließ er sie los, spie aus und sagte: Nu geh weg, daß ich dir nich mehr seh'."

Aber Margret blieb stehen. Sie strich sich das verwehte Haar hinter die Ohren und sprach, leise jetzt, aber scharf und eindringlich:

Daß ich dir nich mehr seh'! Ja, das möchtest woll. Das wär dir recht. Gleich in'n Erdboden hinein möchtest uns am liebsten haben. Js das mein Schuld, daß mein Mann nix taugt und mein reicher Bruder mich nix geben tut? Ich Hab zwei Kinders, die wollen essen. Wo soll ich denn das woll hernehmen, wenn ich nich stehlen tu? Mit mein gebrochenes Bein kann ich nich scheuern gehen, un anners versteh ich nix."

Schäm dir! Schäm dir!" sagte Brün außer sich.Es ist nicht wahr, daß du unschuldig in diese Not gekommen bist. Ich Hab dir gegeben und gegeben. Aber du bist faul un liederlich wie dein Mann. Du hast nich festgehalten, was du hattest. Du hast ihm nich auf dem rechten Weg gehalten, wie eine gute Frau woll kann. Darum ..."

Adjüs," sagte Margret frech,wenn du mich weiter nix Zu sagen hast."

Brün sah die Frau an, mit deren dünnem, schlampigem Rock der Wind spielte, den Jungen mit der knochigen Stirn und der fettigen Faust, die gierig noch immer den Spickaal sesthielt. Mochten sie in ihr Verderben gehen! Was hatte er mit ihnen gemein?

Da traf sein Blick in des kleinen Mädchens Augen, die angstvoll und flehend zu ihm aufsahen, und in einer seltsamen Jdeenverbindung schoß es Brün durch den Kopf, wie er heut mit einem Federzug das natürliche Erbe dieser Waise weg­gestrichen hatte. Etwas wie Schuldbewußtsein seinen Ver­wandten gegenüber ergriff ihn. Er nahm seinen Beutel. Den ganzen Rest darin es waren noch an dreißig Mark schüttete er in ihre ausgestreckte Hand.

Da! Da! Und wenn dein Mann wiederkommt, sag ihn, daß er arbeiten muß. Arbeit du auch. Es gibt viel

Fabrikens, wo du mit ein gebrochen Bein arbeiten kannst."

Gib man her," unterbrach Margret.Ich weiß ja, daß du dir von ein paar Dahlers man swer trennen kannst."

Es is das Letzte, Margret, was ich dir geb. Wahr un wahrhaftig, das Allerletzte in mein Leben! Ich kann nich mehr."

Der Weißbacher

(Schluß.) Von Ludwig

ie ein schwarzer See mit erstarrten Wogen lag das weite Almfeld unter dem Funkelglanz der Sterne. Überall diese finsteren Würfel der stillen Hütten. Die weißen und scheckigen Rinder lagen als dämmerige Flecke im schwarzen Gras. Und manchmal rührte sich leis eine Glocke. Unter all den vielen Hütten hatte nur eine einzige die kleinen Fensterchen rot erleuchtet- die Hütte, aus der immer wieder dieses lustig grillende Geschrei der Sennerinnen tönte. Nach diesem unermüdlichen Gelächter zu schließen, mußte die Bäuerin vom ledigen Hof beim Lampelspritzen in guter Laune sein und wirksame Späße machen.

Wir hatten uns lautlos auf eines der roten Fensterchen zugeschlichen.Da! Speggalieren S' eini!" zischelte der

Weißbacher. Ich rückte vorsichtig die Nase gegen das trübe Glas und sah verschwommen in der Hütte ein Bild, das kaum zu schildern ist. Zwischen dem rußigen Sparrenwerk des Daches hing eine eiserne Pfanne, in der mit Oualm und rotem Geloder ein Pechfeuer brannte. Dieser zuckende Rot­schein fiel über die zwanzig jungen und alten Weibsleute her, die mit Gekicher und Geschrei den Tisch umdrängten, auf

Sie steckte das Geld in die Tasche.Js gut. Verswör dir man nich. Ich will dir nu auch gar nich länger auf­halten."

Während sie mit dem Buben die Straße hinunterschritt, blieb das kleine Mädchen zögernd zurück. Und plötzlich schlang es beide Arme um Brüns Nacken und küßte ihn. Lieber, lieber Onkel Brün!" Dann rannte es seiner Mutter nach.

Janfredrik hatte gewartet. Er sah finster drein.

Dat harrst nich dohn möten."

Was?" Auf Brüns Lippen brannte noch der Kuß des kleinen Mädchens. Er brannte in seinem Herzen.

Dat gote Geld Heft in'n Dreck smeten."

Aber Brün, der immer Nachgiebige, versteifte sich.

Das Büschen kannst meinen Leuten woll gönnen. Ich Hab' mein Fleisch un Blut ja heut mit ein Federzug gans von mich abgestrichen, dich allens gegeben, was sonst sie zu­kommen müßt'.

Doht di dat leed?" fragte Janfredrik ungewöhnlich lebhaft.

Brün antwortete nicht darauf.Zu den Jung' bün ich Gevatter. Un die lütt Dern hat ganz die Augen von mein Mutter. Sie sind mein Fleisch und Blut."

Brün," sagte Janfredrik,du bist zu weichherzig. Ich Hab' auch ein Bruder. Aber ich geb' da nix um. Der Mensch kommt allein auf die Welt. Allein geht er wieder heraus und allein steht er da in und wenn er mit tausend

anderen zusammenwohnt. Und alles, was die Tausend Zu ihm sagen, das is man Snack, nich mehr als wenn der Wind übers Moor weht. Was einer zu sich selbst sagt, da

kommt's auf an. Und das ist auch so: wo einer auf den Grund sacken will, da kann kein anderer ihn oben halten. Warum willst du die Flunken hängen lassen über andere? Du kannst da nix bei tun."

Es wär' woll Grund, mein Flügels hängen zu lassen, weil mein Swester un ihr Kinders zugrund gehen," antwortete Brün,un daß da niemand was bei tun kann. Bloß," ein Lächeln leuchtete in seinem Gesicht auf,

bloß, daß ich heut gar un gar nich traurig sein kann. Der

Jung', der Gerd hat recht, ich Hab' dem gansen Herz voll

Sonnenschein."

Janfredrik nickte ihm väterlich zu.Js recht so, mien Bröer Brün." (Fortsetzung folgt.)

und seine Freud.

Ganghofer.

dem verdeckt durch diesen ruhelosen Ring von grell beleuchteten Köpfen, rotglühenden Gesichtern, nackten Armen und dunklen Rücken das butterige Lampel gespritzt wurde. Was man schwatzte dabei, das konnte ich wohl zum Teil verstehen- immer wieder mußte ich mitkichern aber all diese lustige Derbheit, so gesund sie sich auch anhörte, dürfte sich doch geschrieben nicht sonderlich gut ausnehmen. Immer fuhr es wie ein Gewirbel von roter Helle und schwarzen Schatten um den Tisch herum. Manchmal tauchte in einer Lücke etwas Buttergelbes auf und verschwand wieder. Alle paar Augenblicke hob sich über das fidele Gewirr der zwanzig Zausköpfe ein lustiges, scharfgeschnittenes Altweibergesicht mit grauem Haarschopf herauf, das eine Mal lachend und schwatzend, das andere Mal mit aufgeblähten Backen, als hätte das Weib einen großen Knödel im Munde.Dös is d' Resl vom ledigen Hof!" tuschelte der Weißbacher. Und unter all den anderen Weibsleuten fiel mir eine Junge auf, groß und üppig, mit lachenden Blitzaugen, mit einem dicken Blondzopf um die Stirn.Dös is d' Marei, der Resl ihr Madl!" lispelte mir der Weißbacher zu. weard si wohl aa bald aufs