Heft 
(1906) 30
Seite
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Brün hat dir lieb gehabt", murmelte Janfredrik.Warum sollt' es denn nicht gehen?"

Weil aber sehen Sie denn nicht? Ich Hab' einen Abscheu vor Ihnen!"

Sie lief hinaus.

Janfredrik hielt sich an der Tischkante. Ihm war plötzlich ganz schwindlig, und obgleich die Stube nur schlecht geheizt war, perlte ihm der Schweiß auf der Stirn.

Das is noch swerer als ich gedacht Hab'. Das is fast zu swer."

Eine tiefe Entmutigung kam über ihn. Schwerfällig setzte er sich auf seinen Stuhl. Der Entschluß in seinem Herzen wankte. Das schlimme Weib, der tückische Knabe, das Mädchen, das ihn verabscheute, sollte er sie wirklich zu sich zwingen,

gewaltsam, wider ihren Willen? Die Hölle für ihn für sie vielleicht nicht einmal ein Gewinn.

In diesem Augenblick kam der fremdländische Händler herein. Janfredrik sah sein lauerndes Gesicht, die gierigen Augen. Die Rotblusige setzte sich zu ihm. Die zwei flüsterten, lachten.

Da riß Janfredrik Holm sich gewaltsam auf.

Da is nix zu überlegen. Ich bin Brün das schuldig geworden. Un was Ein' schuldig is, das muß er zahlen."

Mit steifen Schritten ging er zum Polizeibureau.

Herr Kommissär, das bleibt dabei. Ich nehm' die Swensens mit mich un verpflicht' mich, für die Kinders zu sorgen wie für mein eigene. Wenn Sie mich nu helfen wollen, das in Ordnung zu bringen." (Fortsetzung folgt.)

Deutschland und der amerikanische Fleischhandel.

Von vr. L>ermann Diez.

enn der amerikanische Karikaturenzeichner, der jahraus, jahrein imNew Jork Journal" die volksfeindliche Tyrannei der Trusts durch fürchterliche Zerrbilder verhöhnt und bekämpft, neuerdings einen charakteristischen Ty­pus für den Fleischtrust braucht, so wird er nicht lange zu suchen haben. Die ganze Welt ist voll des Ekels über die unerhört unappetitlichen Zustände, die nach einem Bericht, der doch immerhin amtlichen Charakter trägt, in den Schlacht- und Packhöfen des Fleischtrusts herrschen sollen und nach dem Ver­lauf der von Theodore Roosevelt mit edlem Eifer und herz­hafter Entrüstung eingeleiteten Gesetzgebungskampagne vor­aussichtlich auch noch länger herrschen werden: das Reprä­sentantenhaus des Kongresses hat dem Gesetz, das den Trust unter eine energische Kontrolle stellen wollte, zwei der schärfsten Zähne ausgebrochen. Und nachdem der Trust so seinen ge­waltigen Einfluß auf die Gesetzgebung in einer ganz besonders kritischen Situation erprobt hat, kann er mit leidlicher Ruhe in die Zukunft sehen.

Wenn der Grundsatz, daß keine Arbeit schändet, vielleicht das Beste ist an der Neuen Welt, so ist der andere, daß der Dollar nicht rieche, sicherlich das Schlimmste an und in dem Land derunbegrenzten Möglichkeiten", um dieses allerdings nächstdem zu Tod gerittene Schlagwort wieder einmal zu gebrauchen. Unter der Herrschaft des großkapitalistischen Betriebs aber und seiner unpersönlichen, mechanisierten Arbeit nimmt dieser bedenkliche Grundsatz einen besonders brutalen Charakter an, und die ungeheure Konzentration des Kapitals in den Riesentrusts muß ihre verhängnisvollen Wirkungen auf die schärfste Spitze treiben. Die hoch-, zum Teil über­kapitalisierten Trusts wollen und müssen die Rentabilität erzwingen, koste es, was es wolle.

Die amerikanische Schlachtindustrie hat sich erst in den letzten Jahrzehnten zu ihren jetzigen riesenhaften Dimensionen ausgewachsen, denn die Voraussetzung dafür war erst gegeben, als die Vervollkommnung der Transportmittel, insbesondere die Einführung der Kühlwagen die Versendung geschlachteten Viehs auf weitere Entfernungen gestattete. Früher gab es auch in New Jork und Newyersey große Schlächtereien; jetzt sind um Chicago und St. Louis etwa 30 Millionen Rinder und 40 Millionen Schweine konzentriert. In Chicago selbst sind im Jahr 1900 rund 1,8 Millionen Stück Rindvieh, 3 Millionen Schafe und 7 Millionen Schweine geschlachtet und verarbeitet worden. Daß dabei nicht alles zugeht,

wie es sollte, weiß man schon lange. Es ist oft fest­gestellt worden, daß die Sauberkeit der Arbeit sehr viel zu wünschen übrigläßt, und daß die Fleischbeschau, die über­haupt erst auf Drängen des Auslands, und nur für das zum Export bestimmte Fleisch eingeführt worden ist, noch in den Kinderschuhen steckt.

Immerhin fällt es mir schwer, alles für richtig zu halten, was an Beschuldigungen gegen die Schmutzwirtschaft in den Schlacht- und Packhöfen erhoben wird. Als ich vor jetzt

genau zwei Jahren auf der Rückreise von der St. Louiser Weltausstellung in Chicago weilte, wurde mir der Zutritt zu einem der Riesenbetriebe, wie jedem, der mit einem Em­pfehlungsbrief ausgestattet ist, bereitwillig gestattet. Und was man da vor allen Dingen sieht, ist eine Reihe überaus zweck­mäßiger Einrichtungen, wie sie eben nur der Riesenbetrieb gestattet, Einrichtungen, die die zu schlachtenden und ge-

schlacklleten Tiere vor jeder Berührung mit Wänden oder Fußböden schützen, Einrichtungen, die jeden Mann so fest an seine bestimmte Arbeitstätte und an eine einzige Funktion fesseln, daß die straffe Ordnung auch eine gewisse Reinlichkeit garantiert. Aber der Laie, der zum ersten- und einzigenmal eine derartige Anlage betritt, kann wohl nicht den Anspruch erheben, als klassischer Zeuge zu gelten. Ganz abgesehen

davon, daß man ihn nicht gerade dorthin führen wird, wo er schlechte Eindrücke gewinnen könnte, legen sich auch der

furchtbare Dunst und Geruch des Blutes wie das grausige Bild der triefenden Schlächter so betäubend auf seine Sinne, daß er sich in neunzig von hundert Fällen beeilen wird, die Stätte des Schreckens wieder zu verlassen, um nichts mitzu­nehmen als die Erinnerung an einen verwirrend großen Betrieb und an ein entsetzlich blutiges Handwerk. Bemerkenswerter als ein Laienurteil, wie es in den letzten Jahren viele Aus­stellungsbesucher gefällt haben, ist der Bericht der Deutschen' Landwirtschaftsgesellschaft vom Jahr 1903. Darin heißt es, in bezug auf Cansas City, wo die Armour Co. täglich 12 000 Schweine, 4000 Rinder und 6000 Schafe zum Versand fertig macht, daß der Berichterstatter die Schlachthäuser bei weitem nicht so schmutzig gefunden, wie er sie sich vorgestellt hat, und daß überall das Bestreben herrsche, die Anlagenden Verhält­nissen entsprechend" möglichst sauber zu gestalten. Dieses Urteil kann jedenfalls nicht als im günstigen Sinn voreingenommen gelten, denn die deutsche Landwirtschaft kämpft ja seit langen Jahren gegen das amerikanische Fleisch und leitet die Be­rechtigung dazu speziell aus den hygienischen Verhältnissen her.

Zu einiger Vorsicht mahnt aber auch noch ein anderes Moment. Zu den amerikanischen Typen, die die vespa- sianische Gleichgültigkeit gegen die Herkunft des Goldstücks ins letzte Extrem treiben, gehört derMann mit der Mistharke", wie Roosevelt ihn genannt hat, der Journalist, der es unter­nimmt, nicht etwa Augiasställe zu reinigen, denn dazu reichen seine Kräfte und Werkzeuge nicht aus, wohl aber hin und wieder ein Häufchen Unrat ans Tageslicht zu zerren und dabei sein kleineres oder größeres Geschäft zu machen. Man hat kürzlich von einem amerikanischen Blatt erzählt, das seinem industriösen Herausgeber Hunderte und Tausende von Dollars