Heft 
(1906) 40
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ich's ihr wieder gesagt, entweder man hat sich lieb, auch für Pellkartoffeln und Hering, oder gar nicht! Aber dieses Hin- und Hergezerre, dieses Angeschmachte mit nachfolgendem Rechen­exempel, ah, und fast hätte ich gesagt: -Pfui Deiwel!'" Und Frau Fanny warf mit energischem Schwung den Rest ihrer Zigarette über die Brüstung der Veranda. Der Baron von Oueffendorpf aber spielte nachdenklich mit dem Stiel seines Moselglases. Ja ja, und fast möchte ich sagen, die Sorte Menschen, die sich aus Liebe heiraten, die's fertig kriegt, den Rittergurt um etliche Daumenbreiten enger Zu schnallen, nur um die gänzlich mitgiftlose Herzallerliebste heimführen zu können, wie ich alt­modischer Kerl es getan Hab', wird immer seltener. Und ich muß manchmal an ein weißhaariges Jüdlein denken, den alten Jankel Tetenbaum, der noch zu Lebzeiten meiner Mutter alle Frühjahr und Herbst mit seinem -Pingel', dem großen Packen, auf den Ouessendörfer Hof kam. Meine Mutter kaufte ihm aus Mitleid jedesmal eine Portion von seinem Kram ab, machte aber immer ihr Scherzchen dabei: -Ja, sagen Sie mal, Jankel, gibt's denn noch immer so altmodische Leute, die sich nicht sagen, daß sie bei Ihnen alles teurer bezahlen müssen als in der Stadt?' Und er darauf: -Gnädigste Frau Baronin, Sie haben recht, 's werd immer schwerer. Mer trefft gar keine alten Leuten mehr! Wenn mer aber mal einen trefft, ise er noch von früher!' Nach allem, was man so rings herum sieht, werden auch die wirklichen Adligen immer seltener, und wenn man mal einem begegnet, dann ist er noch von früher, aus einer Zeit, mit der es immer rascher zu Ende geht. ..."

Die Leiden aus dem Ziergarten kamen die Treppe herauf, Alix Prahlstorff mit einem seltsam gespannten Zug in dem blaffen Gesicht, der Oberleutnant von Sacrow, um sich, wie er erklärte, eigentlich nur zu verabschieden. Eine ganz wilde Dienstperiode käme heran, denn in zehn oder elf Tagen gäbe es die Besichtigung. Da der neue Inspekteur aber, wie üblich, so Ziemlich das Gegenteil des seinem Vorgänger Wohlgefälligen zu sehen wünschte, herrschte in dem zunächst betroffenen Kreis des Kommandeurs und der Kapitäne eitel Zähneklappern, und er kopierte mit einer gewissen forcierten Lustigkeit den Vataillons- gewaltigen, wie er im Besichtigungsfieber beim Exerzieren sein ohnedies krächzendes und wenig ausgiebiges Organ so über­anstrengte, daß er total heiser, nur noch die Worte heraus­bringen konnte:Na, mir ist's egal, Herr Hauptmann von Kreienberg, übernehmen Sie, bitte, das Kommando!"

Seine Bessie wurde vorgeführt, und der Oberleutnant von Sacrow verabschiedete sich, ritt davon, ohne daß Alix Prahlstorff, wie sonst, ihm die Treppe hinab das Geleit ge­geben hätte, um der Stute den schlanken Hals zu klopfen und von dem Reiter noch einen besonderen Abschied zu nehmen . . .

Nanu?" fragte Frau Fanny ein wenig verwundert, als er außer Hörweite war, aber Alix antwortete ihr nur mit einem stumm flehenden Blick. Der Hausherr wollte tröstend bemerken: Geh, gräm dich nicht, Lixel, ich Hab' viel was Reelleres für dich, eine warnende Handbewegung der Gattin hieß ihn jedoch schweigen. Danach aber kamen die beiden Jungen durch den Park angerannt, naß bis unter die Arme, aber mit reichlicher Beute, und für eine Weile füllte sich der Raum, in dem sich eben noch ein Menschenschicksal entschieden hatte, mit Jubel und Frohsinn. Oben aber in dem Fremdenzimmer neben dem alten Turm weinte eine, die sich still fortgeschlichen hatte, an dem Hals ihrer Getreuen . . .Wawerka, hilf, denn ich kann nicht von ihm lassen . . . Geh', eil' ihm nach, und er soll wieder umkehren, denn ich bereute schon längst wieder alles, was ich gesprochen . . . Aber sag' ihm, er hätte mich doch auch nicht herausfordern sollen, denn ich gehe allein meinen Weg, und er müßte es doch wissen, daß ich zu stolz bin, um mir an andern ein Beispiel zu nehmen ... O, wie ich sie hasse, diese fischblütige kleine Person, die er zur Vertrauten seiner Sorgen gemacht hat, statt zu mir zu kommen, frank und frei: Liebste, willst du mit mir in die Armut springen? Seine Magd wäre ich geworden, denn ich liebte, liebte ihn, wie noch niemals ein Mann geliebt worden ist. Aber sag', Wawerka, mußte ich mich nicht aufbäumen, als ich sah, daß er sich bei einer andern Rats erholt hatte, ob er's mit mir -wagen' dürfte? Und Gott sei Dank nur, daß ich sie gedemütigt habe! Gute Lehren sollte ich mir wohl bei ihr holen, aber ich saß recht wie eine Herrin vor ihr, heute vormittag, lächelte nur immer und ließ sie sprechen und sprechen, bis sie vor lauter Verlegenheit aufhören mußte . . . o, wie ich sie Haffe, Wawerka!"

Die Alte strich ihr liebkosend das rotblonde Haar.Werd' ruhig, mein Täubchen, mein goldenes, er wird wiederkommen, denn sein Herz ist verbrannt. Aber glaub' mir, er ist es nicht, den dir das Schicksal bestimmt hat. Und all' die Zeit über lag es vor mir im Dunkel, aber heute haben sie endlich gesprochen, die Karten. Von weit her wird er kommen, und er ist unermeßlich reich . . . willst du es selbst sehen, mein Töchterchen, mein einzigstes, damit du mir endlich Glauben schenkst. Wenn etwas so fest geschrieben steht, Zeigt es sich einmal so, wie das andere Mal". . . Und sie mischte die Karten mit eifriger Hand, breitete sie neben dem brennenden Licht vor einem Paar halb widerwillig, halb abergläubisch dreinschauender Augen auf dem Tisch aus.Da, mein Seelchen, geliebtes, liegt er . . . eine Dame ist neben ihm, aber sie ist dir wohl­gesinnt ... da ist das Geld, lauteres Geld, und es kommt über den langen Weg, aber in kurzer Zeit hier in dieses Haus . . ." (Fortsetzung folgt.)

Alein-Deutschland in Südbrasilien.

Don IVolfgang Ammon-Lampo Alegro.

Memaulm peguena" (Klein-Deutschland) nennt der Brasilianer die deutschen Kolonien Dona Francisca und Blumenau im Staat Santa Katharina, und mit dem gleichen Ausdruck bezeichnet er auch die zahlreichen deutschen Ansied­lungen im Staat Rio Grande do Sul. In neuerer Zeit freilich, da er durch englische und nordamerikanische Hetzereien auf die sogenanntedeutsche Gefahr" aufmerksam gemacht wurde, die für Brasilien in diesen Sammelpunkten des Deutschtums liegen soll, spricht er das Wort nicht mehr mit dem früheren Humor, sondern mit verstecktem Mißtrauen aus.

Ein Besuch der Kolonie Dona Francisca soll uns zeigen, wie man dort lebt, und inwieweit der NameKlein- Deutschland" und das mit ihm verbundene Mißtrauen gegen Groß-Deutschland berechtigt ist. Ein Dampfer des Nord­deutschen Lloyd hat uns in Säo Francisco, dein Zufuhrhafen der dahinter liegenden Kolonien, gelandet. Eine gute halbe

Stunde genügte, um das an grüner Bergwand gelagerte brasilianische Hafenstädtchen kennenzulernen.

Vor uns erglänzt die herrliche Bai von Säo Francisco. Die größten Schiffe finden hier Ankergrund dicht am Ufer. Den Rahmen der Bai bildet ein Kranz von grünbewaldeten Bergen, hinter denen die bizarren Formen der Serra Geral do Mar in tiefem Blau hervorschimmern. -

Eine Eisenbahn ist im Vau begriffen, sie wird die Kolonien mit der See in direkte Verbindung bringen. Es ist aber keine deutsche Gesellschaft/die das Unternehmen begonnen hat. Das deutsche Kapital verhält sich den deutschen Kolonien in Südbrasilien gegenüber allzu ablehnend und ängstlich.

Das Abfahrtssignal des kleinen Koloniedampfers ertönt. An Deck des Dampfboots versammeln sich etwa dreißig Passagiere, Herren und Damen. Alle, mit Ausnahme von zwei Herren, unterhalten sich lebhaft in deutscher Sprache.