Heft 
(1906) 35
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das begriff er klar. Nie konnte ihm wohl werden in der Nähe des Mannes, dessen Züge und Wesen ihm unaufhörlich all sein Unglück, all seine Schuld vergegenwärtigten, und der fortan seines Kindes Nächster sein würde. Aber er fühlte, es mußte sein. Sanft strich er über des Mädchens blonden Scheitel. Geh zu Bett, mien Dern. Das wird woll all recht werden."

Am nächsten Tag blieb Janfredrik zu Haus. Sie brauchten ihn nicht im Torfstich. Brün würde schon aufpassen, daß ihm von seinem Erbe kein Pfennig vergeudet würde.

Als Gerd Klünders kam, sprach er ganz trocken und ge­schäftsmäßig mit ihm. Trina Swensen und ihr Bruder waren seine Erben. Brün bekam den Hof, Trina, was etwa an Barvermögen da sein würde.Du mußt nich denken, daß mein Tochter ein Bettelmädchen is."

Was den Zeitpunkt der Hochzeit betraf, da war's auch ihm recht: je eher, je besser. Die Wochen vorher, das wußte er, würden eine Qual für ihn werden, ein stückweises Ab­schiednehmen.

Der Form wegen wurde auch Margret Swensen gerufen, um unter Tränen und Seufzern ihre Einwilligung zu geben.

Und Trina war eine stille Braut. Zwischen den Feldern, an der Seite des Geliebten konnte sie scherzen und lachen. Im Hause lastete Janfredriks Wesen auf ihr. Er sprach kaum noch. In stummem Grübeln ging er durch Haus und Hof. Kein ungutes Wort hörten sie oder Gerd von ihm. Trina kannte ihn genug, um trotzdem zu wissen, wie er innerlich rang und litt.

An einem Sonntag war in Grasdorf die Trauung und dann auf Holms Hof der Hochzeitschmaus. Das junge Paar schied schon am frühen Nachmittag, denn die Fahrt nach Ottersberg war weit.

Vor der Haustür nahmen sie letzten Abschied von Jan- fredrik Holm. Gerd reichte ihm bewegt die Hand.In Frieden, Janfredrik Holm. Lassen Sie mich hoffen, daß Sie keinen Groll gegen mich hegen."

Janfredrik nahm die Hand, drückte sie.In Frieden, Gerd Klünders."

Und:Auf Wiedersehen!" hieß es bei den Jungen. Auf Wiedersehen!" antwortete der Alte. Die Tücher wehten hüben und drüben.

Janfredrik aber kehrte nicht ins Haus zurück, wo die Gäste schmausten und tranken. Er ging hinaus ins Moor. In: Sonnenschein flimmerte der ferne Schneestreifen des Flocken­grases. Und im Herzen des Mannes war die Stille, die nach schwerem Ringen über den Menschen kommt. Die Kraft ist vermindert. Aber ein gutes Bewußtsein des Sieges adelt das Gefühl der Schwäche.

Auf einem umgefallenen Birkenstamm sitzend, starrte er dern Wagen nach, der kleiner und kleiner wurde auf der schnur­geraden Straße im endlosen Moor. Wie der Wagen kleiner wurde vor Janfredriks Augen, so würde sein eigenes Bild kleiner und kleiner werden in seiner Tochter Herzen. Langsam, unaufhaltsam würde die Entfernung wachsen zwischen Trina und ihm, trotz all des guten Willens auf beiden Seiten, bis der alte Bauer im Moor nur noch ein Punkt war am Horizont ihres Lebens, den ihres Mannes Gestalt ganz ausfüllte. Das Sonnenlicht war aus seinem Haus geschwunden, was übrig­blieb, war grauer Nebel

Da legte eine Hand sich auf Janfredriks Schulter. Alheid Ehlers stand hinter ihm. Die Sorge um ihn hatte sie vom Festmahl getrieben.

Er nahm ihre Hand, drückte sie.

Ja, nu is mein Tochter weg. Nu bin ich ein einsamen Mann in mein Haus."

Janfredrik ..."

Du hast recht. Zu mein Befriedigung, un um mir das Leben leicht zu machen, Hab ich ihr ja nich hingenommen, sondern damit, daß ich Brüns Blut das Glück auf der Welt schaff, um das mein Freveltat ihn gebracht hat. Es war ein sweren Ding. Aber ..." Er stand auf. Er reckte sich zu seiner vollen Höhe, und fast stolz glitt sein Blick über das weite Moor und zum goldenen Himmelsrand.Aber nu is das abgezahlt. Es is abgezahlt, Alheid. Wenn unser Herr­gott mich ruft, ich bin mein Bruder Brün nix mehr schuldig."

Und in dern Herzen des alten Mädchens war bei aller Wehmut ein freudiger Stolz, daß der Mann, den sie liebte, sich durchgerungen hatte zum Frieden mit sich selbst, und ein heimliches Glück dazu, daß sie seinen Lebensabend umsorgen > durfte mit ihrer stillen Treue.

Friederike Hoßmarm. (Zu nebenstehender Abbildung.) Von der einst so gefeierten Bühnendarstellerin Friederike Goßmann, die am 15. August, 68 Jahre alt, als Gräfin von Prokesch-Osten in Gmunden verstorben ist, weiß die heutige Generation nicht mehr viel. Und doch ist sie seinerzeit die berühmteste Darstellerin derGrille" gewesen und hat nicht nur in Deutschland, sondern auch am Wiener Hof- burgtheater, in Petersburg, Amsterdam usw. die glänzendsten Erfolge errungen. Friederike Goßmann war ein Würz­burger Kind, das schon mit 15 Jahren auf die welt- bedeutenden Bretter trat, von der Mutter Felix Dahns auf ihren Berns vorbereitet. Nach einer Ansängerperiode auf kleinen ostpreußischen Bühnen kam sie ans Hamburger Thaliatheater, wo sie ihre ersten großen Erfolge errang, und dann durch Heinrich Laube 1857 ans Burgtheater, die Sehnsucht und Pflegstätte aller großen Ta­lente. Die Naivenrollen waren ihr Fach, das Lorle", die Jeanne in derLady Tartuffe" u. a. m.; ihren Ruhm aber begründete die Grille", die keine andere wieder so schelmisch, so herzlich und natürlich gespielt hat. Friederike Goßmann zog sich schon mit 22 Jahren von der Bühne zurück, um den Freiherrn späteren Grafen Karl von Prokesch-Osten zu heiraten.

Hhinestsche Kramenaufgaöen. Welch bedeut­same Fortschritte in letzter Zeit die Aufklärung im Reiche der Mitte" gemacht hat, zeigen uns deut­lich die Examenaufgaben, die demOstasiatischen Lloyd" zufolge jüngst den Kandidaten eines gewissen

Grades in den verschiedenen chinesischen Provinzen gestellt wurden. Es seien hier nur ein paar der interessantesten Beispiele ausgewählt. Provinz Schantung (in deren Gebiet bekanntlich unser Kiautschou liegt): Wie

lassen sich' unsere Land- und Seegrenzen am besten gegen die Eingriffe fremder Mächte schützen? Wie lassen sich die Hilfsquellen Chinas durch Bergbau und Eisenbahnen am besten erschließen? Provinz Kiangsi: Worin unterscheiden sich die verschiedenen mili­tärischen Systeme der Völker? Was kann der ferne , Osten aus dem Wiener Kongreß, dem Berliner Ver­trag und der Monroedoktrin lernen? Welche

Wirkung wird die sibirische Eisenbahn und der Nicaraguakanal auf China haben? Provinz

Fukian: Welcher Art ist die Negierung, die Industrie und die Erziehung in der Schweiz, die, obwohl klein, sich doch unabhängig von den sie umgebenden Großmächten zu halten ver­standen hat? Provinz Kuangtung: Welches Münzsystem soll China adoptieren, Gold, Silber und Kupfer wie die andern Länder im Westen, oder: Auf welchem Wege lassen sich

Gelder und Professoren für die neue Erziehungs­methode beschaffen? Provinz Hunan: Welche Politik befolgt Japan, folgt es einfach andern Völkern, oder hat es eigene Ziele? Warum fühlt China seine kleine nationale Schuld so schwer, während England und Frankreich mit viel größeren Schulden diese kaum fühlen? Das sind Examen­fragen, die uns alles eher als chinesisch erscheinen, und die noch vor dem chinesisch-japanischen Krieg

Friederike Goßmann ck-