Heft 
(1906) 28
Seite
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Die Verhandlungen waren kurz, da Janfredrik in allem geständig war. Ganz knapp, ganz sachlich schilderte er den Hergang, die Motive kaum andeutend, kein Wort, das ihn entschuldigte in allem, was er sprach. Die Entlastung kam ihm von seinen Landsleuten.

Die sahen mit Teilnahme auf den Strahn von blendendem Weiß, den wenige Wochen durch das blonde Stirnhaar des Mannes gezogen hatten, und sagten von ihm aus, wie sie's fühlten und wußten: ein fleißiger Bauer und ein Mann, auf den Verlaß war, kein Trinker und kein Zänker. - Den Ermordeten, einen armen Knecht, hatte er aus gutem Willen zum Teilhaber an seinem Hof gemacht, zu dessen Ankauf jener nicht einen Pfennig zugesteuert hatte, er hatte ihn gehalten wie einen Bruder. Einer wie alle bezeugten sie das.

Und die jungen Haussöhne sprachen von Sophee und den Hoffnungen, die sie in ihnen allen geweckt hatte. Jan Meier-Clüvers schilderte den Grogtrunk bei Peter Petersen. Er sei nur so freigiebig gewesen aus Lustigkeit, weil er morgen mit der Sophee Klünders sich habe versprechen wollen. Und wenn er's nachträglich bedenke, so meine er, daß sowohl Janfredrik wie Brün sich mit gleicher Absicht getragen hätten wahrscheinlich auch mit dem gleichen Recht. Er gab auch in Übereinstimmung mit Peter Petersen zu, daß sie viel getrunken hätten. Er selbst sei so schwindlig gewesen, daß er sich erst mal in sein Boot gelegt hätte, um auszuschlafen. Als er dann in der Nacht aufgewacht sei, wäre dieLuise" weg gewesen. . . Bon Klünders' war keiner vor Gericht erschienen. Man las ein nichtssagendes Protokoll. Es hieß, Sophee liege krank.

In Anbetracht der günstigen Zeugenaussagen und der achtungwerten und unbescholtenen Persönlichkeit des Angeklagten selbst erhob der Staatsanwalt die Anklage nicht auf Mord,

sondern auf Totschlag und befürwortete selbst die Zubilligum mildernder Umstünde. Und der Gerichtshof, ergriffen voi dem Schicksal des Unglückseligen, dem ein Moment de Leidenschaft ein ganzes Leben in Ehren zerbrochen hatte, uw aus dessen Wesen eine Verzweiflung sprach, die kein Urtei aus Menschenmund steigern oder mindern konnte, erkannte au drei Jahre Gefängnis.

Janfredrik nahm die Strafe an, starr, wie er die Ver Handlung über sich hatte ergehen lassen. Kein Zug in seinen Gesicht veränderte sich, als die Schmalenbeeker einer nach den andern herzutraten, ihm die Hand drückten, aufmunternd Worte sprachen. Nur Ehlers hielt er fest.Vorsteher, wem du mien Veih vor mi verköpen wuttst."

Ehlers versprach's; auch, daß er nach Haus und Ho sehen wolle. Janfredrik könne ihn: immer schreiben, wie er'; gehalten haben möchte.

Janfredrik hatte noch ein Anliegen.. . . Wenn du mie: Karo in dien Huus nehmen wuttst. He hett so veel vm Brün Hollen."

Ehlers versprach, auch das.Mit Gott, Janfredrik."

Dann wurde Janfredrik abgeführt. . .

Hinten im Zuschauerraum stand Brüns Schwager, Kor Swensen, der inzwischen aus dem Gefängnis losgekommen war Er hatte sich schon vor Wochen beim Gericht gemeldet. Wem Brün Lorensen tot war, dann war dessen einzige Schwester Margret Swensen, seine Erbin. Korl Swensen hatte Eile, au den schönen Hof einzuziehen, den seine Frau ihm beschriebe: hatte. Aber auf dem Gericht wurde ihm bedeutet, daß ei: Testament vorhanden sei, und da das auf der Schwester Ver langen geöffnet wurde, fand es sich, daß Brüns Familie nichü zu erben hatte und alles Eigentum des Verstorbenen an seine: Partner fiel. (Fortsetzung folgt)

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Rembrandt van Ryn.

Von Professor vr. C. Voll.

ir feiern am 15. Juli das Dreihundertjahrfest von Rem- brandts Geburtstag. Der Meister, dessen Elternbaus am größten deutschen Strom lag, und der auch nach dem Rhein benannt ist, gehört uns Deutschen mehr an als irgendein anderer der fremden Künstler, die wir lieben und bewundern. Die großen Namen der italienischen Malerei, die blendenden Werke des Velasquez, Rubens und Franz Hals sind uns verehrungswürdig; aber so lieb und vertraut wie die des Müllersohnes von Leyden sind sie uns nicht. Er ist ja kein Deutscher; aber sein Volk und das unserige sind nahe beisammenstehende Zweige am Stamm der Germanen, und Rembrandt ist der größte ger­manische Künstler, den die Geschichte kennt. Darum verstehen wir ihn so gut, obschon er nicht unmittelbar zu uns gehört. Was unsere großen Meister wollten, das war auch sein Ziel, und wenn er auch natürlich nicht vermeiden konnte, sich der speziell holländischen Ausdrucksformen zu bedienen, so hat er doch vor allem das rein Germanische in der Kunst betont.

Die letzten Jahrzehnte haben Rem­brandt mehr Ehre erwiesen als irgend­ein Jahrhundert zuvor. Er schien ge­wissermaßen der Künstler der Mode zu sein; aber es ist doch nicht die Laune des Tagesgeschmacks gewesen, die ihn als den bedeutendsten aller Maler pries, sondern ein tiefes, untrügliches Gefühl,

mehr noch klare Erkenntnis der Tatsachen ließen uns in ihm den Meister sehen, der den eigentlichen Abschluß der klassischer Malerei darstellt, und der in seinem außerordentlich umfang­reichen Lebenswerk alle Probleme zusammenfaßte, die sich seim Vorgänger gestellt hatten. Sein Stil ist die Quintessenz der alten Kunst. Er hat wie kein anderer vor ihm die reir künstlerischen und die rein menschlichen Interessen zu einer Ein­heit zu verbinden gewußt, die die höchste uns in der bildender Kunst bekannte Poesie darstellt.

Rembrandts Natur war ungewöhn lich vielseitig, und das mußte sie auch sein, wenn all die Aufgaben gelöst werden sollten, die seiner Zeit gesteckt waren. Er gehörte dem reifen Barock an, das in merkwürdiger Mischung Anmut und Übermaß, Einfachheit und Pomp, zarte Innerlichkeit und brutale Kraft liebte und pflegte. Alle diese einander widerstrebenden Eigenschaften sind in seinem Werk verkörpert, und zwar nicht derart, daß sie einander ab- lösen, sondern er schafft zur gleichen Zeit ein Gemälde von hinreißender Grazie und von abschreckender Gewalt. Das ist nun kein Zeichen von plan­loser Willkür, die von Extrem zu Ex­trem geht, sondern hier offenbart sich die beste Seite seiner Kunst: die echte Menschlichkeit. Ihm sind alle Regun­gen des Menschenherzens vertraut ge­wesen, und er hat ihnen allen Ausdruck

Rembrandts Sohn Titus. (Wien, Hosmuseum.)

EMM

MW