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Objekte vorhanden, eventuell bereit, auch noch weitere Ankäufe in dortiger Gegend Zu effektiveren, und sichern wir Ew. Hoch- geboren für erfolgreiche Vermittlung entsprechende Beteiligung zu. Indem wir bemerken, daß letztere von einwandsfrei arischer Abkunft ist, evangelisch und einer Alt-Wilmersdorfer Familie entstammend, unverheiratet und in jeder Beziehung Kavalier, sehen wir Ihren geschätzten Nachrichten entgegen und zeichnen hochachtungsvoll F. Bornträger & Cm"
„Erlaube," sagte Frau Fanny, als sie geendet hatte, „ein Mühlrad! Die alte Reichnerin soll sich mit der Absicht tragen, hier ,weitere Gutsankäufe zu effektuierenß und deine entsprechende Beteiligung, so wird behauptet, wäre einwandsfrei arischer Abkunft und evangelischer Konfession? Also was soll das bedeuten?"
Der Baron von Ouessendorpf lachte herzlich und angelte das letzte saftige Hammelrippchen aus der bereits bedenklich geleerten Terrine. „Was das bedeuten soll? Also, aus der kaufmännischen Sprache der Herren Bornträger cL Co. in unser geliebtes Deutsch übersetzt, einen ziemlich sichern und zahlungsfähigen Käufer für Heinrichswalde."
„Na, Gott sei Dank," sagte Frau Fanny, „daß die armen Würmer endlich versorgt werden und du die Vormundschaft loswirst. Mehr Arbeit als Dank, wie bei all' deinen Waisen vatergeschäften im Kreise! Aber, da du ja nie ohne einen besonderen Grund zu' fragen pflegst, was geht das die da unten an?" Und sie deutete mit der rundlichen Hand nach dem Ziergarten hinab, in dem Alix Prahlstorff mit dem Oberleutnant von Sacrow noch immer auf und nieder ging, jetzt gerade von dem über der Parkveranda brennenden Vogenlicht, das von der Quelle der ungestümen Maldeine gespeist wurde, hell beleuchtet . . .
„Na, wenn Alix vernünftig ist —" der Baron v. Ouessendorpf dämpfte ein wenig seine starke Stimme — „ein Glückstreffer ohnegleichen! Die ganz große Partie meldet sich an . . . achtzehn Millionen Mark baren Geldes besitzt dieser verdrehte Wilmersdorfer Bauernjunge, die noch vorhandenen, unverkauften Terrains gar nicht gerechnet!"
„Erlaube!" sagte Frau Fanny und rückte sich in ihrem Sessel zurecht. „So viel Geld in einer Hand, das gibt's ja gar nicht! Und, wenn du auch sonst leidlich gescheit bist, Alterchen, woher willst du das alles wissen?"
„Wenn du den Brief da mit etwas mehr Andacht gelesen hättest, Fannutschka, könntest du dir's ungefähr denken. Na also, nachdem ich den Postboten auf dem Feld draußen abgefangen hatte, setzte ich meine alte Liese in Schunkeltrab, ließ für ein paar Stunden Klever Klever sein und fuhr querfeldein nach Groß-Klentzien. Und denk dir nur, ich hatte recht, die alte Reichnerin kuppelt wirklich!"
' „Ein bißchen deutlicher, wenn ich bitten darf", sagte Frau von Ouessendorpf und langte in die Tasche ihrer graugrünen Jacke, um sich zur Abwehr des lästigen Mückenvolkes eine Zigarette anzustecken.
„Na dann gib mir auch erst einmal Feuer ... so, danke — und jetzt paß auf!" Der Baron schob den Teller fort und lehnte sich mit der brennenden Zigarre behaglich im Sessel zurück. „Also, daß alter Adel und bunter Kragen schon seit altersher einen schwunghaften Handelsartikel darstellen, je älter und bunter, desto begehrter in den weiblichen Kreisen der sogenannten Geldaristokratie jeglicher Konfession und Herkunft, ist dir bekannt. Nun hat sich aber in neuerer Zeit auch nach der andern Kehrseite hin ein Bedürfnis herausgestellt: mit der Ansammlung großer Vermögen in bürgerlichen Familien haben auch die Herren Erbsöhne Geschmack daran gefunden, sich ihre Lebensgefährtinnen in den Kreisen des alten Adels zu suchen. Eigentlich ganz logisch, nicht wahr? Denn wenn die Schwester sich einen Grafen leistet, weshalb soll der Bruder da zurückstehen und sich nicht eine Gräfin kaufen dürfen, eine richtig gehende Gräfin mit einem veritablen neunzinkigen Krönchen auf den Dessous? Das gibt immerhin ein gewisses Relief, erleichtert auch den Zutritt zu unfern Kreisen, denn
unter sich, merkwürdigerweise, amüsieren sich diese Protzen nicht, mit der ersten Million pflegt sich eine Art von Heißhunger nach dem Dunstkreis des alten und ältesten Adels einzustellen. Die Firma F. Vornträger aber, deren Inhaber nicht nur ein sehr vielseitiger, sondern auch sehr umsichtiger Geschäftsmann zu sein scheint, hat unter Benutzung dieser neuen Konjunktur schon einige ganz bedeutende Abschlüsse erzielt. Namentlich zwischen Rheinland-Westfalen auf der einen und Mecklenburg auf der andern Seite. Und es wird klotzig daran verdient, meinte die alte Reichnerin. Wenn sie ihren Wilmersdorfer Bauernjungen passend unterbringt, gedenkt sie ihre Klitsche zu verkaufen und sich in Wiesbaden zur Ruhe zu setzen. Er hat nämlich noch eine jüngere Schwester, die aber nicht minder begütert ist, und da gedenkt die gute Reichnerin wohl zwei Fliegen mit einer Klappe Zu schlagen. Ich proponierte ihr halb im Scherz den braven Sacrow, damit er bei der Affäre doch nicht ganz leer ausgeht; sie hat aber schon einen andern Chasseuroffizier iv petto, ihren Neffen Erxleben, den Bataillonsadjutanten. Eigentlich rührend, so viel Familiensinn, nicht wahr?"
„Ouessendorpf," sagte Frau Fanny, denn wenn sie ärgerlich oder entrüstet war, nannte sie ihren Gatten stets mit seinem Vaternamen, „ich will zu deiner Ehre annehmen, daß du dir mit dieser Schnurre nur einen schlechten Scherz erlaubt hast!"
„Leider nein, Fannutschka!"
„Dann bedaure ich sehr, aber einer gewerbsmäßigen Heiratsvermittlerin mit ihren Proteges bleibt dieses Haus verschlossen!"
Der Baron von Ouessendorpf nahm die Zigarre aus dem Mund und klappte mit einer leichten Verneigung die Stiefelabsätze zusammen. „Scharmant, mein Liebstes, denn wer in diesem Haus empfangen werden darf oder nicht, darüber hast du zu bestimmen. Aber wem nützen wir mit dieser korrekten Haltung? Und halten wir damit vielleicht eine Entwicklung auf, die ich im übrigen gar nicht bedaure, nämlich den Niedergang desjenigen Adels, der zu schlaff und untüchtig geworden ist, die von den Vorvätern ererbte Position zu behaupten? Meinen schroffen Standpunkt kennst du ja: Wenn ich dem König zu raten hätte, würde ich all' das, was nicht land- sässig ist oder im Verwaltungs- und Heeresdienst eine angemessene Stellung einnimmt, so lange mit der Entziehung des auszeichnenden Prädikats bestrafen, bis es durch besondere Leistungen sich seiner wieder würdig gemacht hat. Um aber auf unfern gegenwärtigen Hammel zurückzukommen, versprichst du dir vielleicht in diesem Niedergang ein Moment von besonders retardierender Wirkung, wenn wir Alix die Möglichkeit abschneiden, diesen Wilmersdorfer Millionenbauer kennen zu lernen? Er heiratet dann eben eine andere Komtesse oder Baronesse von ebenso untadeligem Stammbaum als mangelhafter Mitgift. Und sie? Wird sie als malkontentes Mitglied eines adligen Fräuleinstiftes vielleicht eine besonders hervorragende Zierde unseres Standes? ... Ich seist den alten Prahlstorff noch daliegen nach seiner letzten mißglückten Börsenspekulation und dem angeblichen Jagdunfall, die spitze Nase im Gesicht und die gläsernen Augen auf mich gerichtet: Metz Ouessendorpf, du bist der einzige, und du mußt Rat schaffen für mein armes Mädel, die Alix. Nichts bleibt übrig, wenn du nicht der Bande, die mich bis hierher getrieben hat, noch was aus dem Rachen reißt? Na, mit meinem Händedruck ist er dann ein bißchen ruhiger hinübergegangen. Ja, und an das wollte ich dich erst mal wieder erinnern, Liebstes, ehe ich dich um die Erlaubnis bat, diesen Wilmersdorfer mal, sozusagen, zur Ansicht kommen zu lassen!"
„Na ja," meinte Frau Fanny schon um ein Erhebliches milder, „aber, gelinde gesagt, wäre das doch noch zum mindesten recht verfrüht."
„Ach Gott, Fannutschka, ich weiß nicht. Aber mir kommt's vor, die beiden da unten rechnen zu viel, und darüber wird auch die heißeste Liebe kalt!"
„Ja, nicht wahr? Hätten mit raschem Entschluß hineinspringen sollen, es wär' schon gegangen. Und heute erst Hab'
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