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Dev stille Weg.
Roman von Richard Skowronnek.
(3. Fortsetzung.)
ie schrille Glocke am Dachfirst der langen Getreide- scheune sang mit eintönigem Geläut den Feierabend ^n, auf dem weitläufigen Viereck des Ouessendörfer Gutshofes fing's nach heißem Tagwerk allmählich an, still zu werden. Arbeitsmüde Menschen streckten auf harter Bettstatt die Glieder, in den schmalen Fenstern der Inst- Häuser verglomm der Schein der Herdfeuer, und über die sonnen- durchglühte Erde senkten sich die dämmernden Schatten der kurzen Sommernacht. Nur das Jungvolk noch trieb auf der dunkeln Dorfgasse seine uralten, ewigen Possen. Irgendwo vor einem niedrigen Fenster sangen ein paar Burschen zu den Klängen einer Ziehharmonika ein keckes Liebeslied, Helle Mädchenstimmen antworteten, Lachen und Kreischen danach, bis die im Schlaf gestörte Nachbarschaft mit Keifen und Schelten Ruhe gebot.
Der Baron von Ouessendorpf, ein rotbärtiger Herr von gewaltigem Wuchs und mächtigen Gliedern, verabschiedete auf der Freitreppe seinen Inspektor, mit dem er nach einem letzten Rundgang durch Hof und Ställe die Arbeiten des kommenden Tages besprochen hatte, und schritt über die im Dunkel liegende weite Diele, die das alte Haus in zwei Hälften teilte, der Parkveranda zu. Hungrig und rechtschaffen müde, aber mit Gott, der Welt und seiner Arbeit zufrieden. Achtzig Fuder ersten Kleeschnitts waren knochentrocken hereingekommen, und wenn Sonnenuntergang und Wetterglas nicht trogen, ging's morgen mit dem noch in Kepsen stehenden Rest ebenso. Und — unberufen — ein gutes Jahr, in dem man an der Wirtschaft seine Freude haben konnte! Die Heuernte war über die Maßen ergiebig gewesen, Winterroggen und Weizen versprachen mehr als das zwölfte Korn, weil die himmlischen Wettermacher Regen und Sonnenschein wirklich einmal mit einem weisen Verständnis für das Gedeihen des lieben Erdsegens eingeteilt hatten, der Maststall doppelt so stark besetzt wie im vergangenen Jahr, und wenn die guten Preise sich hielten, konnte man daran denken, den letzten Schritt zum Ziel zu tun, den letzten Rest der schweren Lasten abzustoßen, die von den Vorfahren her das reiche Besitztum drückten: aus leichtfertiger Verschwendungssucht oder wirtschaftlicher Untüchtigkeit aufgenommene Hppothekenschulden, die das alte Geschlecht fast zum Verlust der durch Jahrhunderte behaupteten Land- sässigkeit getrieben hätten,, wenn der damals letzte Ouessendorpf nicht mit fester Hand dem bergabwärts rollenden Rad in die Speichen gegriffen hätte. Schon in seinen Knabenjahren ein ganzer Kerl, der eines Tags vor seinen Vater getreten war
mit dem Verlangen, er sollte ihn aus dem Kadettenkorps nehmen und in eine landwirtschaftliche Schule schicken, und auf die ein wenig verwunderte Frage nach dem Grund erwidert hatte, er wollte lernen, mal als ein freier Herr auf seinem freien Grund und Boden zu stehen! Und als der Vater darauf antwortete, seines Wissens wäre das mit den Ouessendorpfen schon immer der Fall gewesen, ruhig bemerkte: „Oh nein, Papa, und verzeih, wenn ich dir widerspreche! Vielleicht mit den ganz alten Ouessendorpsen, die diesen Boden erobern halfen, aber mit dir nicht mehr! Was gehört dir denn noch davon, wenn du dich umstehst? Vielleicht ein anständiges Bauerngut, das übrige ist alles verpfändet, und wenn du es bewirtschaftest, plagst du dich für die Nachkommen der Leute, die unfern Vorfahren Geld gepumpt haben!" . . . „Nicht dumm, mein Junge," hatte der alte Herr darauf gesagt, „und woher hast du das alles?" . . . „Vom Nachdenken, Papa, und weil ich gesehen habe, daß du von unserm Verwalter Wontroba ganz gemein bestohlen wirst. In den letzten Ferien, da wollt ich im Verwaltersgarten Äpfel striezen, und da hörte ich, wie der Wontroba zu seiner Frau sagte: -Du,
Alte, noch drei Jahre, und wir sind so weit wie unser Vorgänger, können uns in Königsberg ein Haus kaufen, von unfern Zinsen leben, ins Theater gehen und soO . . Also von da an habe ich angefangen nachzudenken: Du hast immer
Sorgen, die Hppothekenzinsen zu bezahlen, und der Wontroba will sich ein Haus kaufen, wo er doch nur unser Verwalter ist mit tausendzweihundert Mark Gehalt? Und mit
einem Male wußte ich Bescheid! Der Wontroba stiehlt, und du merkst es nicht, denn er ist gelernter Landwirt
und du bloß Rittmeister a. D. von den Gardeulanen.
Also deshalb bitte ich dich, laß mich die Landwirtschaft lernen, lieber Papa, damit's mir nicht ebenso mit meinen: Verwalter geht wie dir mit dem Wontroba!" . . . Darauf hatte es
ein paar tüchtige Ohrfeigen gegeben. „So, mein Sohn, die eine für den -bloß Rittmeister a. D. von den Gardeulnnenß die zweite aber dafür, daß du einen treuen Beamten beschuldigt hast", und alles war für eine ganze Weile lang beim alten geblieben. Der Verwalter Wontroba stahl weiter, der alte Herr wirtschaftete wie bisher, großspurig wie seine Vorfahren, bis ihn eines Tages nach einem heftigen Ärger der Schlagsluß traf, das übliche Ende all der vollblütigen Herren, die mehr schweren Rotweins tranken, als ihnen zuträglich war. Da hatte der Sohn freie Bahn, denn vor seinen Vor-
1906. Nr. 40.
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