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tropisch heißen Landes bewährt die Flora ihr Meisterstück im Vereinigen aller ihrer Leistungen bisher.
Im Mittelpunkt steht die herrliche Vegetation der jüngst verflossenen Kreidezeit. Da grünen und blühen die schönsten -unserer heute noch lebenden Palmen, z. B. riesige Fächerpalmen mit anderthalb Meter breiten Blätterwedeln; dann Pisangs, Drachen- und Lebensbäume, Kampfer, Zimt, Aralien, Lorbeer- und Judasbäume. Den lichteren Graswald bildeten echte Akazien, die Lieblingsbäume der Giraffen, die denn auch in Südeuropa massenhaft vorkamen. Magnolien prangten im rosig angehauchten Blütenschnee. Unter diese Tropenkinder aber mischten sich eigentümlicherweise auch unsere heutigen nordischen Bäume: die Eiche, die Weide, die Pappel, die Buche, Erle und Birke. In üppigster Bildungskraft hatte die Pflanzenhochblüte der Kreidezeit alle diese Typen als solche zugleich herausgebracht, es fehlte zunächst aber noch die sondernde Hand der klimatischen Unterschiede, die erst diese Pflanzenformen je nach ihrer individuellen Dauerhaftigkeit und Anpassungsfähigkeit über die verschiedenen Zonen verteilen sollte: die
Palmen und Bananen später in die Tropen, die Eichen und Buchen in die gemäßigte, die Birken selbst bis in die kalte Zone. In diesem Punkt war es wirklich noch ein echter Paradiesgarten im Sinn der holländischen Maler, die sich bei ihren Paradiesbildern freuten, einmal nach Herzenslust Gewächse und Tiere aller Zonen durcheinander am gleichen Fleck malen zu dürfen; vor dem älteren Tertiärwalde hätten sie das direkt wissenschaftlich gedurft. Dieses „Paradies" umschloß aber tatsächlich auch noch alle von früher übrig gebliebenen Pflanzenformen der Erdepochen vor der Kreide. Seine feuchten Gründe am sprühenden Wasserfall schmückten die letzten, durch so viel Jahrmillionen verschlagenen Farnbäume der Steinkohlenzeit. Weite Sumpfstrecken oder Sandfelder aber überzog einförmig der in größtem Umfang immer nebenher gerettete Nadelholzwald der Trias- und Jurazeit. In dem heutigen Senften- berger Revier in der Niederlausitz bildeten kolossale Stämme der Sumpfzypresse unwegsame Waldmoore, wie heute am Mississippi. An den Ufern geheimnisvoller nordeuropäischer Riesenströme, deren Name „kein Lied, kein Heldenbuch" nennt, dehnten sich unabsehbar weite einförmige Forste hin von fremdartigen Kiefern und (heute) ostasiatischen Fichten, gelegentlich durchsetzt von einem Stande immergrüner Eichen — das Blätterwechseln war als vorerst überflüssig in diesem Tropenlande noch nicht erfunden — und Buchen; auf der Lichtung blühte auch hier wohl ein Magnolienbaum, oder einzelne ganz hohe überragende Palmen bildeten wie in Mittelamerika heute einen „Wald über dem Walde", dem die Mischung von Fichten und Palmen im verwegensten Sinn einen Paradiescharakter verlieh.
Von diesen Nadelholzstämmen träufelte nun überall, wo ihre Rinde durch Bruch oder Blitz, durch fressende Eichhörnchen, klopfende Spechte oder wild verheerende Insekten versehrt war, das Harz wie tropfendes Lebensblut, das vergebens durch Gerinnen die Wunden zu heilen suchte. Und aus diesem goldenen Kiefernblut wurde verhärtet der Bernstein, den nachher das Meer verschwemmt hat, so daß er heute seltsamerweise in der „blauen Erde" des Samlandes, die seine eigentliche Fundstätte gegenwärtig ist — in Nord- und Ostsee ist er nun abermals fortgespült — zwischen Haifischzähnen und Meermuscheln ruht. Die Spinnen, Insekten und Pflanzenkätzchen, die er einst frisch fließend in sich hinein kittete, erzählen aber noch immer deutlich von seiner wahren Herkunft als Waldkind.
Mindestens zwei Millionen Jahre lang hat dieses alttertiäre Tropenparadies bestanden. Kein Wunder, wenn in dieser ungeheuren Zeitspanne allein der Harzfluß seiner Kiefernwälder solche Schichten lieferte, daß heute eine ganze Industrie danach graben darf und jedes spielende Kind an unserem deutschen Seebadstrande auf verstreute Proben stößt. Führten doch die Waldmoore selbst fast zu den Zuständen der Steinkohlentage zurück, indem sie jetzt die gewaltigen Lagen unserer Braunkohle bildeten. Das Bernsteingold dieses Paradieswaldes
träufelte aber noch in seine Ströme nieder, die es den: Meere zutrugen — da erschien im Walde der Mensch.
Alle Anzeichen vereinigen sich heute zugunsten der Annahme, daß ganz schlichte Spuren von Menschheitskultur, von einer ersten Benutzung von Steinwerkzeugen, zurückgehen bis in die Mitte der Tertiärzeit, in die sogenannte Miozänzeit. Die wirkliche Entstehung des Menschen müßte dann noch ein ganzes Stück weiter zurückweisen. Sein Körperbauplan, verglichen mit dem Bauplan der höchsten Tiere und dessen chronologischer Beziehung, deutet geradezu noch auf die Eozänzeit, also das erste Drittel schon der Tertiärzeit.
Selbst der biblische Mythus, der nicht an die wissenschaftliche Betrachtungsweise einer wirklich zusammenhängenden Entwicklung denkt und sich durch sie also nicht gebunden zu fühlen braucht, läßt den Menschen erst hervortreten, als die ganze übrige pflanzliche und tierische Schöpfung zum erstenmal ungefähr fertig dasteht. Wissenschaftlich gesprochen und also auch im Sinn einer ersten wirklichen entwicklungs- geschichtlichen Möglichkeit trat dieses „Fertigsein" im wesentlichsten Bestände zum allerersten Male ein eben mit der Eozänzeit. Noch viel weiter kann man unmöglich mit dem Menschen zurückgehen, da sonst seine Voraussetzungen fehlen. Nichts aber kann uns hemmen, und es spricht sogar manches dafür, ihn wirklich bereits als eine Blüte auch gleich der Zeit zu nehmen, die zum erstenmal umfassend diese Voraussetzungen erfüllt zeigte.
Mit Beginn der Eozänzeit, und also der Tertiärzeit überhaupt, war der Sieg der Säugetiere auf der Erde entschieden. Die Herrschaft der Saurier ist endgültig gebrochen. Einzelne große Reptile existieren ja noch bis heute fort, wie das Krokodil, das im Süßwasser ein Asyl gefunden hat, und die Riesenschlangen; die Landschildkröten erreichten in der Tertiärzeit sogar noch ihr räumliches Maximum mit der Kolossochelys der Vorberge des Himalaja, die zwanzig Fuß lang wurde; einzelne gigantische Varaneidechsen haben vielleicht noch in die Drachenmärchen der Völker hineingespielt. Aber keiner der riesenhaften Dinosaurier, kein Flugsaurier, im Meere kein einziger Ichthyosaurus, Plesiosaurus oder Mosasaurus gehen weiter mit. Über ihrem eigentlichen Nntergangsakt liegt für uns noch eine gewisse Wolke — das Faktum leidet keinen Zweifel. Sind sie von neuen Feinden ausgerottet worden? Haben Epidemien sie zuletzt hingerafft? In Südamerika haben riesige, furchtbar gewappnete Vögel sie wahrscheinlich vertilgen helfen. Im Ozean mag ein kolossaler Aufschwung der Haifische die Schwimmdrachen bedroht haben, wahrscheinlicher aber noch die mit besserem Gebiß bewehrten und zum Teil sogar gepanzerten ältesten delphinähnlichen Seesäugetiere — also schon der neue Tiertypus selbst, der allgemein an ihre Stelle treten sollte. Auf dem Lande werden auch mittelgroße, vielleicht Wölfen und Hunden nur gleichkommende Raubsäugetiere schließlich mit ihrem verfeinerten Gebiß, ihrer größeren Beweglichkeit und Intelligenz verhängnisvolle Angreifer selbst für die größten Sauriergiganten geworden sein, sobald sie wie unsere Wölfe sozial, vielköpfig zu Masfenangriffen vereint, vorgingen. Unter sich hielt sich zwar Säugetier zu Säugetier wieder stand, ohne daß es zu Ausrottungen kam; zwischen Säuger und Saurier aber war auf die Dauer kein Ausgleich möglich. Mit am zähesten hat sich eben noch die meist kleine Giftschlange gehalten, die ihren Speichel in einem hohlen Zahn zur verheerenden Giftwaffe machte, als sonst das Schlangengebiß nicht gegen die neuen, besseren Zahnformen und Kieferformen aufkam. Aber der Igel frißt schließlich auch als giftfestes Säugetier die Schlange, und wie unbedeutend ist im ganzen ihre Rolle in den meisten Erdgebieten doch heute! Gerade dieser Igel und die ihm nahverwandte Spitzmaus, uralte Säuger, bieten bei all ihrer Kleinheit treffliche Proben, was für ein wahrhaft entsetzlicher „Beißer" dieses Säugetier gleich zu Anfang bei nur etwas Größenzunahme schon vermöge seines brillanten Gebisses und tollkühnen Mutes gewesen sein muß. Das winzige Wasserspitzmäuschen von heute, das mehrpfündigen