Heft 
(1906) 26
Seite
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Oanseitige verlegen! . . . Aber schaugn mer eini! Probieren mer's halt!"

Ich sah, daß sich der Weißbacher bekreuzte, bevor er die Hüttentür öffnete. Ein rötlicher Qualm nebelte aus dem Hellen Viereck heraus, und in der Sennstube wurde es für einen Augenblick ganz still. All diese zwanzig rotglühenden Gesichter waren die einen erschrocken oder verlegen, die anderen verwundert oder mit Ärger gegen die Tür ge­wendet. Dann erhob sich ein zeterndes Geschrei:Machst, daß d' außi kummst! Gehst naus oder net! Schmeißts'n außi, den Lader!" Eine hohe Stimme grillte:Jessas! Dös is ja die ganze Freid!" Eine andere kreischte:Schau, daß d' hoamkummst, du, zu deim Hannerl ihrem Pfannerl!" Und der ganze Schwarm dieser almerischen Amazonen fuhr mit erhobenen Fäusten, unter Geschrei und Gelachter auf den Weißbacher los.

Der streckte zur Abwehr den Bergstock quer vor sich hin und brüllte:Mar' und Josef! Seids doch a wengl gscheit! I will ja nix! Aber da is a städtischer Jagd­herr da! Der möcht halt gern a bißl zuaschaugn beim Lampelspritzen!"

Jetzt sahen sie mich erst weil ich aus dem Schatten heraustrat, den der Weißbacher auf mich geworfen hatte. Die einen fingen wieder zu kreischen an, die anderen wurden still und guckten ratlos zur Resl vom ledigen Hof hinüber.

Die Alte schmunzelte, während sie zwischen den flinken Händen ein apfelgroßes Stück Butter zu einen: runden Knödel wuzelte. Dann sagte sie mit ihrer scharfen Stimme: Meintwegen! Sollen s' halt da bleiben, zwoa Krippen­reiter! kon i grad brauchen. D' Sanftmuat Hab i dem Lampel mit Butter scho auffigspritzt. Aber 's Dumme muaß i no machen. Da leih i mer's Materali von die Mannsbilder aus!"

Die Almerinnen lachten, und wir beide lachten mit. Das fängt gut an! dachte ich und ging auf den Tisch zu, um das butterne Kunstwerk zu betrachten, das seiner Vollendung entgegenschritt. Lebensgroß war die Gestalt des Butterlammes mit naiver Plumpheit über ein hölzernes Gerippe montiert und zur Hälfte schon mit gelben Krauslocken überspritzt. Die gelockte Schnauze erinnerte an einen Pudel, und mit den himmelblauen Augen, die aus zwei Enzianblüten gebildet waren, guckte das dicke Köpfel drastisch borniert ins Leben. Ich wollte die Technik dieses Gekräusels genauer studieren und beugte das Gesicht. Aber da hatte mich die Marei schon beim Schopf erwischt und stieß mir die Nase in die fette Wolle des Lammes Gelt, dös gfallt d'r, Städtischer?"

Während ein vergnügtes Gejohl die Stube füllte, besserte die Resl den Schaden wieder aus, den das goldene Vließ ge­nommen hatte. Sie tauchte den runden Vutterknödel in das Wasser, das in einen: großen Zuber auf dem Tisch stand, nahm den Knödel in den Mund und preßte zwischen den ge­spitzten Lippen einen dünnen Butterfaden heraus, den sie auf dem Rücken des Lamms unter flinken Kopfbewegungen in Schlingen und Locken legte, wie ein Konditor den Zuckerguß auf die Torte spritzt.

Die Butter von meiner Nase wischend, fragte ich lachend:Weiß denn der Pfarrer, wie das Lampel ge­

spritzt wird?"

Unter dem Gekicher der anderen erwiderte eine Stimme: No freili! Aber aufs Butterbrot weard eahm die Köchin 's Lampel schwarli auffistreichen. Dös weard halt eingsotten auf Schmalz. Da kocht si nacher scho alles wieder außi, was net einighört."

Die Resl hatte die letzte Locke verspritzt, wischte den Mund ab und sagte:Ja, so geht's mit aller Süaßigkeit auf

der Welt! Bal ma's net zeitli zum Umsiaden ins Pfanndl schmeißt, weard's allweil ranzet. Und der da, mit seiner ganzen Freid, weard bald amal einimüassen ins Pfanndl. Sunst kunnt si an seiner ewigen Gaudi der

Schimmel ansetzen!"

Der Weißbacher, der zuvor auf meine Kosten lustig mit­gelacht hatte, machte wütende Augen. Was die leuchtende Freude seines Lebens betraf, da schien er keinen Spaß zu ver­stehen.Du!" drohte er.Auf mi kannst Kletten werfen, so lang' als d' magst! Aber meine Leut dahoam, laßt mer in Ruah!"

Das wirkte, als hätte der Mickei mit seinem Bergstock in einen Bienenkorb gestochen. Die spöttischen Schlauderwörtchen fielen schockweise über ihn her. Alle die zwanzig Lampel- spritzerinnen beteiligten sich an diesem Martyrium des Weiß­bacher. Er kam nur für wenige Sekunden in Schonzeit, als eine der Sennerinnen rief:He! Obacht, Madln! D' Resl spritzt grad dem Lampel sei Schwoaferl an!" Unter Gelächter wandten sich alle zwanzig zum Tisch, denn bei dieser wichtigen, das butterne Kunstwerk vollendenden Prozedur wollten sw alle zugucken. Doch als sich die Resl nach vollführter Tat den Mund wischte, ging es mit scharfen Kratzbürsten wieder über den Weißbacher her. All seine körperlichen Eigenschaften und all seine schöne Freuden, sein blumenfreundliches Haus, sein haareter Prinz" und dasspeckete" Hannerl das alles wurde so schneidig unter die Hechel genommen, daß der Weißbacher, dem der schlagfertige Witz schon längst versickert war, in eine sinnlose Wut geriet und statt aller Antwort nur noch fluchen konnte.

Aber je mehr der Mickei schimpfte, um so fideler lachten diese zwanzig Weiberleute, die im Gefühl ihrer Übermacht wie der Weißbacher richtig prophezeit hatte allen Zaum und Zügel zu verlieren begannen. Und als der

Mickei wieder einmal alle Heiligen und Teufel ins Feuer führte, kreischte von den Sennerinnen eine:Sakra! Der draht auf! Dös is a Scharfer! Mareidl, dös waar oaner für di! Du hast d' Haar auf die Zähnt, und der ander hat's auf'm Herzfleck. Ös zwoa mir anand, dös kunnt a Raff' geben, a haarete!"

Man lachte, daß die kleinen Fensterscheiben zitterten. Und die schmucke, kräftige Marei zeigte die weißen Blinkzähne und sprang im Übermut mit blitzenden Augen auf den Weiß­bacher zu.Wia! Geh her, du! Laß di a bißl kosten!" Sie packte ihn am schwarzen Bart und wollte ihn auf den Mund küssen. Aber der Mickei, unter grimmigen Flüchen, wehrte sich wie ein Wilder. Doch da hing ihm schon ein halb Dutzend von den Weibsleuten am rechten Arm, ein halb Dutzend am linken und bevor es der Weiß­bacher zu einem neuerlichen Fluch brachte, hatten sie schon das lange Mannsbild unter kreischendem Gelächter zu Boden gerissen und fielen wie ein tollgewordener Mänadenschwarm über den Wehrlosen her. Aber bei diesem Gebalge, das die ganze Stube und den Tisch erschütterte, geriet die Resl vom ledigen Hof in Sorge um ihr buttriges Kunstwerk. Jöisas!" rief sie.Seids alle narret woarn? Muaß i enk a bißl abküahlen?" Lachend packte sie den großen Zuber, der auf dem Tisch stand, und goß mit kräftigem Schwung seine reichliche Wasserfülle über den balgenden Schwarm hinunter. Unter Kreischen und Gelächter fuhr der Knäuel auseinander und ich, um diesem Wasserguß zu entrinnen, hatte einen flinken Sprung durch die Tür gemacht. Als ich lachend wieder eintreten wollte, kam mir der Weiß­bacher, triefend am ganzen Leib, entgegengerumpelt und zerrte mich in die Nacht hinaus, in den Glanz der Sterne.Hirni Kreiz Teifi Sakrament überanander!" Er schüttelte das Wasser von sich ab.Gelt, i hab's gsagt: Sach geht schiaf! Himi und Teifel! Un bal mei Hannerl ebbes erfahrt! Mar' und Josef! Aber soll mer oane 's Maul aufmachen von Weibsbilder! So verklag i s' alle mitanand wegen Körper­belästigung! Himi Kreiz Teifi Sakrament überanander!" Dann ging es über mich los, über meine Narretei und meine städtische" Neugier.

Aber je mehr der Weißbacher wetterte, um so lustiger mußte ich lachen. Und immer, während wir unter dem Gefunkel der schönen Sterne zum Wald Hinaufstiegen, klang