Heft 
(1906) 28
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am Hut. Mit ruckweisen feierlichen Schritten kam sie langsam heran, und ein Ernst und eine Schicksalsschwere lagen in Gang und Haltung, daß unwillkürlich die Männer vor der Haustür ihre eigene Angelegenheit vergaßen und gespannt auf den Kommenden starrten.

Janfredrik Holm", sagte Jan Meier-Clüvers leise, und das Lächeln erstarb auß seinem Gesicht. Er dachte an gestern abend. Anders als sonst hatte der verschlossene Mann sich gegeben, jünger fast zu jung. Er sah die rote Schleife an seinen: Hut. Hinrich Latwesen war ein junger Kerl wie er selbst auch der da kan:, zählte sünfunddreißig Jahre.

Janfredriks Züge waren hart wie Eisen, der Blick seiner Augen scharf wie ein Messer.

Auf der langen Fahrt hatte er sich etwas wie einen Plan zurechtgemacht. Es war eigentlich kein Plan, nur ein Ausfluß der Trunkenheit, die noch immer in ihm raste der Trunkenheit von dem späten Glück, das ihm geworden war. Nur ein um so größeres Recht glaubte er darauf zu haben wegen des Opfers, das er ihn: geschlachtet hatte. Wer konnte es ihn: entreißen, nachdem er dies Furchtbare dafür getan hatte?

Vielleicht würden sie's versuchen: der Staat, das Gericht, das Gesetz. Janfredrik hatte nie mit ihnen zu schaffen haben wollen. Er meinte, die Menschen hätten das alles nur er­funden, weil sie Stellen brauchten für solche, die nicht pflügen und graben wollten. Was aber ein rechter Kerl sei, der

schaffe sich selbst sein Recht. Er hatte sich's geschafft.

Möglich, daß sie sich jetzt mit ihm befaßten, fragten. Aber er würde auf ihre Fragen nicht antworten. Keine Silbe bekamen sie aus ihm heraus. Und wenn er nur schwieg, wer wollte ihm die Tat beweisen? Wer beweisen, daß Brün gestern nacht nicht in Bremen geblieben sei?

Nein, er räumte ihnen keine Gewalt über sich ein. Sein Kamerad hatte ihm sein Glück nicht aus der Hand winden können die sollten's erst recht nicht. Er hielt's. Er hielt's mit List, mit Gewalt-, mit Lüge um jeden Preis.

Mit eiserner Stirn stand er vor dem Vorsteher, und seine Stimme klang hart und fest.Vorsteher Ehlers, könnt ich woll ein Wort mit Fröl'n Sophee sprechen un mit dein Swester, de Frau Klünders?"

Das tut mir leid, Janfredrik Holm", sagte Ehlers, froh, daß er diesmal wenigstens nicht als Mittelsperson angerufen wurde.Aber das kannst' räch. Die ganze Familie Klünders is heut nach Hamburg abgefahren."

Was? Was?!" Die Burschen fuhren auf.

Über Janfredriks Bronzegesicht flog ein grünlicher Schimmer. Vorsteher Ehlers, ich muß mit dein Sophee sprechen. Verstehst das? Ich muß."

Ja, Janfredrik, was kann ich dabei tun? Die Dern is nu all in Ottersberg auf der Eisenbahn."

Und Kort Ehlers, der ein politischer Mann war, ergriff die Gelegenheit, den drei Männern, deren Anliegen er erriet, auf eine unpersönliche Art die Sachlage klarzumachen.

Mein Swester sieht das ja nich gern, daß da über ge- snackt wird. Aber ich weiß nich, warum ich vor meinen Nach­barn hinter dem Berg halten soll. Sie sind sehr vergnügt abgefahren auf ein Telegramm hin, das ein Bote heut gebracht hat. Was unser Sophee is nämlich, die is seit dem Früh­jahr mit ein Baumeister versprochen. Un nu soll das öffentlich gemacht und mit en großen Hopheh gefeiert werden."

Janfredrik packte des Vorstehers Arm.Das is nich

wahr!" schrie er heiser.Das kann nich wahr sein."

Ehlers sah ihm grad in die Augen. Er dachte an

seine Schwester, deren Hoffnung jener getäuscht hatte.Es sind manche Dingens wahr, die kein Mensch sich erwartend ist. Ich mein', du solltst dich da nich über wundern, Jan­fredrik Holm."

Janfredrik hörte ihn nicht.Nach Hamburg," wiederholte er,nach Hamburg. Weißt welche Straße?"

Das soll ja nah beim Pferdemarkt sein."

Hamburg, beim Pferdemarkt. Gut." Er wandte sic stampfte zur Brücke zurück und wäre fast in den Kanal g fallen, so stark schwankte er.

Janfredrik schritt den Weg zurück, den er gekommen wo immer besessen von seiner fixen Idee. Er wollte nicht glaube was Ehlers sagte. Er durfte es nicht. Wenn er glaub' müßte, daß sie ihn zum Narren gehalten hätte, ihn sar allen andern Burschen Schmalenbeeks, samt Brün! Wenn glauben müßte, daß er um einen Trug, ein Nichts, eim Spaß mit den Fäusten da. Noch immer meinte unter den Fingern warn: und weich den Lebenspuls d Menschen zu fühlen, der ihn: einst der liebste gewesen wo Aber das Leben ging ja nicht weiter, wenn er das gla ben müßte!

Er wollte sie selbst fragen.

Er ging heim. Alles Geld, das im Haus war, raffte in die Tasche. Dann sattelte er den Gaul. Er würde no Ottersberg reiten, in die Bahn steigen, nach Hamburg fahre

Als er das Pferd herausführte, kam der Gendarm üb die Brücke. Janfredrik blieb steif stehen. Sie fragten sch- nach ihm, die von: Gericht. Nun galt's klug sein.

Holm!" rief der Gendarm von weiten: ihm zu, Brün Lorensen bei Ihnen in Schmalenbeek?"

Nee!" antwortete Janfredrik.

Der Gendarm nahm ein Blatt aus seiner Brieftasche.

Das ist denn ne schlimme Sache, Holm. Torfschifst die nach Stellichte zurück wollten, haben heut in: Schilf ' der Hamme hängend einen gefunden. In seinen: Tasche buch stand ein Name, aus dem wollen die Bremer Herr Brün Lorensen, Schmalenbeek, herauslesen, obgleich die Sehr schon was durchweicht war."

Janfredrik hatte auf den Boden gesehen bei der Erzählun Jetzt fragte er nur ein Wort:Tot?"

Ja, freilich. Und da wird nichts übrig bleiben, Hob Sie müssen gleich mit nach Bremen und die Leiche rekognosziere damit das Gericht Gewißheit kriegt."

Ja," sagte Janfredrik,da wird nichts übrig bleibe Ich will anspannen." Er dachte dabei, daß er von Brem sehr schnell nach Hamburg würde kommen können.

Es tut mir leid für Sie, Holm", versicherte der Ge dar:::.Sie zwei vertrugen sich wie ein Paar Brüü Nee, wirklich, da hat sich der ganze Kreis über gefreut."

Wie ein Paar Brüder", wiederholte Janfredrik. U plötzlich, zu seiner eigenen Verwunderung kam's über ihn, d er sich wegwenden mußte und die Augen mit der Hand m decken. Als er sie wegnahm, waren seine Finger naß. l schrieb das der ungeheuren Aufregung zu, die in ihm tob von der er meinte, sie müsse aus allen Poren seines Körpc Hervorbrechen und ihn verraten, während er doch in eir eisigen Fassung wie erstarrt verharrte. Sie sollten nicht V' dacht schöpfen, nicht ihn zurückhalten! Nur das nicht! mußte Sophee sprechen. Aus ihrem Mund mußte er hör: daß Ehlers gelogcn hatte, daß sie ihn liebte, ihn allein. T nach mochte kommen, was wollte.

Er zwang seine steifen Lippen zu sprechen.Weiß m schon, wie ich will sagen, hat man schon eine Vermutung

Nur so viel, daß es kein Raubmord ist. Der Tote ha seine Uhr bei sich, und die Taschen waren nicht durchwüh Wahrscheinlich wird sich's um ein Unglück handeln."

Ja, um ein Unglück", wiederholte Janfredrik.

Der Gaul ward eingeschirrt. Janfredrik kletterte auf t Wagen und winkte dem Gendarm aufzusteigen. Und da fuhren sie die Dorfstraße entlang, in einem düsteren Schweig, das der Beamte ehrte. Der Tote war de::: Mann ja Frc Kind und Verwandtschaft gewesen!

Ein weiter Weg bis Ottersberg.

Auf dem Bahnhof mußten sie warten. Der Genda frühstückte. Janfredrik hatte seit dem Abend vorher nichts , gessen, aber der Bissen quoll ihm im Mund. Er trank eir kleinen Korn und noch einen. Die Hände in den Tasch'